Spuren in Afrika hinterlassen
Spuren in Afrika hinterlassen
Aachener Caritas-Vorstand Bernhard Verholen besucht Hilfsprojekte in Tansania und pflanzt Baum. Gemeinsames Flüchtlingsproblem. Deutsche Kitas stehen Pate.
Flüchtlinge beschäftigen nicht nur Bernhard Verholen als Vorstand des Caritasverbandes für die Region Aachen-Stadt und Aachen-Land täglich. Auch sein Kollege, Laurenti Masui, der Caritas Tansania ist derzeit mal wieder gefordert, fliehenden Menschen in großer Zahl zu helfen. Bei einem Besuch in dem ostafrikanischen Staat, einem der ärmsten weltweit, erfuhr Verholen, dass bis zu 200.000 Menschen aus Burundi bis zum Jahresende erwartet werden. Bleibende Erinnerungen hat er von der einwöchigen "Dialogreise" mit Caritas international, der Auslandshilfe-Abteilung des Deutschen Caritasverbandes, mit nach Hause gebracht. "Beeindruckt hat mich vor allem, mit wieviel Engagement unsere afrikanischen Partner ihre Arbeit tun und was sie unter den nicht immer leichten Umständen schaffen."
Eine bleibende Erinnerung an seinen Besuch hat auch Verholen in Daressalam hinterlassen. Wie seine 13 Mitreisenden pflanzte er einen Avocado-Baum in der Missionsstation des Ordens "Daughters of Mary Immaculate", kurz DMI. Die indischen Schwestern kümmern sich am Stadtrand der Fünf-Millionen-Metropole am Pazifik um misshandelte Mädchen, bieten je 30 von ihnen für ein Jahr Schutz und Ausbildung. Um Kinder ging es auch bei einem Termin im halbstaatlichen tansanischen Bildungsinstitut. Hier wurde der Gruppe das neue Bildungskonzept für die Kindergärten in Tansania präsentiert. Pate hat das Caritas-Projekt gestanden, das seit 18 Jahren Kitas nach dem in Deutschland entwickelten Situationsansatz im Massai-Gebiet von Longido aufbaut. "Es wird jetzt landesweit eingeführt", erklärt Verholen. "Das ist eine kleine Revolution, denn bisher mussten die Kinder in der sogenannten Preschool schon Lesen und Schreiben lernen". Künftig wird damit erst in der Grundschule angefangen. Im Kindergarten werden lebenspraktische Fähigkeiten spielerisch vermittelt.
Wie das in der Praxis aussieht, erfuhr der Aachener zwei Tage später vor Ort in einer "Preschool under the tree". Auf einer blauen Plastikplane unter einem Baum sitzt ein Teil der Kinder und klebt Nüsse in zwei Kreise auf ein Blatt Papier. Elefanten sind heute das Thema und die Nüsse stellen die Augen dar. Der Erzieher erklärt das richtige Verhalten gegenüber den "Tembo", wenn man ihnen begegnet. In anderen, durch Steine abgeteilte Ecken, wird "gekocht", gebastelt oder Krankenhaus gespielt.
"Die Massai können künftig nicht mehr nur traditionelle Viehhirten bleiben", erfuhr Verholen. Das Land reicht nicht mehr für alle ihre Rinder- und Ziegenherden. Die unsichereren Regenfälle infolge des Klimawandels lassen das Land wahlweise austrocknen oder überfluten es. Deswegen setze das Caritas-Projekt auf Bildung. Die Eltern müssten dafür viel Einsatz zeigen: "Die Erzieher bezahlen sie per Umlage". Noch mehr werde von ihnen verlangt, wenn sie sich ein festes Gebäude wünschten. Dann muss ihr Kindergarten seit fünf Jahre bestehen und sie sind verpflichtet, ihn dauerhaft fortzuführen. Zudem müssen sie 5.000 Euro von der Gesamtsumme von 25.000 Euro selbst aufbringen. Den Rest steuert die deutsche Caritas mit Hilfe des Bundesentwicklungsministeriums bei. Fast 48.000 Kinder hat das Projekt mittlerweile erreicht.
