Umweltpolitik braucht den Sozial-Check
Stephan Jentgens, Diözesan-Caritasdirektor für das Bistum Aachen Foto: Frank Kind Photography
Machen wir uns nichts vor: Was geschehen muss, um die Umwelt zu retten, ist nicht zum Nulltarif zu haben. Das gilt nicht nur in finanzieller Hinsicht. Neben viel Geld, das notwendig sein wird, um unser Land und die Welt auf mehr Nachhaltigkeit auszurichten, muss auch jeder und jede von uns etwas tun, damit sich etwas zum Besseren wendet. Wir müssen Einstellungen, wir müssen Alltägliches verändern. Schauen wir uns nur einmal die Einkaufsgewohnheiten an. Dass sie sich verändern, zeigt sich unter anderem daran, dass selbst in den Regalen der Discounter mehr und mehr Bio-Produkte liegen. Wenn es stimmt, dass der Kunde König ist, dann haben wir es in der Hand, Einfluss zu nehmen auf Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleister, damit ihre Angebote nachhaltig sind. Dazu gehört eine Haltung, die nicht nur ins Private delegiert werden darf.
Große Unternehmen und Organisationen - dazu rechne ich auch die Caritas mit ihren vielen Diensten und Einrichtungen - tragen auch Verantwortung. Renovierungen von Einrichtungen, Neubauten von Gebäuden müssen nachhaltig erfolgen. Und da sollten wir nicht nur über Mindeststandards reden. Das bedeutet aber auch, darüber zu sprechen, dass nachhaltige Bautätigkeit an Gebäuden, die dem Gemeinwohl dienen, einer entsprechenden Refinanzierung bedarf.
Es liegt auf der Hand: Wir werden zahlen müssen für jahrelangen Überfluss, für Raubbau an der Natur. Lebensmittel werden teurer werden, wollen wir wirklich zu einer nachhaltigen Landwirtschaft kommen, die uns qualitativ hochwertigeres Fleisch und Gemüse liefert. Wenn es die unbestrittene gesamtgesellschaftliche Verantwortung gibt, ohne Wenn und Aber auf Nachhaltigkeit zu setzen, dann ist es auch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, dafür zu sorgen, dass von Nachhaltigkeit alle profitieren, unabhängig vom Geldbeutel. Wenn Teilhabe, dann muss sie auch unter den Vorzeichen des ökologischen Umbaus der Gesellschaft geschehen. Dafür tritt die Caritas als Anwältin für die Menschen an, die am Existenzminimum leben, für diejenigen, die es schon jetzt schwer haben mitzuhalten, für diejenigen, die nichts zuzusetzen haben.
Klimaschutz muss sich lohnen. Auch für jene, die wenig im Geldbeutel haben. Beiträge zur Nachhaltigkeit müssen sich nicht nur jene leisten können, die sich neue E-Autos kaufen können - ganz unabhängig von der Frage, ob E-Autos wirklich so nachhaltig sind. Die Caritas ist dafür, den Ausstoß von Treibhausgasen deutlich zu verteuern und zugleich eine Klimaprämie einzuführen. Davon würden diejenigen, die wenig verbrauchen, unter anderem Einkommensschwache, profitieren. Allerdings müsste es einen Ausgleichsfonds für Härtefälle geben, etwa wenn der Stromverbrauch wegen der Nutzung von Nachtspeicheröfen steigt. Und wenn konventionelle Heizenergie verteuert wird, dürfen nicht die darunter leiden, die sich nur Mieten in Häusern leisten können, die nicht so gut gedämmt sind.
Subventionen, die aus klimapolitischen Aspekten falsch sind, müssen wegfallen. Dazu zählen unter anderem Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff oder für die Förderung des Flugverkehrs. Das eingesparte Geld sollte in eine öffentliche klimafreundliche Infrastruktur gesteckt werden. Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, die in klimafreundliche Technologien oder Immobilien investieren, sollten über die Regelfinanzierung, etwa in Form einer Klimapauschale, einen Ausgleich für ihre Bemühungen bekommen.
Dass auch diejenigen einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten können, die in prekären Verhältnissen leben, beweist der Stromspar-Check der Caritas: Langzeitarbeitslose beraten Grundsicherungsempfänger beim Sparen von Energie und Wasser. Ein Ansatz, der umwelt- und sozialpolitische Nachhaltigkeit verbindet. Solche Ansätze brauchen wir verstärkt und grundsätzlich: Umweltpolitik braucht den Sozial-Check.