Der Deutsche Caritasverband spricht sich dafür aus, die Souveränität von Familien mit geringem Einkommen zu stärken. Er fordert daher eine Weiterentwicklung des Kinderzuschlags zu einer einkommensabhängigen Kindergrundsicherung. Dazu hat er ein Modell entwickelt, dessen Erarbeitung die Katholische Universität Eichstätt (Prof. Dr. Jörg Althammer) wissenschaftlich begleitet hat.
1. Mehr Kinder erreichen: Abschmelzrate verringern
In dem neuen Modell sollen zukünftig mehr Familien den Kinderzuschlag erhalten. Dabei sollen Familien von einem steigenden Erwerbseinkommen mehr profitieren als bisher. Die Abschmelzrate beim Kinderzuschlag ist daher von derzeit 50 Prozent auf 30 Prozent abzusenken. Damit wird in Kombination mit sinkendem Wohngeld erreicht, dass von 10 zusätzlich verdienten Euros zukünftig 4 Euro, statt bisher 2 Euro bei der Familie verbleiben.
2. Mehr Geld für mehr Arbeit: Höchsteinkommensgrenze abschaffen
Der Bezug des Kinderzuschlags endet abrupt, wenn die Höchsteinkommensgrenze erreicht wird. Daher haben Familien, deren Einkommen die sog. Höchsteinkommensgrenze überschreiten, netto (teilweise wesentlich) weniger Geld zur Verfügung als zuvor. Der Deutsche Caritasverband fordert die Abschaffung der Höchsteinkommensgrenze, um wesentliche Einkommensverluste zu vermeiden.
3. Verdeckte Armut lindern und häufige Systemwechsel vermeiden: Wahlrecht zwischen ALG II und Kinderzuschlag einführen
Der Deutsche Caritasverband spricht sich dafür aus, die Situation verdeckt armer Kinder in Familien zu verbessern, deren Einkommen den Bedarf der Eltern nicht ganz deckt. Er fordert daher, ein Wahlrecht zwischen Kinderzuschlag und Arbeitslosengeld II einzuführen. Durch diese Maßnahme wird die verdeckte Armut nicht beseitigt, aber wesentlich gelindert. Wichtig ist in diesem Fall auch eine qualifizierte Beratung der Familien bei der Behörde, bei der sie Leistungen beantragt. Nur wenn der Familie die Unterschiede in der Höhe der beiden Leistungen bewusst sind, ist sie in der Lage, verantwortlich zu wählen, welche Leistung sie in Anspruch nimmt.
4. Kinderzuschlag als vorgelagertes Sicherungssystem stärken: Dynamisierung gewährleistet
Der Kinderzuschlag ist als ein der Grundsicherung für Arbeitsuchende und Sozialhilfe vorgelagertes Sicherungssystem zu stärken. Dazu ist der Kinderzuschlag zu dynamisieren. Bei steigenden Regelbedarfen und Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und SGB XII sind Familien andernfalls nicht in der Lage, durch den Bezug von Kinderzuschlag, Kindergeld und Wohngeld ihren Hilfebedarf zu decken.
5. Alleinerziehende einbeziehen: Anrechnung des Kindereinkommens verändern
Zukünftig sollen auch vermehrt Alleinerziehende Zugang zum Kinderzuschlag haben. Dafür sind Einkünfte und Vermögen des Kindes zukünftig anders zu behandeln: Sie sollen nicht mehr dem Kind, sondern dem kindergeldberechtigten Elternteil wie dessen Erwerbseinkommen und Vermögen zugerechnet bzw. behandelt werden. Das gilt insbesondere für Kindesunterhaltsleistungen, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Waisenrente. Das Kindergeld und das Wohngeld bleiben weiterhin als Einkommen unberücksichtigt.
6. Beispiele für den Verlauf des aktuellen und weiterentwickelten Kinderzuschlags
Die Auswirkungen des Reformvorschlags auf das Familieneinkommen werden anhand einer Beispielfamilie veranschaulicht und erläutert (s. unter II.7)
7. Abschätzung der Auswirkungen des Konzepts
Allein durch den Wegfall der Höchsteinkommensgrenze und die veränderte Abschmelzrate würden weitere 113.000 Familien vom Kinderzuschlag profitieren. Das würde im Jahr etwa 168 Mio. Euro zusätzlich kosten. Durch diese Maßnahmen würden einige Familien über die Grenze des prekären Wohlstands (70 % des Medianeinkommens) kommen, insbesondere Familien mit 2 oder mehr Kindern (bei Familien dieses Typs sind es bis zu ca. 2 Prozent). Wenn man zudem noch die Alleinerziehenden in den Kinderzuschlag besser einbezieht, verringert sich auch ihr Anteil unterhalb der Grenze des prekären Wohlstands um ca. 1.6 Prozentpunkte.