Das Leben auf der Straße und in Armut macht krank. Obdachlose und Menschen ohne Krankenversicherung gehen oft nicht zu niedergelassenen Ärzten, weil sie sich nicht trauen. Für sie ist unsere Arbeit in der medizinischen Ambulanz am Bahnhof Zoo lebenswichtig. Und die Zahl der Obdachlosen wächst.
"Typische Krankheiten sind bei uns chronische Entzündungen, Gicht und Rheuma, auch Hautkrankheiten sind häufig. Viele haben wunde Füße, andere leiden unter Parasiten. Das bedeutet: von Läusen befreien und komplett neu einkleiden, auch der Schlafsack muss gewechselt werden", weiß Martin Weber, Leiter der Ambulanz. Wer nur ein Paar Schuhe hat, der zieht sie nicht aus, selbst wenn sie nass sind. Genausowenig wie die Kleidung am Körper, Wechselwäsche besitzen die Wohnungslosen meist nicht.
Patientenzahlen wachsen
Unser Ärzteteam besteht inzwischen aus 16 unterschiedlichen Fachrichtungen, darunter Allgemeinmedizin, Chirurgie, Dermatologie, Neurologie und Hals-Nasen-Ohren. Unsere Ärztinnen und Ärzte arbeiten ehrenamtlich. Manchmal müssen wir die Patienten in eine Klinik einweisen, das bedarf viel Verhandlungsgeschick und eines guten Netzwerkes, denn wir müssen jedes Mal eine Klinik finden, die willens und in der Lage ist, unsere Patienten kostenlos zu behandeln.
Der Zulauf wächst stetig (manche brauchen an kalten Tagen einfach ein warmes Getränk und einen Platz zum Ausruhen, auch das machen wir möglich, wenn Platz im Wartezimmer ist). Nach dem Wochenende und nach Feiertagen ist die Schlange besonders lang.
Seit Beginn der Corona-Pandemie blieb die Ambulanz trotz mehrerer Lockdowns durchgängig geöffnet und behandelt bis zu 50 Patient*innen am Tag.
Die Probleme werden dringender
Unsere Patienten gehen nicht in andere medizinische Einrichtungen, zumindest erst einmal nicht. Entweder weil sie keine Krankenversicherung haben, oder weil sie Angst vor Behörden und Institutionen haben. Viele sind suchtmittelabhängig. In den letzten Jahren wurden die Probleme immer dringender und komplexer. Die zentralen Probleme unserer Patient*innen sind psychische Erkrankungen, Verschuldung, Langzeitarbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch, Verwahrlosung und letzlich soziale Isolation.
Schnittstelle zu weiteren Hilfsangeboten
Neben der medizinischen Grundversorgung versuchen wir, weitergehende Hilfsangebote zu vermitteln. Die medizinische Ambulanz ist eine wichtige Schnittstelle zu anderen Versorgungseinrichtungen der Stadt wie z. B. Notübernachtungen, Tagesstätten, Suppenküchen und arbeitet eng mit weiterführenden Fachdiensten zusammen, etwa mit der Caritas-Krankenwohnung.