„Frieden beginnt, wo die Flagge des Flammenkreuzes weht“
"Frieden beginnt bei mir" lautet das Motto der aktuellen Jahreskampagne des Deutschen Caritasverbandes. Die individuelle Dimension dieses Satzes leuchtet ein - jede und jeder von uns kann durch sein Tun einen Beitrag zum Frieden leisten. Spiegelaufkleber ermutigen zur konkreten Friedensstiftung - gegen das Gefühl der Ohnmacht und der Gleichgültigkeit. Sie kleben an Spiegeln in unseren Einrichtungen und Diensten, deren Arbeit in vielerlei Hinsicht Frieden stiftet, die Schutzräume bieten, Versöhnung möglich machen und Menschen zu ihrem Recht verhelfen.
Wie aber kann der Frieden in der Ukraine beginnen, deren Bevölkerung seit mehr als zwei Jahren unter dem russischen Angriffskrieg leidet? Und was ist unser Beitrag, um die Schrecken des Krieges zu beenden? Papst Franziskus‘ Äußerungen zur weißen Fahne, die in der Ukraine aufgestellt werden solle, suggerierten, Frieden könne in der Ukraine wieder hergestellt werden, wenn das Land die Waffen streckt.
Die Frage nach dem Umgang mit Krieg und Gewalt führt in ein ethisches Dilemma, das derzeit viele Menschen bewegt: Ist es mit dem christlichen Friedensgebot vereinbar, Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern? Wird das Leiden der Menschen damit nicht verlängert? Andererseits: Darf den Opfern eines Krieges Hilfe verweigert werden? Gegen einen brutalen Aggressor ist es ein Gebot der Menschlichkeit, die Angegriffenen in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen. Frieden gelingt nur, wenn er von allen gewollt wird: Wo Menschen Gewalt und Grausamkeit erfahren, wo sogar das Recht auf Leben in Frage gestellt wird, ist die (Selbst-)Verteidigung die einzige Möglichkeit, um die unmittelbare Aggression und Bedrohung abzuwenden. Erst dann können Recht und Gerechtigkeit wieder hergestellt werden.
Frieden muss - nach Krieg und Gewalt - ein gerechter Frieden sein, der weit mehr umfasst als die Abwesenheit von kriegerischen Handlungen; es muss ein langfristiger Frieden sein und nicht nur ein Waffenstillstand oder gar eine einseitige Kapitulation.
Die Menschen in der Ukraine werden sich auch weiterhin auf unsere Solidarität und die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen vor Ort verlassen können. Frieden beginnt hier im Kleinen. Frieden beginnt, wo die Flagge des Flammenkreuzes weht. Sei es in den zahlreichen Kindergärten, in denen die Caritas Ukraine kriegstraumatisierten Kindern einen sicheren Ort der Zuflucht schafft, sei es innerhalb der Arbeit der mobilen Pflegedienste, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens Alte und Kranke entlang der Frontlinie versorgen. Jedes der Hilfsangebote der Caritas in der Ukraine, die bereits mehr als drei Millionen Menschen erreicht haben, ist gelebte Solidarität und hält den Blick auf den Horizont des Friedens offen, selbst wenn der Weg dahin noch nicht sichtbar ist.