Festvortrag am 3. Mai 2016 in Teterow
von Stephan Dreyer, Diözesancaritasdirektor Hamburg
Lieber Herr Weihbischof Werbs, lieber Herr Pfarrer Sturm,
sehr geehrter Herr Schapper, sehr geehrte Frau Ziegelasch,
lieber Herr Storrer, lieber Herr Fiedler, lieber Steffen Feldmann,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Caritas
- im Beruf und im Ehrenamt -
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder!
Mit Ihrer Einladung an mich, heute die Festrede zum 25 jährigen Jubiläum der Caritas Sozialstationen in Mecklenburg zu halten, haben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen der Caritas Mecklenburg, eine große Freude gemacht. Sie geben mir damit die Gelegenheit, auch einmal in diesem Rahmen auszudrücken, welche Hochachtung ich empfinde angesichts der Caritas Mecklenburg im Allgemeinen und 25 Jahren Caritas Sozialstationen in Mecklenburg im Besonderen.
Die Weitsicht und der Mut, die Tatkraft und die Klugheit derer, die die Gunst der ersten Monate nach der Wende genutzt haben und die Caritas zu dieser Größe und Blüte geführt haben, nötigt mir den allergrößten Respekt ab. Ihre Breite an Tätigkeitsfeldern, ihre Präsenz in ganz Mecklenburg und vor allem die enge Verbindung mit dem Leben der Kirche in den Pfarreien geben der Caritas Beispielcharakter für unser gesamtes Erzbistum Hamburg.
25 Jahre Dienst an alten Menschen
In den 11 Sozialstationen haben in 25 Jahren viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen unverzichtbaren Dienst an so vielen alten Menschen getan. Mir kommen Bilder in den Sinn, von den vielen kleinen Freundlichkeiten, Zärtlichkeiten und guten Worten, für die oft so wenig Zeit bleibt. Ich stelle mir tausende geschickte Handgriffe und viel schwere körperliche Arbeit vor. Ich denke an professionelle Einsatzplanung und gelungene Finanzierung der Dienste. Alles zum Wohl der Menschen, die uns anvertraut sind.
Allen, die in den vergangenen 25 Jahren einen Beitrag für die Caritas Sozialstationen geleis-tet haben, danke ich im Namen der Caritas im Erzbistum Hamburg ganz herzlich!
Einen Überblick über die vergangenen 25 Jahre hat ja schon Herr Storrer vorgenommen.
Ich möchte in dieser Festrede eine Standortbestimmung der Caritas sowie einen Ausblick in ihre Zukunft versuchen. Dabei bin ich überzeugt, dass das, was für die Caritas im Allgemeinen zu sagen ist, für die Sozialstationen im Besonderen gilt. Sie sind gewissermaßen der Ernstfall der Caritas, an ihnen mag überprüft werden, ob die vorgetragenen allgemeinen Überlegungen das wirkliche Leben der Caritas treffen.
Ausgerechnet Teterow
Ausgerechnet in Teterow feiern wir also heute zusammen 25 Jahre Bestehen der Caritas Sozialstationen in Mecklenburg. Warum eigentlich hier in Teterow, habe ich mich gefragt,
und nicht in der Landeshauptstadt Schwerin oder im Schloss Dreilützow? Nein, es musste natürlich Teterow sein, die Stadt in der Mitte. Ob das verkehrstechnisch ideal ist, und in Summe für alle die kürzeste Anreise bedeutet, weiß ich nicht. Aber die Mitte, die Teterow für sich beansprucht, scheint mir auch für die Caritas in zweifacher Weise bedeutsam, denn:
- Die Caritas ist die Mitte der Kirche und
- Die Caritas gehört in die Mitte der Gesellschaft
Und dann gibt es ja noch die Teterower Hechtlegende. Sie kennen sie vermutlich alle. So wie ich die Pointe der Geschichte verstehe, erzählt sie von einem eigentümlichen Versuch, dem Lauf der Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Doch dazu mehr in einem dritten Gedankengang: - Der Weg der Kirche ist der Mensch
Und zum Schluss widme ich mich der Frage: - Was macht die Caritas als Wohlfahrtsverband der Kirche aus?
Mit diesen vier Gedankengängen will ich versuchen, das Wesen der Caritas in der Welt von heute zu beschreiben und einige Orientierungen für die Entwicklung der Caritas im Erzbistum Hamburg vorschlagen.
