Wir tun doch erst mal nichts!
Natalie Dedreux bei ihrem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Caritas in KölnErzbistum Köln/Henning Schoon
Natalie ist gut drauf, das merkt man sofort. Die 19-jährige Kölnerin arbeitet seit September 2017 im Café Querbeet, das als zentraler Treffpunkt zum Caritas-Zentrum in Kalk gehört. "Wir sind hier multikulti", beschreibt sie die Vielfalt im Café. Treffen können sich hier Jung und Alt, Menschen mit oder ohne Behinderung, und ihre Herkunft spielt ebenfalls keine Rolle: Selbst gebackenen Kuchen und leckere Getränke gibt es für alle. Natalie, die sich selbst Expertin für Down-Syndrom nennt, arbeitet dort noch bis Ende 2019 im sogenannten Berufsbildungsbereich (BBB). Dabei können sich Menschen mit einer Behinderung ihren Fähigkeiten entsprechend beruflich orientieren und qualifizieren.
Mit ihrer frischen Art kommt Natalie bei Kollegen und Café-Besuchern gut an. "Mir macht die Arbeit Spaß, alle sind nett. Ich spüle besonders gerne", sagt sie. Das Kellnern gefalle ihr nicht ganz so gut, weil sie mit dem Einscannen noch nicht so klarkomme. Sie ist eine von zwölf Mitarbeitenden, die im hauswirtschaftlichen Bereich arbeiten. Zu ihrer berufsbildenden Maßnahme gehören auch Praktika, so wie jetzt bald bei der Online-Redaktion von "katholisch.de". Journalistin zu werden, ist Natalies größter Traum. Schon jetzt arbeitet sie hin und wieder für "Ohrenkuss", ein Magazin von Menschen mit Down-Syndrom. Dass sie mutig und offen ist und die richtigen Fragen stellen kann, hat Natalie schon längst bewiesen.
Als sie 2017 bei der Sendung "Wahlarena" Angela Merkel die Frage stellt, warum so viele Babys mit Down-Syndrom abgetrieben würden, erntet sie bundesweit Aufmerksamkeit und Anerkennung. Auch die Kanzlerin zeigt sich beeindruckt, so sehr, dass sie danach auf Natalies selbst geschriebenen Brief reagiert und sich noch einmal für ein 20-minütiges Gespräch mit ihr trifft. "Angela Merkel ist cool und mächtig", lacht Natalie. Sie fragt die Kanzlerin zuerst nach Trump, dann nach Seehofer und ob Menschen mit Down-Syndrom im Kanzleramt arbeiten. Auf der Seele brennen ihr natürlich auch Fragen rund um die Inklusion. Und das Thema Abtreibung. Auf die Frage, was sie einer Schwangeren mit großen Ängsten sagen würde, antwortet Natalie mit entwaffnendem Charme: "Na, wir tun doch erst mal nichts!" Diese junge Frau tut eine ganz Menge: Sie ist Vorbild und Stimme für viele. Sie ist mutig und lustig, sie trägt schicke Kleider und spielt in ihrer Freizeit Theater.
Wenn sie von ihrem festen Freund, dem bekannten Schauspieler mit Down-Syndrom, Nico Randel, erzählt, küsst sie ihren Ring und strahlt. Bald möchte sie mit ihm zusammenziehen. Was sie stört an ihrer Behinderung? Fast nichts. Dass das mit dem Führerschein so schwierig ist, vielleicht. Und Figurprobleme hat sie. Sorgen einer jungen Frau - eben ganz normal.