Zwischen Hoffen und Bangen
Sein Vater wurde von Taliban ermordet, er selbst entführt, geschlagen und gefoltert: 2015 floh Saeid Fazel Hosseini aus Afghanistan nach Deutschland. Am 1. September hat er beim Diözesan-Caritasverband Paderborn eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement begonnen. "Vorher kannte ich Caritas nicht", sagt er. "Jetzt bin ich sehr froh, dass ich hier arbeiten kann."
In Afghanistan lebte der 29-Jährige in der 150.000-Einwohner-Stadt Ghazni südlich der Hauptstadt Kabul. Als prominenter Angehöriger der schiitischen Minderheit der Hazara geriet sein Vater in das Visier der radikal-islamischen Taliban, die die Schiiten als "Ungläubige" bekämpfen. Sie stoppten den Bus, in dem der Vater unterwegs war, führten ihn heraus und brachten ihn um. Ein traumatischer Schock für den Sohn und seine acht Geschwister. Als ältester noch im Elternhaus verbliebener Sohn geriet Saeid Fazel Hosseini in das Fadenkreuz der Mörder. Vier Monate später wurde er entführt, eingesperrt, beschimpft und geschlagen. "Ich habe sehr viel Angst gehabt. Ich dachte, dass ich sterben werde", sagt er. Als einer seiner Häscher seine Tür nicht verschließt, nutzt er die Gelegenheit. Nachts verlässt er seine Zelle und gelangt über das Dach des Hauses auf unbewachtes Gelände. Die ganze Nacht läuft er, bis er in einem kleinen Dorf das Haus einer Tante erreicht. "Ich wusste, ich kann nicht nach Hause. Ein Cousin hat mir geholfen jemanden zu finden, der mich in den Iran gebracht hat." Eine Woche lang versteckt er sich im Iran, um nicht zurück nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Denn an den Grenzübergängen warten die Taliban auf Rückkehrer, um sie zu rekrutieren. Wer sich weigere, sich ihnen anzuschließen, werde mit einer Sprengstoffweste ausgestattet, die irgendwann per Fernzünder ausgelöst wird, berichtet Hosseini. Nach einer abenteuerlichen Flucht erreicht er nach einem Monat Deutschland und wird gemeinsam mit drei weiteren Afghanen und zwei Pakistanis in den Lichtenauer Ortsteil Holtheim gebracht.
"Dort haben uns die Menschen sehr viel geholfen", ist er sehr dankbar. "Denn am Anfang hatten wir viele Probleme." Über einen örtlichen Caritas-Mitarbeiter kam er in Kontakt mit dem Diözesan-Caritasverband. Dessen Vorsitzender Dr. Thomas Witt, der auch Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Paderborn ist, setzte sich für ihn ein. Nach mehreren Praktika bot ihm der Diözesan-Caritasverband eine Ausbildung zum Bürokaufmann an. Zusätzlich besucht er weiter Deutsch-Sprachkurse. Für die Zeit der Ausbildung darf er nun mindestens in Deutschland bleiben. Ob er dauerhaft bleiben kann, weiß Saeid Fazel Hosseini aber noch nicht. Zurück nach Afghanistan zu müssen wäre ein Alptraum für ihn. "Es gibt dort keine Chance, normal zu leben. Jederzeit kann überall eine Bombe explodieren." Bei der Caritas fühlt er sich wohl. "Die Kolleginnen und Kollegen sind wie meine Familie. Das gibt mir viel Energie."