Babylotsinnen – präventive Beratung rund um die Geburt
Das Programm Babylotse ist ein bundesweit verbreitetes Präventionsprogramm zum vorbeugenden Kinderschutz und zur frühen Gesundheitsförderung von Kindern. Studien belegen den Handlungsbedarf und die positiven Effekte für Mütter, Kinder und Geburtskliniken. Doch eine sichere Regelfinanzierung fehlt.
Es wurde 2007 in Hamburg auf Initiative des Kinderarztes Dr. Sönke Siefert am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift entwickelt.
Seit 2015 setzen sich der Deutsche Caritasverband (DCV) und der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) gemeinsam mit der Stiftung SeeYou für die Ausweitung des Programms Babylotse und eine bundeseinheitliche Regelfinanzierung ein. Gefördert werden sie dabei von der Auridis-Stiftung. Inzwischen sind Babylotsinnen an über 96 Geburtskliniken in 13 Bundesländern aktiv, sowie in Arztpraxen in 6 Kommunen. (Übersicht Standorte Babylotse)
Aufgaben und Kompetenzprofil
Arbeitsplatz der Babylotsin ist die Geburtsklinik, einige Lotsinnen arbeiten auch mit Arztpraxen zusammen. Sie sprechen frischgebackene Eltern auf der Geburtsstation persönlich an. Sie erkennen Belastungen und Krisensituationen in Familien und vermitteln bei Bedarf ein konkretes und wohnortnahes Hilfeangebot.
Von der Geburtsanmeldung über die Vermittlung einer Haushaltshilfe bis hin zu existenziellen Problemen, wie ungeklärtem Aufenthaltsstatus - die Babylotsin kennt die richtigen Anlaufstellen. Beispielsweise Familienhebammen, Beratungsstellen, Frühförderung oder Gruppen für Alleinerziehende.
Sie1 lotst" Familien dabei durch einen für Laien oft undurchschaubaren Hilfedschungel. Besonders wichtig ist das für Eltern, denen Informationen oder Sprachkenntnisse fehlen oder die aus Scham von sich aus keine Unterstützung suchen.
Babylotsinnen sind hauptamtliche Fachkräfte mit einer Zusatzqualifikation. Die meisten verfügen über einen Abschluss als Diplom-Sozialpädagoge/in oder Sozialarbeiter/in. Anstellungsträger sind vor allem Kliniken oder externe Träger der Jugendhilfe, wie z.B. Caritasverbände, der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) oder die Stiftung SeeYou.
Handlungsbedarf
In etwa 13 Prozent der Familien mit jungen Kindern finden sich gleich mehrere Belastungsfaktoren. In der stationären Geburtshilfe fallen am häufigsten auf:
- Verständigungsschwierigkeiten
- Anzeichen für Armut
- Flüchtlings- oder Asylstatus
- Anzeichen für eine psychische Erkrankung bei Mutter oder Vater2
Aktuelle Studien belegen zudem, dass die Folgen der Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg und die Kostenkrise insbesondere Familien in Armutslagen stark belastet hat.3 Negative Auswirkungen der Pandemie auf die Entwicklung lassen sich nicht nur "nur" bei Jugendlichen, sondern bereits bei sehr jungen Kindern beobachten.
Chance für Familien und für Geburtskliniken
Lotsenprogramme in Kliniken führen zu einer früheren und stabileren Inanspruchnahme von Frühen Hilfen. Sie haben positive Effekte auf die Eltern-Kind-Beziehung, auf die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, auf die Versorgungs- und Pflegesituation. Untersuchungen belegen zudem, dass Mütter in ihrer Rolle weniger überfordert sind und nach der Geburt weniger Beziehungskonflikte auftreten.
Aber auch die Kliniken profitieren: Mit ihrem psychosozialen Aufgabenprofil sind Babylotsinnen ein klares Qualitäts-Plus für jede Geburtsklinik. Vor allem Erstgebärende fühlen sich in Kliniken mit Babylotsenprogramm besser auf ihre Entlassung vorbereitet und sind insgesamt zufriedener mit ihrem Klinikaufenthalt, als in Kliniken ohne Lotsensystem.4
Beim medizinischen und pflegerischen Personal gibt es eine höhere Zufriedenheit, denn Lotsinnen entlasten sowohl den pflegerischen als auch den ärztlichen Dienst von Beratungsgesprächen und der Überleitung in Unterstützungsangebote.
Stolperstein: fehlende Regelfinanzierung
Seit mehr als 15 Jahren arbeiten Babylotsinnen erfolgreich in Geburtskliniken. Neben dem Modell Babylotsen wurden inzwischen weitere, vergleichbare Lotsenprogramme nachgezogen.
Unbestritten ist, dass es dieses Scharnier zwischen Klinik und sozialem Hilfesystem braucht. Doch in den meisten Bundesländern und Kliniken fehlt die sichere Finanzierung. Der überwiegende Teil der Lotsendienste wird - einem Flickenteppich gleich - aus Mitteln der Bundesstiftung Frühe permanente Hilfen, Fördertöpfen von Ländern und Kommunen, Eigenmitteln und Spenden finanziert. Das Fundraising bindet wichtige personelle Ressourcen.
Dieses Problem ist lange bekannt. Nicht nur der DCV, auch alle Fachleute der Frühen Hilfen setzen sich daher dafür ein, dass Lotsen an Geburtskliniken zum Standard werden.
[1] Bis auf zwei Männer sind alle Babylotsinnen Frauen, daher wird hier die weibliche Sprachform gewählt.
[2] Siehe ZuFa-Montoring Geburtsklinik
[3] Siehe Studie KID 0 -3
[4] Studie "Mütter mit Neugeborenen und Babylotsinnen in der Pandemie".
Siehe Dokumente zum Download unten auf der Seite.