Wohnungslose Menschen brauchen Zugang zu medizinischer Versorgung
Das Leben auf der Straße macht krank. Und umgekehrt sind Krankheiten oft einer der vielen Faktoren, die Menschen in die Wohnungslosigkeit führen. Psychische Leiden, Probleme mit den Zähnen, Hautausschläge und Wunden, schlecht geheilte Verletzungen, chronische Krankheiten… Menschen ohne festen Wohnsitz gehen aber nicht einfach so zum Arzt. Viele von ihnen sind nicht krankenversichert oder haben Berge von Schulden bei den Krankenkassen. Und für die, die krankenversichert sind, sind die notwendigen bürokratischen Schritte - zum Beispiel das Sammeln und Einreichen von Belegen - oft problematisch. Insgesamt ist es für wohnungslose Menschen eine riesige Herausforderung, Zugang zur passenden medizinischen Versorgung zu bekommen.
Pandemie offenbart medizinische Versorgungslücke für Wohnungslose
In der Covid 19-Pandemie hat sich nochmal gezeigt, was wir bei der Caritas schon lange fordern: Es braucht niedrigschwellige Anlaufstellen zur medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen. Diese Anlaufstellen sind Orte der Behandlung, aber nicht nur: Sie leisten auch wichtige Präventionsarbeit.
In der Pandemie ist klar geworden, dass die bestehenden Angebote (Beispiele aus der Caritas finden Sie hier) sowohl von der Finanzierung als auch der Ausstattung sehr fragil aufgestellt sind. Sie sind in der Regel auf Initiative von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe oder privater Akteure entstanden und sind zu einem großen Teil auf Spenden und ehrenamtliches Engagement angewiesen.
Qualität der ärztlichen Versorgung muss für alle Menschen gleich sein
Das Ziel muss sein, eine dauerhafte und verlässliche gesundheitliche Versorgung von Wohnungslosen sicherzustellen. Wichtig ist dabei, dass kein Parallelsystem entsteht mit niedrigeren Standards als in der Regelversorgung, sondern dass die Qualität der Versorgung überall gewährleistet ist. Es geht übrigens nicht nur um rein medizinische Leistungen. Zu den Angeboten muss oft auch der Einsatz von Sprachdolmetschern gehören, denn nicht selten sprechen wohnungslose Menschen kein oder nur wenig Deutsch. Zur Finanzierung müssen sowohl gesetzliche als auch private Krankenkassen herangezogen werden.
Initiativen und Projekte verbessern die gesundheitliche Situation Wohnungsloser
Es mangelt nicht an Ideen und Lösungsvorschlägen, um die Situation zu verbessern.
Schwerpunktpraxen und Straßenambulanzen sollte es in allen Kommunen und Landkreisen geben, solange wohnungslose Menschen im Regelsystem nicht ankommen bzw. nicht integriert werden können. Für die Finanzierung müssen gesetzlichen Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und die öffentliche Hand gemeinsam verantwortlich sein.
Für wohnungslose ALG II- und Sozialhilfebezieher_innen sind Modelle zur Befreiung von Zuzahlungen bei Heil- und Hilfsmitteln wie Verbandsmaterial oder Krücken zu entwickeln.
Die Kosten für notwendige Sehhilfen sollen als einmalige Leistung vom Jobcenter übernommen werden (lesen Sie hier eine Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes zu diesem Thema). Für Zahnprothesen und Sehhilfen, die von den Krankenkassen übernommen werden, sind Festbetragsregelungen einzuführen.
Für nichtversicherte wohnungslose Menschen sollen die Krankenkassen einen Schuldenerlass für die Zeit ohne festen Wohnsitz einräumen.
Alle medizinisch notwendigen Arzneimittel sollen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden, wenn sie ärztlich verordnet sind. Hilfsweise sollen Härtefallregelungen für den Kauf regelmäßig wiederkehrender medizinisch notwendiger, nicht verschreibungspflichtiger Medikamente bei Bezieher_innen von staatlichen Transferleistungen eingeführt werden.
Es braucht verbindliche Verfahren der Zusammenarbeit zwischen Trägern der Wohnungslosenhilfe und der (sozial-) psychiatrischen Dienste, um wohnungslosen Frauen und Männern mit psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen Unterstützungsangebote unterbreiten zu können, die an ihre jeweilige Lebenssituation angepasst sind.