Gesellschaftliche Änderungen strebt auch ein schon 1990 initiiertes und lang-jährig von der Caritas in Deutschland unterstütztes Projekt für behinderte Kinder und Jugendliche an, das Verholen besuchte. In der Rehabilitationsstation "Hu-duma ya Walemavu" in Monduli, unweit des Kilimandscharo, werden sie aufgenommen, auf Operationen vorbereitet und anschließend behandelt und gepflegt. "Hundert hier ausgebildete ehrenamtliche Gesundheitshelfer in der Region finden die jungen Patienten und vermitteln Termine", berichtet Verholen. Häufigstes Problem sei der hohe Fluorgehalt des Wassers, der zu Knochenerweichungen führe.
"Die Mitarbeiter wollen aber darüber hinaus das Verständnis für Menschen mit Behinderungen wecken", so Verholen. Drei Teams sind dafür ständig in weitem Umkreis in den Dörfern unterwegs. Immerhin werden viele behinderte Menschen noch vor der Öffentlichkeit weggeschlossen. Das Ziel benennt die Leiterin der Station, Mireile Kapilema: eine inklusive Gesellschaft. "Sicher ein hoher Anspruch", ist dem Caritasvorstand klar, "aber eine gute Leitlinie".
Die ehemalige Leiterin der Station, Anna Mollel, lernten die Caritas-Reisenden am Nachmittag zurück in Arusha kennen. Sie hat sich nicht in den Ruhestand zurückgezogen, sondern eine Schule gegründet. Hier werden privat 40 Kinder mit Behinderungen aufgenommen und Kinder und Jugendliche inklusiv unterrichtet. "Für dieses Engagement hat sie 2002 einen internationalen Kinderpreis bekommen", berichtet Verholen. Die 50.000 Dollar Preisgeld habe sie längst wieder in ihre Arbeit investiert. Im staatlichen Leistungswettbewerb liege die Engilang’T Primary School Arusha landesweit auf dem ersten Platz.
Die hohe Fachlichkeit, pragmatisch an die lokalen Bedingungen angepasst, aber auch eine Reihe von willensstarken, lebensbejahenden Persönlichkeiten, deren Leben ihr Engagement für Benachteiligte ist, haben Verholen besonders beeindruckt.
Zum Abschluss wurde gemeinsam in der Gruppe überlegt, wie die Projektpartner der Caritas in Tansania in ihrer Arbeit unterstützt werden könnten. "Dem Land und vor allem seinen Menschen müssen wir helfen" ist für Verholen klar. Im Gegensatz zu den krisengeschüttelten Nachbarländern Uganda, Burundi oder Kongo gehe es hier friedlich und demokratisch zu. Aber die Bevölkerung habe sich innerhalb eines Vierteljahrhunderts auf nahezu 50 Millionen Menschen verdoppelt. Mehr als die Hälfte der Einwohner sei jünger als 18 Jahre. "Eine riesige Herausforderung für das Entwicklungsland", sagt der Caritasvorstand.
Tansania nehme dazu noch Flüchtlinge aus Burundi in großer Zahl auf. Wie der für deren Betreuung zuständige Mitarbeiter der Caritas Tansania erläutert, liegen die Lager für sie rund 200 Kilometer von der Grenze entfernt. Da sie praktisch ohne Vorräte ankämen, sei die erste Aufgabe, sie an Wegstationen zu versorgen. "Damit sie überhaupt eine Chance haben, diese Lager lebend zu erreichen", so Verholen. Zurück könnten sie nicht mehr, denn wer fliehe, verliere sein Land. Der Caritas-Mitarbeiter vor Ort habe versichert, auch diese Flüchtlinge werde man integrieren. "Das machte ihm erkennbar keine Sorge", sagt der Aachener Caritasvorstand.