Sterbebegleitung als Aufgabe für alle
Begrifflichkeiten und aktuelle politische Situation
In der Debatte um Sterbehilfe sind folgende Unterscheidungen zu berücksichtigen: Zum einen gibt es den Wortgebrauch, der dem der Sterbebegleitung recht nahe kommt und die Hilfe zu einem guten Tod bei alten und sterbenskranken Menschen meint. Hier geht es um eine angemessene, palliative Pflege, schmerzlindernde Behandlung und seelsorgliche Begleitung.
Zum anderen gibt es den Unterschied zwischen Sterbehilfe als passiver Hilfe zum Sterben im Gegensatz zur indirekten Sterbehilfe und schließlich zur aktiven Sterbehilfe.
Bei der Sterbehilfe als passiver Hilfe zum Sterben handelt es sich entweder um ausdrücklichen Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder um den Abbruch genau solcher Maßnahmen.
Bei der indirekten Sterbehilfe wird eine mögliche Verkürzung des Sterbeprozesses durch die Verabreichung schmerzstillender Medikamente in Kauf genommen; diese indirekte Sterbehilfe liegt auch im Fall der terminalen beziehungsweise palliativen Sedierung vor. Hier wird unter Inkaufnahme eines beschleunigten Todes die Gabe stark schmerzstillender Medikamente durchgeführt, um einem Menschen in der allerletzten Lebensphase Schmerzen zu ersparen, was schon von Papst Pius XII. als ethisch gerechtfertigt bezeichnet wurde.
Die aktive Sterbehilfe meint das direkte Eingreifen in den Sterbeprozess durch Tötung, das heißt durch "Tötung auf Verlangen" beziehungsweise "Beihilfe zur Selbsttötung". Bislang ist in Deutschland jegliche Beihilfe zum Suizid straffrei. Aktuell ist eine neue Gesetzesinitiative in Vorbereitung, die nicht nur die gewerbsmäßige Sterbehilfe, sondern jegliche Form von organisierter Sterbehilfe verbietet. Dies würde auch ein Verbot der Vereine implizieren, die ohne Gewinnstreben die aktive Sterbehilfe anbieten. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat sich für ein solches Verbot jeder Form der organisierten Beihilfe zur Tötung ausgesprochen.
Anfang 2014 hat das belgische Parlament ein Gesetz erlassen, das aktive Sterbehilfe für Minderjährige erlaubt. Kinder und Jugendliche, die unheilbar krank sind, dürfen entscheiden, ob sie sterben möchten - Eltern und behandelnder Arzt müssen zustimmen; ein Psychologe wird miteinbezogen. Damit ist Belgien das erste Land, in dem es für aktive Sterbehilfe keine Altersgrenze mehr gibt. Für die belgischen Bischöfe – und nicht nur für diese – ist das inakzeptabel. Dieses Gesetz überschreite das Tötungsverbot, das zum Fundament einer humanen Gesellschaft gehöre. Damit werde der aktiven Sterbehilfe auch bei Menschen mit Behinderung und Demenz die Türe weit geöffnet.
Selbstbestimmung, Lebensqualität und das Lebensende
Wo es die faktische Freigabe der aktiven Sterbehilfe gibt, wird dies als emanzipatorischer Akt betrachtet: "Die Selbstbestimmung wird ausgedehnt auf die Grenzen des Selbst: der Einzelne soll auch über das noch verfügen können, was seiner Verfügung wesentlich entzogen ist: das Ende seines Lebens." So wertvoll die Kategorie der Selbstbestimmung auch ist, so muss man sich im Kontext des Sterbens durchaus fragen, ob sie hier angemessen verwendet wird.
