Die Tembé kämpfen um den Regenwald
Bewãri Tembé beeindruckt. Der 30-jährige Sprachwissenschaftler und Dozent an der Universität Belém trägt eine knielange Jeans mit modischen Löchern und darüber ein lachsfarbenes Muskelshirt. Doch eines hebt ihn aus der Masse der Bewohnerinnen und Bewohner der nordostbrasilianischen Großstadt unübersehbar heraus: sein Schmuck. Sein Gesicht ist rituell bemalt, seine Oberarme und Unterschenkel sind mit geflochtenen Bändern geschmückt und auf dem Kopf trägt er eine fein gearbeitete Krone aus blauen Papageienfedern. Jedes Detail des Schmuckes hat eine Bedeutung und zeichnet ihn als einen führenden Vertreter des indigenen Volkes der Tembé aus.
Mit fünf Jahren will er seine Wurzeln kennenlernen
Bewãri war fünf Jahre alt, als er seinen Vater davon überzeugte, ihn zu seiner Tante in einen entfernten Ort ziehen zu lassen. Im Gegensatz zu den Bewohnern in seinem eigenen Dorf konnten dort noch einige alte Menschen Tenetehára sprechen - die traditionelle Sprache der Tembé und Guajajára. Diese wollte er erlernen und mit ihr die traditionelle Lebensweise seines Volkes.
"Es gab sehr ernste Verhandlungen zwischen meinem Vater und den Verwandten dort, denn mein Wunsch war sehr ungewöhnlich", erzählt Bewãri Tembé. Dabei war nicht sein Alter, sondern die Ernsthaftigkeit seines Begehrens die Grundlage der Diskussion. Die Tembé waren nicht sicher, ob der Junge dieser Verantwortung gewachsen sein würde. Jedes Fest, jeder Tanz, jede Bewegung hat in ihrer Kultur eine Bedeutung und sollte nicht mit anderen Kulturen vermischt werden. "Allerdings lebte dort auch ein weißer Pastor, der die Sprache studierte", erzählt Bewãri weiter, "weshalb sie mich als ,Ausländer‘ schlussendlich akzeptierten."
Botschafter der indigenen Tradition
Der wissbegierige Junge sog die Sprache und Kultur seines Volkes in sich auf. Später sollte er in seinen ursprünglichen Heimatort zurückkehren und zum Botschafter der eigenen indigenen Tradition werden. Zuvor aber heiratete er ein Mädchen aus seinem Volk und nahm sie mit - auch, um die Traditionen und die Sprache nicht zu vergessen: "Ich brauchte ein ,Wörterbuch‘", erklärt er mit einem verschmitzten Lächeln.
Bewãri ist 1992 geboren - zu einer Zeit, in der sich das Volk in einer großen Auseinandersetzung befand. Obwohl die Tembé bereits im Jahr 1940 als Volksgruppe registriert wurden und ihnen 1945 das Schutzgebiet Terra Indígena Alto Rio Guamá zugesprochen wurde, mussten sie lange um ihre Rechte kämpfen. Im Jahr 1974 nahm ein Agrarunternehmer ein riesiges Landstück des dünn besiedelten und 279.000 Hektar großen Schutzgebiets widerrechtlich in Besitz. Er holzte Regenwald ab, betrieb intensive Landwirtschaft und verursachte so massive Umweltschäden. Mitten durch das indigene Gebiet baute er eine Straße, die zur Folge hatte, dass weitere widerrechtliche Siedlungen entstanden. All dies gefährdete die kulturelle und territoriale Identität der Volksgruppe.
Natur und Kultur sind eng verknüpft
"Wir haben an bestimmten Tagen ganz besondere Feste", erklärt Bewãri. "Zu dieser Gelegenheit essen wir eine bestimmte Vogel- oder Tierart. Wir essen nichts anderes, nur diese Art", bekräftigt er. "Wenn wir aber dieses Tier in unserem Wald nicht mehr finden, dann können wir das Fest nicht mehr feiern. Dann gibt es das Fest nicht mehr." Deshalb ist der Kampf der Tembé um ihre Landrechte und um die Bewahrung der Natur eng mit ihrer kulturellen Identität verknüpft. 1979 reichte die Volksgruppe gegen den Agrarbetrieb Klage ein, doch die erste Entscheidung zugunsten der Tembé fiel erst 1996. Es dauerte weitere 18 Jahre, bis die Tembé die besetzten 9200 Hektar Land wieder in Besitz nehmen konnten.
Heute bemühen sich Bewãri und die indigenen Dörfer um den Schutz der Natur und die Wiederansiedlung seltener Tierarten.
Mit beeindruckender Kraft treten sie für ihre Landrechte ein und leisten mit ihrer Art zu leben einen Beitrag zum globalen Klimaschutz. Obwohl die Begehrlichkeiten nach den Rohstoffen des Amazonasgebietes weiterhin bestehen und es auch die eigenen jungen Leute in die Städte zieht, strahlt Bewãri Tembé einen großen Optimismus aus: "Wenn wir unsere Feste feiern, dann bleiben sie."