Kirche wird zum Zukunftshaus
Die zum Stadtteilzentrum Q1 umgebaute Friedenskirche hat im bundesweiten Wettbewerb „Kirchengebäude und ihre Zukunft“ den ersten Preis gewonnen.IFAK e.V.
Menschen verschiedener religiöser Prägung und Zugehörigkeit wohnen im Bochumer Westend zum Teil schon seit vielen Jahren Tür an Tür. Die multireligiöse Wirklichkeit gehört hier längst zum Alltag. Doch was wissen sie wirklich voneinander? Nach dem Motto "Niemand ist zu alt zu lernen, niemand zu jung, um Wissen weiterzugeben" werden Menschen unterschiedlicher Herkunft und Altersstufen motiviert, im "Q1 - Eins im Quartier - Haus für Kultur, Religion und Soziales im Westend" eigene Erfahrungen und Sichtweisen zu teilen und andere kennen zu lernen.
Große Bandbreite an Angeboten professioneller und ehrenamtlicher Kräfte
50 bis 60 Besucher(innen) täglich nutzen durchschnittlich das Q1. Zwei Drittel von ihnen haben Migrationshintergrund. Sie sind 18 bis 90 Jahre alt. In vielen gemeinsamen Aktivitäten initiieren wir das generationenübergreifende Miteinander und bieten auf diese Weise Begegnung und gesellschaftliche Teilhabe über ethnische, familiäre, kulturelle und schichtenspezifische Grenzen hinweg. Zu den Angeboten des Stadtteiltreffs gehören die offenen Beratungsstunden, Vorträge mit externen Referent(inn)en, Diskussions- und Bildungsveranstaltungen zu Themen wie Gesundheit und Erziehung, Förderung von interkulturellen Elterninitiativen und Selbsthilfegruppen, ein interkultureller Frauentreff, ein Elterntreff, ein Seniorenfrühstück sowie interkulturelle und interreligiöse Projekte, Veranstaltungen und Feste.
Auch ein "Keywork"-Atelier ist im Q1 entstanden. "Keywork" steht für neue Formen der Kulturvermittlung und Partizipation im Kontext des bürgerschaftlichen Engagements. Der Ansatz lebt vom Zusammenwirken der drei Elemente: kulturelle Bildung, künstlerische Aktionen und innovatives (Freiwilligen-)Engagement. Keyworker verfolgen das Ziel, Menschen aller Generationen und Kulturen den Zugang zu Kunst und Kultur zu erleichtern und ihnen kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Viele der hier lebenden und schaffenden Künstler(innen) und Kurator(inn)en haben eine wichtige künstlerische Beziehung zum Quartier, unter anderem als Quelle der Inspiration. Viele wollen zudem mit ihrer Kunst in das Quartier zurückwirken.
Ältere Migrant(inn)en als Zielgruppe erkannt und von ihnen gelernt
Interkulturelle Veranstaltungen sind Teil der Angebote im Stadtteiltreff Q1.IFAK e.V.
Ein Ziel der interkulturellen Seniorenarbeit im Q1 ist es, älteren Menschen im Westend möglichst lange ein aktives und selbstbestimmtes Leben in vertrauter Umgebung zu ermöglichen. Hierzu sollen die Ressourcen möglichst aller Akteure im Quartier miteinbezogen werden. Im Vordergrund jedoch stehen die Ressourcen und Bedürfnisse der Senior(inn)en, deren Ideen und Wünsche sich schon in den Planungen und der Organisation von Aktivitäten wiederfinden. Auch für die älteren Migrant(inn)en ist es wichtig, muttersprachliche Zugänge zu präventiven Altenhilfeangeboten zu schaffen. Denn ältere Migrant(inn)en werden oft nicht als Zielgruppe erkannt beziehungsweise es bleiben ihnen Zugänge zu Angeboten und Informationen verwehrt. Sie haben in der Regel auch den Wunsch, im Kreise ihrer Familie zu altern und gepflegt zu werden, doch entspricht dies in vielen Fällen nicht mehr ihrer Alltagsrealität. Das Großfamilienmodell zählt auch hier als Auslaufmodell. Und so sind die älteren Migrant(inn)en ebenfalls häufig auf sich selbst gestellt. Dennoch haben sie in der Regel gute Kontakte zu ihren deutschen Arbeitskolleg(inn)en und Nachbarn entwickelt, so dass hier auch ein Miteinander und Begegnung gewünscht werden. Häufig trennen Migrant(inn)en in ihrem Freizeitverhalten jedoch nicht Alt von Jung, sondern verbringen gerne gemeinsame Zeit mit Kindern und Enkelkindern. Diese Tatsache lässt sich sehr positiv auch in die generationenübergreifende Angebotsstruktur des Hauses einbinden.
Zunehmend wünschen sich auch deutsche Senior(inn)en eine erfüllte Freizeitgestaltung in altersgemischten (vielfältigen) Interessengemeinschaften, statt ausschließlich an Senioren-Angeboten teilzunehmen. Der Wunsch nach interkultureller und interreligiöser Begegnung und die Neugier auf das jeweilig "andere" ist bei allen Gruppen des Hauses gleichermaßen vorhanden und wird durch gemeinsame Aktivitäten, Projekte und Feste gefördert. Christen und Muslime begegnen sich ganz selbstverständlich und sehen sich als ein Teil des Lebens im Q1. Die Friedenskapelle des Hauses mit ihrem "Raum der Stille" wird auch von Muslimen zum Gebet genutzt.
Mit dem Q1 (einem Kooperationsprojekt des Bochumer Vereins Ifak und der Evangelischen Kirchengemeinde Bochum) haben wir einen Ort geschaffen, an dem sich noch viel Miteinander und Selbstorganisation von Bürger(inne)n entwickeln kann. Gerade in einer Zeit, in der die Familiensysteme nicht mehr so tragfähig sind, bietet das Q1 persönliche Ansprache, Selbstorganisation und die Möglichkeit der interkulturellen, generationenübergreifenden Unterstützung und Begegnung. Zukunftshäuser wirken vor Ort im Quartier mit den Akteuren aus dem Quartier, denn niemand kennt die Bedarfe vor Ort besser als die Menschen, die dort leben und arbeiten. Wir haben uns auf den Weg gemacht, an einem Zukunftshaus zu bauen.
Dieser leicht gekürzte Artikel erschien im Original in der Beilage der neuen caritas "Migration und Integration Info", Ausgabe 1/2016: Generationengerechtigkeit und Zuwanderung.
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