Im Fairkauf nachhaltig und preiswert einkaufen
Es ist Donnerstag, zehn Uhr. Seit einer Stunde hat der Fairkauf in Bersenbrück im Landkreis Osnabrück seine Türen geöffnet. Etwa zehn Personen tummeln sich bereits in den Verkaufsräumen. Eine Frau steht an der Kasse und hat einen Pulli und einen farblich passenden Schal in der Hand. Für gerade mal fünf Euro geht die Ware über die Ladentheke.
Der Fairkauf in Bersenbrück ist ein soziales Kaufhaus, das seit 2005 von der Caritas Arbeits- und Dienstleistungsgesellschaft (kurz: CAD) betrieben wird. Bekleidung, Schuhe, Hausrat aller Art, Spielzeug, Kindermöbel, Kinderwagen, Bücher, CDs und sogar Schallplatten - in dem Secondhand-Geschäft gibt es fast alles zu kaufen, was man in einem Haushalt findet. "Alles ohne Stecker - das dürfen wir aus rechtlichen Gründen nicht", sagt Karin Blatzheim. Die gelernte Schauwerbegestalterin leitet den Fairkauf. "Viele sind von dem vielfältigen Angebot überrascht und freuen sich über die originellen Einzelstücke."
Zweite Chance für Aussortiertes
In und um Bersenbrück unterstützen viele Menschen den Laden. "Die Spender wissen, dass ihre aussortierten Dinge hier eine zweite Chance bekommen", erklärt Karin Blatzheim. Doch im Fairkauf werden nicht nur gut erhaltene Sachen verkauft, sondern auch Langzeitarbeitslose qualifiziert. "Die CAD arbeitet nicht gewinnorientiert. Durch die Verkaufserlöse schaffen wir Beschäftigungsmöglichkeiten für langzeitarbeitslose Menschen", betont Ralf Chojetzki, Geschäftsführer der CAD. Gleich nebenan sind Tafel und kommunale Arbeitsvermittlung "MaßArbeit".
Die Besucher der Tafel kaufen regelmäßig im Fairkauf ein. "Wenn die Tafel ihre Ausgabe öffnet, herrscht auch hier Hochbetrieb", berichtet Karin Blatzheim. Auch Menschen ohne festen Wohnsitz gehören zu den Kunden. Die Caritas-Wohnungslosenhilfe verteilt Gutscheine für den Fairkauf an ihre Klienten. "Uns ist es wichtig, dass hier alle Besucher ein positives Einkaufserlebnis haben. Auch Wohnungslose sind herzlich willkommen", betont Karin Blatzheim.
Der Umwelt zuliebe: Nachhaltigkeit zählt
Neben den Kundinnen und Kunden mit kleinem Geldbeutel kaufen viele Menschen aus Nachhaltigkeitsgründen im Laden ein. "Immer mehr Besucher legen Wert darauf, bewusst zu konsumieren und Überfluss zu vermeiden. Deshalb greifen sie lieber zu Secondhand-Ware", erklärt Blatzheim. Joyce Tuinman ist Stammkundin. "Hier findet man viele Schätzchen", erzählt die gebürtige Niederländerin. "Es ist sinnvoll, solche Sachen mehrfach zu nutzen. Ich versuche, nichts wegzuschmeißen, sondern ich verschenke Dinge, die ich nicht mehr brauche." Auch bei Kleidung weiß sie Secondhand-Ware zu schätzen: "Neu produzierte Bekleidung ist oft mit Giftstoffen belastet. Alles, was ich hier kaufe, ist mehrfach gewaschen."