1. Die Caritas ist die Mitte der Kirche
Die Kirche ist bekanntlich nicht um ihrer selbst willen da, sie ist kein bürgerlicher Verein zur Freizeitgestaltung und keine geschlossene Gesellschaft von Gleichgesinnten. Die Kirche versteht sich als die Gemeinschaft derer, die in Ihrem Leben Gottes Ruf erfahren und seinen Auftrag angenommen haben, das Evangelium zu verkünden, Menschen mit der frohen Bot-schaft in Berührung zu bringen, und von Gott zu erzählen, der jeden Menschen liebt und des-halb sein Heil will. In diesem Dienst wissen wir uns verbunden mit unseren evangelischen und orthodoxen Brüdern und Schwestern. Ich bin sehr froh, das auch zwischen den Kirchen immer mehr zusammenwächst, was zusammen gehört.
Das Heil des Menschen dürfen wir nie als eine rein spirituelle Angelegenheit auffassen, als wären die konkreten Umstände, in denen Menschen ihr Leben zu meistern versuchen, davon unabhängig. Religionen, auch das Christentum, unterliegen nur allzu oft der Gefahr, Not und Leid nicht zu lindern, sondern Ungerechtigkeiten hinzunehmen und die Leidenden zu vertrösten. Dabei ist die Bibel voll von Klagen gegen eine Frömmigkeit ohne Ansehen der Armen und Benachteiligten. Diese Frömmigkeit ist Vertröstung ohne Trost. Denken wir nur an die Propheten z.B. Micha und Amos.
Jesus Christus trat auf und verkündete das Reich Gottes. Er zeigte mit seiner besonderen Zuwendung zu den Armen und Ausgestoßenen, was es bedeutet, wenn das Reich Gottes mit ihm angebrochen ist: Das Reich Gottes ist immer auch ganz konkret. Denken wir an die Gerichtsreden und die Seligpreisungen in der Bergpredigt.
In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass der biblische Begriff der Armen weiter gefasst ist und tiefer verstanden werden muss als die Definition unseres Wohlfahrtsstaates, die Armut in Prozenten des mittleren Einkommens in der Gesellschaft beschreibt. Die Armen im Verständnis der Bibel des Alten wie des Neuen Testamentes sind die, die vom sozialen Leben abgeschnitten sind, Opfer von Menschen und von Verhältnissen geworden sind oder vom Tod bedroht werden. Sie sind das biblische Volk Gottes. Der Alttestamentler Erich Zenger hat es so ausgedrückt: "Die Gnade Gottes bricht sich in der Welt Bahn, vermittelt durch die Armen."
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und den Versammlungen der Bischöfe in Lateinamerika (im kolumbianischen Medellin 1968 und im mexikanischen Puebla 1979) kamen die Armen der Welt neu in den Blick und die Kirche erkannte, dass deren Schicksal oft die Folge von Fehlentwicklungen ist, die Menschen zu verantworten haben. Die Bischöfe Lateinamerikas führten dann den Begriff der "vorrangigen Option für die Armen" ein. Es ist die Vorliebe Gottes für die kleinen Leute, die in Jesus Christus besonders anschaulich wurde, die aber schon das Alte Testament wie ein roter Faden durchzieht.
Papst Benedikt hat diese Linien konsequent und systematisch zusammengeführt
in seiner Enzyklika Deus caritas est - Gott ist die Liebe. Gott ist also die Liebe selbst und in Jesus Christus hat er sich selbst mitgeteilt als der, der er selbst ist. Das bedeutet doch, wenn wir als Kirche Jesus Christus, den Herrn, in die Mitte unseres Lebens stellen im Feiern, Reden und Handeln, dann steht die Caritas, die Liebe, die er selbst ist, in der Mitte.
Für die Menschen der Bibel können nun die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen nur als Einheit gedacht werden, die eine Liebe kann es ohne die andere nicht geben.
An dieser Stelle sei noch ein Wort zur Verkündigung und zur Liturgie der Kirche gesagt. Denn bekanntlich bilden diese die beiden anderen Wesensäußerungen der Kirche. Können nicht die Katecheten und die Liturgiker in der Kirche mit demselben Recht ihren Dienst in der Mit-te der Kirche verorten? Selbstverständlich gilt: Eine Kirche ohne Liturgie oder Glaubensverkündigung kann ebenso wenig Kirche Jesu Christi sein, wie eine Kirche ohne Caritas.
