Familienpflege
Frau Zerfass, der Bedarf in der Familienpflege ist auch im Einzugsbereich des Caritasverbandes Schaumberg-Blies hoch. Was sind die Ursachen dafür?
Die Ursachen für die auch hier im ländlichen Bereich hohe Nachfrage sind vielfältig. Sie haben zu tun mit gesellschaftlichen Entwicklungen und der Situation von Familien: Großfamilien sind heute kaum noch zu finden, und junge Familien sind oft von den gesellschaftlichen Erwartungshaltungen überfordert. Sie halten dem Druck, den Kindern, dem Beruf und dem Partner gerecht werden zu müssen, nicht stand. Eine erhebliche Zunahme an psychischen und somatischen Auffälligkeiten und Erkrankungen ist die Folge. Nicht zuletzt hat die Zahl der Einelternfamilien zugenommen, was zu hohen seelischen und oft auch materiellen Belastungen führt.
Wie haben sich die Hilfebedarfe von Familien in den 35 Jahren, in denen die Caritas Schaumberg-Blies diesen Dienst anbietet, verändert?
Hier kommen zwei Entwicklungen zusammen. Die gegenwärtigen Problemlagen fordern nicht nur Betreuung und Versorgung, sondern auch, dass Familienpflegekräfte verstärkt Erziehungsleistungen übernehmen. Die klassische Unterstützungsleistung der Familienpflege, die vor einigen Jahren noch das "System Familie" aufrecht zu erhalten half, genügt heute nicht mehr. Auch die Zunahme von psychischen Problemlagen und chronischen Erkrankungen verändern die Hilfeleistung. Vor allem Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen oder mit psychischen Problemlagen haben einen besonderen Unterstützungsbedarf.
Wie stark wird das spezielle Angebot HOT nachgefragt?
Im Jahr 2005 haben wir erstmals das HaushaltsOrganisationTraining (HOT) im Rahmen der Jugendhilfe umgesetzt. Alle Familien, die im Rahmen des HOT-Programmes von uns begleitet wurden, zeichneten sich durch desolate Strukturen in ihrer Haushaltsführung und Versorgungsstruktur aus. Bis derzeit wurden von uns rund 50 Familien im Rahmen des HOT-Programmes begleitet. Dabei liegt die Einsatzdauer im Schnitt bei einem Jahr, kann aber auch darüber hinaus gehen, mit einem Stundenkontingent von ca. 10-20 Stunden wöchentlich. Mit Blick auf die Gesamtentwicklung kann man sagen, dass die Kompetenzen und Ressourcen in den Familien rückläufig sind. Dabei sind diese Kompetenzen gerade für ein gesundes Aufwachsen der Kinder sehr wichtig.