Die Zeitschrift „Charitas“ – Beginn einer Bewegung
Als Lorenz Werthmann im Oktober 1895 die erste Ausgabe der Zeitschrift in einer "Programm-Nummer" herausbrachte, schrieb man Caritas noch mit "h". Damit konnte man sie mit der aus dem Griechischen latinisierten Charis (Gnade) verwechseln. Erst 1909 wurde der kleine Geburtsfehler behoben und das "h" gestrichen. Die Caritas wurde nun eindeutig zur "Zeitschrift für die Werke der Nächstenliebe im katholischen Deutschland".
Mit der Zeitschrift bereitete Lorenz Werthmann als Präsident des 23-köpfigen "Charitas-Comités" den Boden zur Gründung des Charitasverbandes, die 1897 erfolgte. Die Zeitschrift war ein Testballon, ob eine Verbandsgründung überhaupt Akzeptanz fände. Für diese These spricht, dass Lorenz Werthmann schon im Zeitschriftenkonzept 1895 "Mehr Concentration der katholischen charitativen Thätigkeit!" fordert.
Die Zeitschrift war der Beginn der "corporate communication" der Caritas. Wie in der Programm-Nummer von 1895 schon festgelegt: Sie soll die in der Caritas arbeitenden Männer und Frauen "in ihrem Wirken bestärken, erheben, vervollkommnen". Sie will die Werke der katholischen Nächstenliebe bekanntmachen, deren Organisation verbessern, den Wirkungskreis erweitern und Mängel beseitigen helfen. Man will sich von der Konkurrenz (staatliche und protestantische sowie humanitäre Wohltätigkeit) "Belehrung und Anregung" holen und über die Sozialgesetzgebung und Facharbeit informieren. Mit diesem Programm erscheint die Zeitschrift nun mit einigen Änderungen seit 127 Jahren. Im Dritten Reich war sie ab 1941 verboten und konnte erst 1946 wieder erscheinen.
Acht Schriftleiter/Chefredakteure und zuletzt eine Chefredakteurin haben die Zeitschrift über zwei Jahrhundertschwellen getragen. Die ersten 25 Jahre hatte Werthmann selbst die Schriftleitung inne. Nachfolger Wilhelm Liese thematisiert zum "Silberjubiläum der ‚Caritas‘" im Oktober 1920 die Spannung zwischen Verbandszeitschrift und Diskussionsplattform, die wohl von allen Chefredakteuren mit den jeweiligen Verbandsspitzen neu auszuhandeln war. "Unsere Zeitschrift ist Organ des Deutschen Caritasverbandes." Und zur Abgrenzung dieser Funktion schafft er für die "offiziellen Mitteilungen des Verbandes … eine eigene Rubrik ‚Aus dem Caritasverbande‘". Eine Strategie, die bis heute mit der Rubrik "Dokumentation" praktiziert wird. Diplomatisch wird die Pluralität der Zeitschrift gerettet.
Sie wird - natürlich mit Reverenz an die "Wünsche des hochwürdigsten Episkopats" - "alle Fragen, die an den Verband herantreten, erörtern und zur gedeihlichen Lösung zu führen suchen" (vgl. Caritas 1920, S. 2). Werthmann zum Silberjubiläum: "1895 war die ‚Caritas‘ ein Fremdling, unbekannt und unverstanden. Heute ist ihr Name Kennwort und Panier einer großen Bewegung geworden" (Caritas 1920, S. 1).
Das Stichwort "Bewegung" taucht 1996 prominent im Leitbild des DCV auf: "Der Deutsche Caritasverband ist Teil der Sozialbewegung." Der Leitbildprozess wurde ganz in der Tradition Werthmanns wieder als Testballon angestoßen durch den Kommentar "Zeit für ein Leitbild" im Dezemberheft 1991 und bis zur Verabschiedung 1997 begleitet.
Die Durchsicht der vielen Zeitschriftenbände zeigt: Jeder Schriftleiter oder Chefredakteur drückte ihr seinen Stempel auf. So wurde der Untertitel mehrfach geändert, ebenso Layout und Erscheinungsrhythmus (vgl. H.-J. Wollasch, S. 116). Der grundlegendste Relaunch war im 100. Jahrgang. Seit Oktober 1999 erscheint sie großformatig, farbig und mit Fotos als "neue caritas - Politik, Praxis, Forschung" zweiwöchentlich. In ihr gingen in einem schmerzhaften Konzentrationsprozess die Zeitschriften "Jugendwohl", "Krankendienst", "Caritas-Korrespondenz" und "Caritas" auf. Unter der Chefredaktion von Gertrud Rogg wurde sie ab 2008 hybrid mit eigenem E-Abo und Newsletter neben der Printausgabe. Die weitere digitale Transformation obliegt der nächsten Generation
Schriftleiter/Chefredakteure der Caritas/neue Caritas
- Lorenz Werthmann 1895 bis 1920
- Wilhelm Liese 1920 bis 1927
- Joseph Mayer 1927 bis 1932
- Heinrich Höfler 1932 bis 1941
- Karl Borgmann 1946 bis 1967
- Alfons Fischer 1968 bis 1980
- Fritz Boll 1981 bis 1988
- Thomas Becker 1989 bis 2005
- Gertrud Rogg 2005 bis 2023
- Marc Boos 2023 bis heute