Aber eine Verkündigung, die nicht durch das Lebenszeugnis des Katecheten gedeckt ist,
wird immer reine Wissensvermittlung bleiben und kaum zum Glauben einladen. Eine Liturgie, die gewissermaßen mit dem Rücken zu den Armen gefeiert wird, ihr Schicksal ignoriert, ist in den Augen der biblischen Propheten Gotteslästerung. Insofern sind wahrhaftige Verkündigung und aufrichtige Liturgie immer von der Caritas, der tätigen Menschenliebe, durchdrungen. Und umgekehrt gilt: Tätige Nächstenliebe, Caritas, ist immer auch tätige Verkündigung des menschenfreundlichen Gottes und geschieht zu seinem Lob und seiner Ehre,
und "die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch" wie der heilige Irenäus von Lyon es ausgedrückt hat.
2. Die Caritas gehört in die Mitte der Gesellschaft
Die Caritas ist keine Dienstleistung von Katholiken für Katholiken in einer Nische der Gesellschaft. Ganz gleich wie groß die Zahl der Katholiken in der Gesellschaft ist, wenn die Caritas wahrhaft katholisch, d.h. allumfassend, sein will, muss sie sich auf die ganze Gesellschaft hin ausstrecken und darf sich niemals damit zufrieden geben, eine Randerscheinung zu sein.
Sie gehört in die Mitte der Gesellschaft und geht von dort immer wieder aus zu deren Rändern. Sie stemmt sich gegen die Fliehkräfte der Gesellschaft und versucht zusammenzuhalten, was zusammen gehört. Die Liebe Gottes zu den Menschen, sein Wille, alle Menschen zum Heil zu führen, gilt allen Menschen, universal, ohne dass Merkmale, nach denen wir Menschen in bestimmte Gruppen einteilen, eine Rolle spielen.
Eine Caritas, die sich in der Mitte der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland verortet,
nimmt eine konstruktiv-kritische Haltung zum Staat und zu seinen Organisationen ein. Unser Verhältnis von Staat und Kirche steht in der Spannung von Trennung und Kooperation.
Die Bundesrepublik Deutschland ist kein laizistischer Staat, der die Religion aus dem öffentlichen Leben verbannt und ins rein Private abdrängt. Andererseits erhebt der Staat auch nicht eine Religion zur bevorzugten Religion oder gar zur Staatsreligion. Dieser Mittelweg zwi-schen den Extremen Laizismus und Staatsreligion erlaubt es Staat und Kirche, ihre je eigenen Kompetenzen produktiv für die Gesellschaft einzubringen, ohne dabei übergriffig zu werden.
Das bedeutet, dass der Staat von den Verantwortlichen der Religionsgemeinschaften
das uneingeschränkte Ja zur Freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlangen kann
und muss. Gleichzeitig muss er es aber den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften überlassen, einen Sinnhorizont für das Leben der Menschen zu stiften, weil er selbst als weltanschaulich neutraler Staat in dieser Angelegenheit per definitionem inkompetent ist.
Beide Sphären, Staat einerseits und Kirche bzw. Religion oder Weltanschauung andererseits
sind aber aufeinander angewiesen, insofern sie jeweils erkennen, dass sie allein eine humane Gesellschaft nicht schaffen können. Sie brauchen einander als politische Akteure und Sinnstifter. In dieser kooperativen Grundhaltung dem Staat gegenüber erbringt die Caritas subsidiär Leistungen, zu denen der Staat gesetzlich verpflichtet ist. Die Leistungsempfänger haben die Wahlfreiheit hinsichtlich des subsidiären Trägers der staatlichen Hilfe.
Gleichzeitig - und das ist das kritische Element in der Haltung gegenüber dem Staat - ist die Caritas auch immer Anwältin der Benachteiligten und Schwächsten. Sie erhebt die Stimme und macht auf Ungerechtigkeiten, Missstände und Fehlentwicklungen aufmerksam. Dabei tut sie gut daran, sich nicht wie eine außerparlamentarische Opposition zu gerieren oder in die Attitüde der besseren Regierung zu verfallen.
