„Flüchtlinge wissen oft nicht, was relevant ist“
"Das Ausländer- und Asylrecht betrifft die Schwachen in unserer Gesellschaft, die keine Lobby haben." Der heute in Würzburg tätige Rechtsanwalt für Asyl- und Ausländerrecht hat miterlebt, wie dieser Rechtsbereich im Lauf der Jahre "absolut verkompliziert" wurde. "Die es betrifft, kennen sich damit am wenigsten aus."
Rechtsanwälte und Sozialorganisationen arbeiten zusammen
Koch ist einer von etwa 60 Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen bundesweit, die sich zur Rechtsberaterkonferenz zusammengeschlossen haben. Sie haben mit der Caritas, dem Deutschen Roten Kreuz und der Diakonie Beratungsverträge abgeschlossen. Diese beinhalten die kostenlose Beratung von Flüchtlingen und anderen schutzbedürftigen Ausländern, die von diesen Organisationen geschickt werden.
Die Beratung erfolgt in den Gemeinschaftsunterkünften, in denen die Ratsuchenden leben, oder - wie im Fall von Michael Koch - in der Kanzlei. Meist geht es dabei um das Asylverfahren. Zur Sprache kommen aber auch Strafverfahren wegen illegaler Einreise und/oder Urkundenfälschung, Probleme mit der Unterbringung oder der Tatsache, dass sie zum Beispiel den Landkreis nicht verlassen dürfen. Nur selten ist eine Beratung vor der ersten Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) möglich. "Die Flüchtlinge wissen gar nicht, was relevant ist. Sie erzählen allgemein etwas über die Situation in ihrem Heimatland. Was aber zählt ist das, was ihnen persönlich widerfahren ist."
Ehrenamtliche übernehmen Dolmetscheraufgaben
Ein großes Problem ist die Verständigung. In Michael Kochs Kanzlei arbeiten zwar Mitarbeiterinnen mit Fremdsprachenkenntnissen. "Aber wenn es um Persisch oder Arabisch geht, müssen wir passen." Manchmal stellen sich Bekannte oder andere anerkannte Flüchtlinge kostenlos als Dolmetscher zur Verfügung. Michael Koch kann auf ein ehrenamtliches Netzwerk zurückgreifen, denn Geld für die Dolmetscherdienste steht nicht zur Verfügung. Der Beratervertrag schließt auch die regelmäßige Fortbildung der Sozialarbeiter in den Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände und in den Gemeinschaftsunterkünften mit ein. Zwei Mal pro Jahr trifft sich Michael Koch auch mit seinen Kollegen zur Bundeskonferenz der Rechtsberater für Flüchtlinge, dessen Sprecherrat er angehört. Sie konnten schon einige Weichen für einen besseren Umgang mit Flüchtlingen stellen.
Prozesskostenhilfe gibt es nur bei Erfolgsaussicht
Dennoch werden die meisten Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Und die meisten Asylbewerber klagen dagegen. Nur in außergewöhnlichen Fällen kann dafür ein Antrag an den Rechtshilfefonds der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Migration (KAM) gestellt werden. Prozesskostenhilfe für die Klage wird den Asylbewerbern meistens mangels Erfolgsaussichten verwehrt. Eine anwaltliche Vertretung vor dem Verwaltungsgericht ist trotzdem erforderlich, um doch noch erfolgreich sein zu können. Sie muss durch die Betroffenen finanziert werden. Es gibt auch positive Entscheidungen. "Wenn ich keine Erfolgserlebnisse hätte", sagt Michael Koch, "wäre ich nicht nach 27 Jahren immer noch im Ausländer- und Asylrecht aktiv".