Ebenso unangebracht ist die Kategorie der "Lebensqualität", mit der unter anderem der australische Bioethiker Peter Singer in den 1990er Jahren versucht hat, den Lebensschutz für bestimmte Gruppen – Embryonen, Säuglinge, Menschen mit schwerer geistiger Behinderung – auszuhebeln. Dabei muss man sich fragen, wie frei eine Entscheidung für einen herbeigeführten Tod sein kann in einer Gesellschaft, "die das Sterben so sehr tabuisiert hat, dass sie den Betroffenen Scham über ihren hilflosen Zustand aufnötigt." Haben diejenigen, die sich in ihrer hilflosen Lage den Tod wünschen, nicht längst das Werturteil der sie umgebenden Gesellschaft verinnerlicht, wonach ihrem Leben keine Qualität und demnach kein Wert mehr zukommt? Genau eine solche Geringschätzung beeinträchtigten Lebens wird unvermeidlich, "wenn man die Kategorie ‚Lebensqualität‘ zugrunde legt." Die Lebensqualität, um die es am Ende des Lebens geht, hat ganz andere Inhalte. Denn am Ende des Lebens zählt, dass man nicht allein ist, dass man sich seiner Hilflosigkeit nicht schämen muss, dass der Schmerz erträglich gemacht wird, dass niemand - auch man selbst - einem das Gefühl gibt, eine Last zu sein, dass es die Möglichkeit gibt, erzählen und sein Leben beschließen zu können.
Für religiöse Menschen zählt darüber hinaus, dass sie Seelsorge als geistlichen Trost erfahren und sich getragen fühlen dürfen vom Glauben daran, dass man nicht tiefer fallen kann als in die Hände Gottes. Mit Selbstbestimmung als Selbstverwirklichung und Selbstbehauptung hat diese Phase des Lebens wenig zu tun.
Die Verantwortung der Caritas
In Trägerschaft der Caritas gibt es bundesweit 58 stationäre Hospize mit 482 Betten. Dabei hat sich bei einer Erhebung im Jahr 2012 ergeben, dass im Einzelfall diese Hospize bis zu 30 Prozent der Mittel aus Eigenmitteln und Spenden zu finanzieren haben. Daneben gibt es flächendeckend das Angebot an Palliativpflegediensten mit 123 Einrichtungen bundesweit, die in die regionalen Strukturen eingebunden sind. Zusätzlich bieten 20 Einrichtungen eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung an. Auch in der stationären Altenhilfe werden Konzepte zur Palliativpflegeerarbeitet und an einigen Orten bereits umgesetzt.
Die Arbeitsgemeinschaft (AG) Palliativversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen des Deutschen Caritasverbandes geht es an, die Hospiz- und Palliativkultur noch besser zu etablieren, und in den Bildungseinrichtungen der Caritas gibt es ein breites Angebot "Palliative Care". Die Caritas hat die "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland" mitunterzeichnet.
Daraus ergibt sich:
- Die Suizidprävention muss verstärkt werden.
- Palliative Care und Hospizbetreuung müssen stärker gefördert werden. In stationären Einrichtungen muss eine Palliativkultur entstehen.
- Die allgemeine ambulante Palliativversorgung muss Regelversorgung werden und von den Kassen finanziert werden. Dann können schwerstkranke Menschen dort versorgt werden, wo sie leben.
- Es darf keine Kürzungen bei den sozialpsychiatrischen Diensten und ambulanten Service- und Pflegeleistungen geben.
- Die Palliativmedizin muss eine noch größere Rolle in der Ausbildung von Ärzt(inn)en und Pflegepersonal spielen.
Sterben in Würde bedeutet für die Caritas nicht, den Zeitpunkt des Todes selbst zu bestimmen, sondern die Art und Weise des Sterbens würdevoll zu gestalten. Der Wert von Selbstbestimmung muss im Kontext gesehen werden: Wenn 90 Prozent der Menschen, die Suizid begehen, krank sind, kann nicht wirklich von selbstbestimmter und freiheitlicher Entscheidung gesprochen werden. Eine zunehmende Akzeptanz der Sterbehilfe kann kranken oder alten Menschen signalisieren, dass sie der Gesellschaft zur Last fallen und ihr Leben nicht mehr lebenswert ist - gerade in dieser Lebensphase aber brauchen Menschen die Gewissheit, dass ihre Menschenwürde geachtet wird und sie alle Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Gerade weil die Angst der Menschen vor Schmerzen und dem Tod ernst genommen wird, entsteht daraus die Verpflichtung, Menschen in dieser Lebensphase besonders zu unterstützen, durch palliativmedizinische Versorgung, intensive Begleitung und seelsorgliche Angebote.
Das heißt im harten Wettbewerb, in dem stationäre Einrichtungen sich befinden, nicht der Betriebswirtschaft das letzte Wort über die Gestaltung des Sterbens zu lassen, sondern eine Kultur des Sterbens zu etablieren, in der die christliche Sicht auf das Leben, das Sterben und den Tod die Hoheit übernimmt.