Nicht selten hat die Caritas mit vorangehendem Beispiel, auf eigene Kosten - den Kirchen-steuern sei es gedankt - gezeigt, wie bestimmte Lücken im sozialen Netz geschlossen werden können. Außerdem bringt die Caritas mit dem Engagement vieler Ehrenamtlicher und vieler Unterstützer, seien es die Solidargemeinschaft der Kirchensteuerzahler oder die Spender, einen Mehrwert in die Gesellschaft ein, auf den der Staat nicht verzichten kann. Selten ha-ben das so viele Verantwortliche in Staat und Gesellschaft erkannt und bekannt, wie bei der Hilfe für geflüchtete Menschen seit dem vergangenen Sommer.
Aber in dem Gesagten steckt auch eine große Herausforderung an Kirche und Caritas: Sie können ihren Ort in der Mitte der Gesellschaft nur finden, wenn sie aus den Zirkeln und Gruppen der Gleichgesinnten aufbrechen und sich mit allen Menschen guten Willens zu ver-binden suchen. Mit diesen allen Menschen guten Willens sind diejenigen gemeint, an die sich Papst Johannes XXIII mit seiner Enzyklika Pacem in terris - Friede auf Erden 1963 erstmals ausdrücklich gewendet hat. War es bis dahin üblich, dass Päpste sich an die Gläubi-gen der Katholischen Kirche wandten, hat der Papst des Konzils den Adressatenkreis erweitert. Er war angesichts der tödlichen Bedrohung durch das atomare Wettrüsten überzeugt,
dass das Überleben der Menschheitsfamilie nur möglich ist, wenn alle Menschen guten Willens aufeinander zugehen, und dass es auch außerhalb der Kirche viele Menschen guten Willens gibt.
Es ist die Ehre der Caritas, der ausgestreckte Arm der Kirche in die Gesellschaft zu sein. Diese Bewegung ist allemal der Mühe wert, denn wir erleben es doch: Unsere Art, für andere da zu sein, ist auch für viele interessant, die nicht katholisch oder keine gläubigen Menschen sind.
3. Der Weg der Kirche ist der Mensch
Mit seiner programmatischen ersten Enzyklika "Redemptor hominis - Erlöser des Men-schen" von 1979 hat Papst Johannes Paul II. diesen Satz geprägt. Er sagt gerade nicht: die Kirche ist der Weg der Menschen. So als könne das Leben eines Menschen nur gelingen,
wenn er der Kirche folgt und sie zur Richtschnur seines Lebens macht. Um nicht missver-standen zu werden: Es gibt viele Beispiele gelungenen Lebens, leuchtende Vorbilder, Frauen und Männer, die ihren Lebensweg mit der Kirche, in der Kirche und für die Kirche gegangen sind.
Auch ich kann mir für mich persönlich kein Leben außerhalb der Kirche vorstellen. Aber die-se Erfahrung und Erkenntnis darf nicht dazu verleiten anzunehmen, dass wir als Kirche gewissermaßen der Königsweg sind, nur leider immer weniger Menschen das zu verstehen scheinen. Papst Johannes Paul II. hat die Perspektive umgekehrt: Die Menschen mit ihren ganz konkreten Biografien, wie sie jede für sich nun einmal sind, bilden gewissermaßen den "Ort", an dem sich die Kirche ereignet. Und diese "Orte" unterliegen einem stetigen Wandel. Übertragen auf die Caritas als Mitte der Kirche, könnte man sagen: Wir müssen immer wieder neu auf die Menschen sehen, Veränderungen in ihren Lebensbedingungen und Lebensstilen wahrnehmen, um auf unserem Weg, der die Menschen sind, zu bleiben.
Hier kommt mir nun die Teterower Hechtlegende in den Sinn. Warum mag sie nur von den Teterowern selbst überliefert sein? Rühmlich ist sie ja keineswegs. Ich glaube, man muss sie als Satire verstehen, als komische Zuspitzung einer menschlichen Eigenart, wie sie überall vorkommt. Dass die Teterower die Geschichte bei sich spielen lassen, spricht für ihre Größe und ihre Fähigkeit zur Selbstironie. Die Pointe der Geschichte erzählt, dass Teterower Bürger einen großen Hecht gefangen hatten und aufbewahren wollten. Dazu banden Sie ihm eine Glocke um und ließen ihn zurück in den See. Die Stelle markierten sie mit einer Kerbe in ihrem Boot an eben der Stelle, wo sie den Hecht über Bord gelassen hatten. Für mich ist das eine wunderbare Parabel auf den Wunsch und die Unmöglichkeit, aus dem Lauf der Zeit aus-zusteigen, den Erfolg festzuhalten.
