Statt drei Pflegestufen künftig fünf Pflegegrade
Die gute Nachricht: Kein Pflegebedürftiger wird durch das neue Gesetz schlechtergestellt. Bei der Überleitung von Pflegestufen auf Pflegegrade gibt es Bestandsschutz.
Die mit den Pflegestärkungsgesetzen eingeleitete Neuausrichtung der Pflegeversicherung hat vor allem ein Ziel: die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und psychischen Beeinträchtigungen stärker zu berücksichtigen und denen von Menschen mit körperlichen Einschränkungen gleichzustellen.
Die wichtigsten Änderungen
- Statt bisher drei Pflegestufen gibt es künftig fünf Pflegegrade.
- Dem Gesetz liegt ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff zugrunde, der sich nicht mehr vorwiegend auf körperliche Einschränkungen bezieht.
- Ein neues Begutachtungssystem wird zur Ermittlung des Pflegebedarfs eingeführt.
Deutscher Caritasverband e. V.
Anders als bisher wird nicht mehr der Zeitaufwand in Minuten gemessen, der für bestimmte Verrichtungen nötig ist, um daraus eine Pflegestufe abzuleiten. Begutachtet wird stattdessen, wie stark die Alltagskompetenz einer Person eingeschränkt ist, also wie selbstständig oder unselbstständig jemand ist. Die Frage lautet: Was kann der betreffende Mensch? Was braucht er, um (selbstständig) sein Leben zu regeln? Dazu zählen neben elementaren Dingen wie Körperpflege oder Essen und Trinken auch die zeitliche Orientierung oder die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte.
Also: Je stärker die Selbstständigkeit beeinträchtigt ist, desto größer ist der Bedarf an personeller Hilfe. Pflegebedürftige werden so schon früher Hilfe und Unterstützung bekommen. So hatte beispielsweise bisher der alleinige Bedarf an hauswirtschaftlicher Unterstützung keine Bedeutung für die Eingruppierung in eine Pflegestufe. Jetzt jedoch sind Hilfen zum Erhalt der Selbstständigkeit und zum Erhalt von Fähigkeiten zentral. Entscheidend ist der Grad der Einschränkung und nicht der Grund dafür.
Sechs Bereiche der Selbstständigkeit
Es ist der Grad der Selbstständigkeit, der entscheidet, welchen Pflegegrad jemand bekommt. Er wird festgemacht an sechs Lebensbereichen, die prozentual mittels eines Punktesystems betrachtet und gewichtet werden:
- Mobilität ( z.B. Treppensteigen, Fortbewegen in der Wohnung)
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten ( z.B. zeitliche Orientierung, Vergesslichkeit)
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (z.B. nächtliche Unruhe, aggressives Verhalten, Depression)
- Selbstversorgung (z.B. Ernährung, Körperpflege)
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (z.B. Medikamenteneinnahme, eigenständige Organisation von Arztbesuchen)
- Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (z.B. den Tagesablauf selbst gestalten, Verabredungen treffen)
Deutscher Caritasverband e. V
Einfach bei der Krankenkasse anrufen. Diese schickt dann die entsprechenden Formulare zu. Die Gutachten und die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade nimmt für Menschen, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert sind, der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) vor, bei knappschaftlich Versicherten der Sozialmedizinische Dienst (SMD). Zu privat Kranken- oder Pflegeversicherten kommt jedoch ein(e) Gutachter(in) der MEDICPROOF GmbH.
Auf der Grundlage des Gutachtens legen die Kassen den Pflegegrad fest. Der Versicherte erhält auf Wunsch das Gutachten.
Die Umstellung auf einen der fünf Pflegegrade wird für alle Versicherten, die schon Leistungen bekommen, automatisch vorgenommen. Pflegebedürftige werden in den Pflegegrad übergeleitet, der ihrer Pflegestufe entspricht. Es ist kein neuer Antrag auf Begutachtung notwendig. Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung bekommen, erhalten diese auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang wie bisher. Viele bekommen aber einiges mehr als vorher.
In der Regel gilt die Formel: Menschen mit körperlicher Einschränkung kommen von ihrer Pflegestufe in den nächsthöheren Pflegegrad (Beispiel: Aus Pflegestufe I wird Pflegegrad 2 und aus Pflegestufe III wird Pflegegrad 4).
Menschen mit demenziellen Einschränkungen werden in den übernächsten Pflegegrad überführt (aus Pflegestufe 0 wird Pflegegrad 2 oder aus Pflegestufe I wird Pflegegrad 3).