Der Name "Fairkauf" ist Programm
Egal aus welchen Gründen sie einkaufen, im Fairkauf sind alle willkommen: "Ich ermutige Leute, die hier ihre Kleiderspenden abgeben, sich umzusehen", sagt Karin Blatzheim. Manchmal gebe es auch Vorbehalte: "Einige haben Sorge, dass sie mit ihrem Einkauf Menschen etwas wegnehmen, die es nötiger haben als sie selbst. Aber das ist natürlich nicht so. Wir bekommen viele Spenden und die Regale sind schnell wieder gefüllt. Wir freuen uns über jeden Euro, den wir einnehmen. Damit halten wir den Laden am Laufen." Der Name "Fairkauf" ist bewusst gewählt: "Wir wollten weg vom Ramsch- Image eines sozialen Kaufhauses. Mit dem Namen unterstreichen wir ein modernes Selbstverständnis: faire Preise zu fairen Bedingungen für Mensch und Umwelt", erklärt Ralf Chojetzki. Das Angebot trifft den Zeitgeist. Klimakrise, Coronapandemie, Ukrainekrieg, explodierende Energiekosten, steigende Inflation- in einer Zeit sich überlappender Krisen schauen immer mehr Menschen aufs Geld und ihnen wird deutlich, dass die Ressourcen begrenzt sind.
Aus Alt wird Neu: Upcycling
Karin Blatzheim und ihr Team sorgen dafür, dass alles, was im Kaufhaus abgegeben wird, auch verwertet wird. "Kleidung, die nicht mehr in den Verkauf gehen kann, weil sie beschädigt ist, geht an einen Textilverwerter. Dort kommt die Ware in einen Reißwolf. Daraus werden unter anderem Stoffe für Dämmmaterialien in der Industrie hergestellt." Das Team hat zudem eine Idee entwickelt, wie es alten Dingen neues Leben einhaucht: Aus Stoffresten schaffen sie in einem kleinen Nähatelier Taschen, Kissen, Brotkörbe oder Kochschürzen. Fünf ehrenamtliche Frauen verwandeln die Stoffe in originelle Unikate. Auch Blatzheim greift nach Feierabend zu Nadel und Faden und investiert in dieses Herzensprojekt. "Unser Label ‚alwine‘ steht für ,Aus Alt wird Neu‘. Jedes unserer Einzelstücke wird mit dem Logo versehen", erklärt sie. Sie zeigt auf eine Lederjacke, die einige Jahre im Kleiderschrank des Spenders hing. "Der Schnitt ist nicht mehr modern. Das Leder ist aber noch gut. Wir nähen daraus eine Handtasche, die sind beliebt bei unseren Kundinnen."
Engagement mit Herzblut
Katharina Grenz arbeitet rund 20 Stunden pro Woche ehrenamtlich im Nähatelier. "Ich nähe gerne. Das macht mir Spaß", erklärt sie. Neben den alwine-Produkten bessert sie auch abgegebene Kleiderspenden aus. "Es ist doch gut, wenn jemand anderes die Kleidung weitertragen kann." Seit 2006 macht sie diese Arbeit im Fairkauf. Sie ist mit einem Ein-Euro-Job gestartet und danach geblieben. "Zu Hause sitzen, das ist nichts für mich. Hier treffe ich viele nette Leute."
Auch für Nina Muntaniol ist das ein Grund, sich im Fairkauf ehrenamtlich zu engagieren. Sie steht an der Kasse und sagt: "Ich liebe diese Arbeit, vor allem die Gespräche mit den Kunden." Sie sortiert die ankommende Ware und zeichnet sie aus. "Wenn die Kleidung sauber und unbeschädigt ist und in die Jahreszeit passt, kommt sie direkt in den Laden." Bekleidung, die nicht sauber ist, kann vor Ort gewaschen werden. Auch ein Bügelbrett steht bereit. Das Team legt viel Wert auf eine ansprechende Präsentation. "Wir haben hier einheitliche Kleiderbügel für die unterschiedlichen Bekleidungsstücke. Das macht ein aufgeräumtes Bild. Unsere Kunden sollen sich hier wohlfühlen", meint Karin Blatzheim. Auch für Maren Friedrich ist der Fairkauf ein Ort zum Wohlfühlen. "Die Damen hier machen das alles mit viel Herzblut. Deshalb komme ich gerne hierher", sagt sie. "Für mich ist der Laden eine Insel: Man kann sich nett unterhalten und in Ruhe stöbern. Wenn ich nichts kaufe, werde ich nicht blöd angeguckt. Das finde ich sonst nirgends."