Hilfe erhalten, wenn man sie braucht
"Wenn Ihr eine Notlage mit einem Pflegebedürftigen habt, dann kommt bitte zuerst zu uns." Die Kursleiterin hatte jede Stunde mit dem Satz begonnen und beendet. Magdalena Ehrmaier prägte sich ihn gut ein. Die 78-Jährige hörte dies zum ersten Mal vor zehn Jahren, als sie beim Caritas-Zentrum in Pfaffenhofen einen Pflegekurs besuchte.
Wichtig wurde die Bedeutung des Satzes ein paar Jahre später. Ehrmaiers Mann hatte gerade eine schwere Halswirbeloperation hinter sich. Eigentlich hätte er kurz nach dem Eingriff in eine Reha-Klinik verlegt werden sollen, aber dort waren alle Betten belegt. Also holte Ehrmaier ihn spontan nach Hause. Und rief bei der örtlichen Caritas-Sozialstation an: "Vom einen Tag auf den anderen kam eine der Chefinnen zum Waschen. Mich hat es überrascht und gefreut, dass es nicht eine Woche oder einen Monat Wartezeit gab. Es ist so wichtig, dass man schnell Hilfe bekommt, wenn man sie braucht."
Es kommt weiterhin jeden Morgen eine Pflegerin, die Herbert Ehrmaier wäscht. Alle anderen Pflegemaßnahmen kann seine Frau noch allein übernehmen. Herbert Ehrmaier sitzt zwar im Rollstuhl, "weil die Füße nicht mehr so wollen", wie Magdalena Ehrmaier sagt, ist aber nicht bettlägerig. Einen Schritt kann er zusammen mit ihr noch gehen - vom Rollstuhl auf die Bandscheibenliege, auf die Toilette, ins Bett.
"Arbeit ist auch Freude"
Die Ehrmaiers wohnen in ihrem Haus mit Garten in der oberbayerischen Kleinstadt Pfaffenhofen, die nördlich von München liegt. Seit etwa drei Jahren pflegt die Rentnerin ihren Mann zu Hause. Beim Gespräch kichert sie anfangs etwas nervös. Mediale Aufmerksamkeit ist sie nicht gewöhnt. Die Rentnerin arbeitete früher, wie ihre vier Geschwister, in der väterlichen Gärtnerei, war dort als Floristin tätig.
Jeden Morgen kommt eine Pflegekraft, um Herbert Ehrmaier zu waschen.
"Wir haben schon in jungen Jahren gelernt, Verantwortung zu tragen. Und, dass Arbeit nicht nur Qual ist, sondern auch Freude." In diesen Worten ist klar eine Verbindung zu ihrer jetzigen Tätigkeit erkennbar. Mit einem klangvollen bayerischen Einschlag erzählt Magdalena Ehrmaier bereitwillig von ihren Erfahrungen als Pflegende.
Sie beginnt gleich mit einigen der Schwierigkeiten, denen Pflegekräfte gegenüberstehen und die auch sie selbst durch ihre Tätigkeit kennt: "Der Job ist stressig und oft sind Patienten schwermütig oder traurig. Aus allen möglichen Gründen: Weil sie nicht gut geschlafen haben, weil sie krank sind oder viel vergessen, weil sie nicht mehr gehen können. Krankheit macht nun mal nicht glücklich."
Schwermut und Traurigkeit bewältigen
Für Ehrmaier selbst ist ihr ehemaliger Beruf ein Instrument, um ihren Mann aufzuheitern, wenn er schwermütig wird. Sie gestalte dann Blumenarrangements für ihn und präsentiere sie. Zudem erinnere sie ihn dann an Bergtouren oder Ausflüge, die sie früher gemeinsam als Familie unternommen hätten: "Dann fällt ihm das Schöne wieder ein. Man muss mit guten Gedanken ins Bett gehen."
Einen Sinn für Humor und eine gute Portion Leichtigkeit gefällt Magdalena Ehrmaier auch bei den Pflegerinnen, die täglich vorbeikommen. Wenn man einen lieben Pfleger habe, der einen Witz macht, tue das gut. "Letztens meinte eine Pflegerin nach dem Waschen: ‚Herr Ehrmaier, jetzt machen wir Ihnen noch Lockenwickler in die Haare und dann haben Sie ganz schöne Löckchen drin.‘ " Da habe sie selbst einfach laut losgelacht.
Unterstützung für gute Pflege von allen Seiten
Natürlich ist neben der körperlichen und psychischen Belastung auch die finanzielle ein Thema. Insgesamt ist Ehrmaier zufrieden mit den Leistungen, die das Ehepaar durch den Pflegegrad 3 ihres Mannes erhält. Mit leuchtenden Augen erzählt sie, dass ihr Mann bald einen neuen Rollstuhl erhalte.
Für Magdalena Ehrmaier ist auch das psychische Wohlbefinden desjenigen wichtig, den sie pflegt.
Im Laufe des letzten Jahres war Ehrmaier allerdings aufgefallen, dass sie einige der ihr zustehenden finanziellen Hilfen nicht in Anspruch genommen hätten. Weil die Rentnerin nicht wusste, wie man sie abruft. Eine Nachbarin hätte ihr schließlich den Tipp gegeben, sich beim "Zentrum für Berufs- und Familienförderung" in Pfaffenhofen zu melden. Die Chefin der "sozialräumlichen Anlaufstelle für Familien, Eltern, Senioren und Kinder", wie es auf der Webseite heißt, sei daraufhin zu Besuch gekommen. Die Leiterin habe ihr erklärt, dass die 2.400 Euro, auf die sie noch Anspruch hätte, am Jahresende verfallen würden. Sie half Magdalena Ehrmaier dabei, mit der Summe eine Putzkraft anzustellen und bei der Erstattung von Kosten für Drogerieprodukte wie die Windeln ihres Mannes: "Das hatte ich vorher aus eigener Tasche bezahlt."
"Ich danke dem lieben Gott, dass ich noch so viel kann"
Obwohl sie momentan rundum zufrieden zu sein scheint, beschäftigen Ehrmaier mögliche Zukunftsszenarien. Die Frau, die eigentlich eine besonders fröhliche Ausstrahlung hat, macht sich merklich Sorgen, dass sie irgendwann nicht mehr selbst die Pflege ihres Mannes übernehmen kann: "Herbert kann Krankenhäuser und Altenheime nicht leiden. Als er heuer von einem dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt wiedergekommen ist, schien ihm unser zu Hause fast als Himmel gegenüber dem Krankenhaus. Er braucht die Lebendigkeit zu Hause, die Gespräche, seine Enkelkinder. Und die Farben der Blumen."
Es wird deutlich, dass Ehrmaier es als ihre Aufgabe sieht, ihrem Mann zu helfen, wo es geht. "Ich danke dem lieben Gott, dass ich noch so viel kann - und er mir den Verstand gelassen hat." Eine große Freude sei es auch, wenn ihre Enkelkinder zu Besuch kommen und ihnen auffällt, wie viel Mühe sie sich mit Haus und Garten gebe: "Das bedeutet für mich Lebensfreude und Glück."