Dies betrifft aber nur pflegebedürftige demenziell Erkrankte, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert sind. Für Menschen, die Hilfe zur Pflege aus der Sozialversicherung erhalten, ist im Entwurf des Pflegestärkungsgesetzes III nur ein einfacher Stufensprung bei demenzieller oder psychischer Einschränkung vorgesehen (also von Pflegestufe 0 in Pflegegrad 1). Hier wird noch verhandelt.
Für die fünf Pflegegrade gilt:
Pflegegrad 1
Geldleistung ambulant: 125 Euro
Sachleistung ambulant: 0,00 Euro
Leistungsbetrag stationär: 125 Euro
Pflegegrad 2
Geldleistung ambulant: 316 Euro
Sachleistung ambulant: 689 Euro
Leistungsbetrag stationär: 770 Euro
Pflegegrad 3
Geldleistung ambulant: 545 Euro
Sachleistung ambulant: 1.298 Euro
Leistungsbetrag stationär: 1.262 Euro
Pflegegrad 4
Geldleistung ambulant: 728 Euro
Sachleistung ambulant: 1.612 Euro
Leistungsbetrag stationär: 1.775 Euro
Pflegegrad 5
Geldleistung ambulant: 901 Euro
Sachleistung ambulant: 1.995 Euro
Leistungsbetrag stationär: 2.005 Euro.
Geldleistung ambulant: Kann in Anspruch genommen werden, wenn Angehörige oder Ehrenamtliche die Pflege im häuslichen Umfeld übernehmen. Das Geld kann mit ambulanten Pflegesachleistungen kombiniert werden.
Sachleistung ambulant: Betrag für Leistungen, die ein professioneller Pflegedienst im häuslichen Umfeld erbringt.
Leistungsbetrag stationär: Betrag, mit dem Pflegebedürftige, die in einem Pflegeheim leben, unterstützt werden.
- Der Beitragssatz für die Pflegeversicherung steigt ab Januar 2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent (bzw. auf 2,8 Prozent für Kinderlose). Durch die neue Gesetzeslage sollen mittelfristig bis zu 500.000 Menschen mehr durch die Pflegeversicherung unterstützt werden. Insgesamt stehen ab 2017 fünf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für Pflegeleistungen zur Verfügung.
- Pflegebedürftige, die in stationären Einrichtungen leben, müssen schon immer einen Eigenanteil übernehmen. Dieser stieg bisher an, wenn eine höhere Pflegestufe festgestellt wurde. Daher haben viele Bewohner(innen) in der Vergangenheit vermieden, eine höhere Pflegestufe zu beantragen, auch wenn dies sinnvoll gewesen wäre.
Damit ist jetzt Schluss: Der Eigenanteil in stationären Einrichtungen wird ab Januar 2017 für die Pflegegrade 2 bis 5 einheitlich festgeschrieben. - Künftig sind stationäre Einrichtungen wie Pflegeheime dazu verpflichtet, zusätzliche Betreuungsangebote sicherzustellen. Deren Ziel ist die Aktivierung der Bewohner(innen). Finanziert werden die Angebote durch die Pflegeversicherung.
- Wird in einem Monat keine ambulante Pflegesachleistung in Anspruch genommen, kann der Leistungsbetrag für niedrigschwellige Entlastungsangebote eingesetzt werden, wie etwa für eine Begleitung zum Einkauf oder ins Theater.
- Pflegende Angehörige sind nun besser versichert. Sie können, wenn sie sich wegen der Pflege nach den Regelungen des Pflegezeitgesetzes vollständig von der Arbeit freistellen lassen, Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung bekommen.
Bisherige Leistungen der Pflegeversicherung wird es auch weiterhin geben, wie etwa Zuschüsse für den barrierefreien Umbau der Wohnung (bis zu 4000 Euro pro Maßnahme), Hilfsmittel für die Pflege und das Recht auf Pflegeberatung. Dies gilt ab Pflegegrad 1.
Die Berater(innen) der Pflegeversicherung oder die Pflegestützpunkte in Wohnortnähe helfen dabei weiter – hier finden Sie Ansprechpartner(innen) bei der Caritas sowie die Online-Beratung der Caritas zum Thema Leben im Alter). Die Pflegeprofis sehen, was nötig ist, und können sagen, ob im jeweiligen Fall eher Geld- oder Sachleistungen oder eine Kombination aus beiden sinnvoll sind, um gute Pflege zu gewährleisten.