Frühe Hilfen werden immer wichtiger – besonders für Alleinerziehende
Laut dem diesjährigen Datenreport, der von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) herausgegeben wird, nimmt soziale Ungleichheit zu. Dies steht auch in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Der Präsident des Deutschen Caritasverbands Peter Neher sieht sie als Grund dafür, dass die „bestehende soziale und ökonomische Ungleichheit sich noch wesentlich deutlicher gezeigt und verschärft hat”. Die Zahl der Menschen, die armutsgefährdet sind, steigt an, zugleich geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Manche Personengruppen trifft das besonders hart: Die soziale und geographische Herkunft, der Bildungsgrad, das Alter, das Geschlecht und nicht zuletzt die individuelle Lebenssituation spielen dabei eine maßgebliche Rolle.
Von Armut bedrohte Gruppen
Interessant ist dabei der Blick auf die so genannte Armutsgefährdungsquote: Sie zeigt an, wie hoch der Anteil der armutsgefährdeten Personen an der Gesamtgruppe ist. Für bestimmte Randgruppen der Gesellschaft zeigt die Quote laut BpB: Alleinerziehende sind mit über 40 Prozent eine der gefährdetsten gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland, gleich nach Erwerbslosen.
Sieht man sich an, für welche Gruppen das Risiko steigt, richtet sich der Fokus auf ältere Menschen. Altersarmut ist ein wachsendes Problem: Die Armutsgefährdung der 65-Jährigen und Älteren hat sich im Zeitraum von 2005 bis 2019 am stärksten erhöht (Quelle: Armutsgefährdungsquoten, BPB 2020).
Unter den Altersgruppen sind die 18- bis 25-Jährigen noch stärker betroffen. Ihre Probleme werden in der Corona-Krise durch Jobverluste und Kurzarbeit auch immer dringlicher. Gerade junge Familien stehen oft vor noch größeren finanziellen Herausforderungen und erhöhter psychischer Belastung als vor der Pandemie.
Alleinerziehende Frauen im Nachteil
Krisenbewältigung in Familien ist durch die Corona-Pandemie noch mehr zum gesellschaftlichen Kernthema geworden: Home Schooling, eine intensive Betreuung der Kinder und Doppelbelastung durch die Arbeit sind nur die Oberfläche der Probleme, mit denen Eltern seit einem Jahr zu kämpfen haben.
Alleinerziehende haben es am Schwersten: Sie sind gegenüber Eltern, die in Partnerschaft leben, in allen Lebensbereichen deutlich stärker belastet. Dies trifft besonders solche mit Kleinkindern: Sie erfordern eine viel höhere Betreuungsintensität und das Betreuungsangebot für ältere Kinder ist , trotz gesetzlichem Kita-Anspruch, deutlich besser ausgebaut als das für jüngere.
Auch finanziell sind Alleinerziehende benachteiligt. Alleinerziehende beziehen rund fünfmal so häufig und länger Leistungen aus der Grundsicherung wie Paarfamilien. Auch das Geschlecht kann hier eine Rolle spielen: Es gibt vor allem viele Frauen (90 Prozent), die ihre Kinder allein großziehen wollen oder müssen: 2019 waren es über 2,1 Millionen in Deutschland. (Quelle: Armutsrisiko alleinerziehend, BPB 2017)
Frauen, die zudem in ihrer vorherigen Partnerschaft hauptsächlich die Erziehungsarbeit übernahmen, haben es aufgrund mangelnder Arbeitsmarktintegration oder Berufserfahrung schwer, einen passenden Job als Alleinernährerin zu finden.
Babylotsinnen unterstützen mit Hilfe zur Selbsthilfe
Obwohl für junge Familien in Problemlagen Hilfs- und Beratungsangebote vorhanden sind, erreichen sie die Menschen oft schlecht. Sie wissen meist nicht, dass Hilfsangebote existieren und auch nicht, an wen sie sich im Bedarfsfall wenden können. Die Caritas geht auf diese Herausforderung ein und bietet bei Bedarf allen Schwangeren und Wöchnerinnen in der Geburtsklinik ein Gespräch über die Zeit nach der Entlassung an.
Eltern sind rund um die Geburt offen für die aktive Ansprache von Babylotsen, wie sich die pädagogisch ausgebildeten Fachkräfte nennen. Sie informieren über die Angebote der Frühen Hilfen vor Ort und vermitteln dorthin, sofern notwendig. Sie beraten zu bestehenden finanziellen Unterstützungen und helfen im Bedarfsfall bei der Antragstellung. Damit soll Herausforderungen begegnet werden, bevor sie zum Problem werden. Seit 2015 fördern der Deutsche Caritasverband und der Katholische Krankenhausverband Deutschlands die Ausweitung des Programms, das vor 14 Jahren von der Stiftung SeeYou initiiert wurde.
Dass Babylotsinnen ein unverzichtbarer Baustein der frühen Armuts- und Gesundheitsprävention sind, belegt auch eine „Kantar-Studie im Auftrag des Deutschen Caritasverbandes aus 2021”. 93 Prozent der befragten Mütter, die in Babylotsen-Kliniken entbunden haben, fühlen sich mit ihren Fragen und Anliegen gut aufgehoben. 86 Prozent gaben an, wichtige Infos erhalten zu haben. Am deutlichsten profitieren laut der Studie Erstgebärende von der Unterstützung. Auch das Klinikpersonal bewertet das Programm positiv. 97 Prozent der Mitarbeitenden auf den Geburtsstationen fühlen sich durch die Babylotsinnen entlastet. Das Fazit: Es ist höchste Zeit, das Programm flächendeckend einzusetzen und gesetzlich zu verankern.
Hilfsangebote müssen früh ansetzen
Die Vorständin für Sozial- und Fachpolitik des Deutschen Caritasverbands Eva Maria Welskop-Deffaa lobt den präventiven Charakter des Programms: „Sie sind in der Geburtsklinik einfach da, wenn das Baby zur Welt kommt und wenn sich die jungen Eltern in den Unterstützungsstrukturen zurechtfinden müssen. Ohne Einkommen und Belastungssituation detailliert erhoben zu haben, gehen sie auf Mütter zu und öffnen ihnen die Tür in das System Früher Hilfen. Da-Seins-Vorsorge im allerbesten Wortsinn.”
Hilfs- und Beratungsangebote, die früh ansetzen und zudem nicht erst lange gesucht werden müssen, scheinen heute wichtiger denn je. Die Corona-Pandemie verstärkt Gefühle von Einsamkeit, Überforderung und Druck und bei vielen scheint die Hürde, Unterstützung zu suchen, höher als zuvor. Viele merken auch zu spät, dass sie Hilfe brauchen. Ratsuchenden und Hilfebedürftigen gerade in diesen Zeiten mit niedrigschwelliger und schnell erreichbarer Beratung zur Seite zu stehen, ist ein zentrales Anliegen der Caritas.