Wenn die Caritas ein Boot im Meer der Zeit ist und der Hecht für die Menschen steht, die wir erreichen wollen, dann hilft es nicht, die Stellen der Caritas zu markieren, an denen wir einmal erfolgreich waren. Die Kerbe im Bootsrand vermittelt eine falsche Sicherheit. Wir müssen immer wieder neu hinaus fahren und müssen immer wieder neu suchen. Wenn wir bleiben wie und wo wir sind, wird es uns ergehen, wie den Teterower Bürgern mit der Kerbe im Boot.
Für die Caritas im Erzbistum Hamburg heißt das: Wir müssen uns den Veränderungen in der Gesellschaft stellen. Nur einige Stichworte: Die Globalisierung, die Individualisierung, der demografische Wandel schreiten unaufhaltsam voran. Wir müssen diese Phänomene verstehen lernen, uns ihnen stellen und angemessene Antworten entwickeln. Das wollen wir mit dem anstehenden Entwicklungsprozess gemeinsam mit allen tun, denen die Caritas am Her-zen liegt. Nach den Sommerferien geht es los. Das Rüstzeug dafür haben wir: Schauen wir auf die Zumutungen, denen das Volk Israel in seiner wechselvollen Geschichte ausgesetzt war, denken wir an die Aufbrüche der jungen Kirche in eine fremde Welt! Klammern wir uns auch nicht im Rückblick auf 25 Jahre Caritas Sozialstationen an eine gute alte Zeit, die es so nie gab.
4. Die Caritas als Wohlfahrtsverband der Kirche
In der Caritas werden wir manchmal mit der Frage konfrontiert, ob wir ein Dienst der Katholischen Kirche sein können, wenn doch bei uns Menschen beschäftigt sind, die nicht katholisch sind. Natürlich ist die Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche keine reine Äußerlichkeit, sondern im Idealfall der entschiedene Ausdruck einer Glaubensüberzeugung und Lebensentscheidung. Im Kern geht es aber erst einmal um eine innere Haltung, ein Ja zu dem Ruf in den Dienst an den Menschen. Das kann und soll seinen Ausdruck im Bekenntnis zu Jesus Christus, in der Taufe und in der vollen sichtbaren Gemeinschaft mit der Kirche finden, muss es aber nicht.
Ich nenne noch ein anderes Beispiel: Wenn Kreuze an den Wänden in unseren Einrichtungen
zum Ausdruck bringen, in welcher Haltung wir unseren Dienst tun, ist das angemessen und gut. Aber bewirken werden sie diese Haltung kaum und ersetzen können sie diese auf keinen Fall.
Damit wir Caritas im Sinne der Katholischen Kirche sind, kommt es darauf an, dass unser Handeln als Nächstenliebe erfahrbar wird und unser Dienst die Liebe Gottes zu allen Menschen durchscheinen lässt. Wessen sich Gott bedient, um sich den Bedürftigen zuzuwenden,
hat er noch nie anhand von Kirchenzugehörigkeiten entschieden. Denken wir nur an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Aber, was heißt es nun, Caritas im Sinne der Katholischen Kirche zu sein? Die Antwort ist weder einfach, noch ein für alle Mal zu haben. Wir müssen uns immer wieder neu vergewissern, was es bedeutet, Gottes Liebe und Barmherzigkeit erfahrbar werden zu lassen.
Wie kann die Frage nach Gott in unserem Leben und Dienst im Arbeitsalltag ihren Raum haben? Was kann der christliche Glaube mit unserem konkreten Dienst zu tun haben?
Darüber möchte ich mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Caritas, ins Gespräch kommen.
Hüten wir uns vor einfachen und formalen Antworten, sie sind alle trügerisch. Der Hecht taucht wahrscheinlich nicht bei der Kerbe im Boot wieder auf, wo die Teterower Bürger ihn erwarten wollen.
Das Leben ist voller Überraschungen, wenn wir nicht verzagen und die Herausforderungen annehmen, können wir viele Räume schaffen, in denen Menschen dem lebendigen und barmherzigen Gott begegnen. Die Väter und Mütter der Caritas Sozialstationen haben es uns vorgemacht.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!