„New Work“, ein Konzept im Fluss
Das Konzept New Work – eine neue Art zu arbeiten – geht ursprünglich auf den Philosophen Frithjof Bergmann zurück. Es ist ein vielschichtiger Ansatz zur Gestaltung der Zukunft der Arbeit. Darin zeigt Bergmann die vielen Missstände des Jobsystems auf – Mehrarbeit, Leistungs- und Zeitdruck, eine Unvereinbarkeit von Leben und Beruf, prekäre Beschäftigungsverhältnisse –, die Menschen belasten und an ihre Grenzen bringen. Vor diesem Hintergrund formuliert Frithjof Bergmann ein neues, nachhaltiges Arbeitssystem, um die benannten Mängel zu überwinden. New Work will die Menschen von den Zwängen der Jobarbeit unabhängiger machen, die durch die laufende Technologisierung und Ökonomisierung der Arbeit unweigerlich zunehmen.
Dies lässt sich erreichen, indem der Freiheitsgrad für den Menschen innerhalb und außerhalb des Jobsystems erhöht wird. Konkret sieht das Konzept eine Arbeitszeitverkürzung vor, die prinzipiell jedem:jeder Beschäftigten möglich und individuell gestaltbar ist. Der für New Work ausschlaggebende Grund ist, dass erst dadurch Zeit und Raum für neue Arbeitsformen entstehen. Bergmann ist insbesondere an einer bestimmten Art von Berufung gelegen, die er als Gegenbegriff zum Job formuliert hat und die er den Menschen mit den Worten nahelegt: "Arbeite etwas, das du wirklich, wirklich tun willst!" Seine Gesellschaftskritik und sein Menschenbild bringen ihn zu der Überzeugung, "dass es der beste Weg zu einem Leben der Erfüllung und Intensität ist, wenn man eine Arbeit tut, die man ernsthaft und aus tiefstem Herzen tun will"1.
Das Ziel von New Work ist somit ein Umwerten der gesellschaftlichen Arbeit: Nicht wir Menschen sollen der Arbeit dienen, sondern die Arbeit soll uns dienen. Während die Arbeit herkömmlich im Wesentlichen als ein Mittel zur Produktion von Waren und Dienstleistungen gilt, soll sie künftig auch ein Mittel zur Entwicklung der Menschen sein.
Ein Grundgedanke aus unterschiedlicher Sicht
Mittlerweile gibt es einen Mainstream, der unter New Work firmiert und sich auf Frithjof Bergmann bezieht, sich aber zugleich sehr weit vom Original entfernt hat. Dieser Mainstream lässt sich beschreiben als ein vor allem von Unternehmensberater:innen lanciertes Sammelsurium an Maßnahmen und Instrumenten wie zum Beispiel "flache Hierarchien", "Teamarbeit", "agiles Arbeiten" und dergleichen Schlagworte mehr. Diese sollen helfen, die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen Organisationen stehen, wie zum Beispiel Digitalisierung oder zunehmender Wettbewerb. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Mitarbeitende an die neuen Arbeitsbedingungen angepasst werden müssten, damit der strukturelle Wandel gelinge. Dadurch soll die jeweilige Organisation konkurrenzfähig und erfolgreich bleiben, zudem soll sie im Wettbewerb um Fachkräfte attraktiv für potenzielle Arbeitnehmer sein.
Trotz aller wesentlichen Unterschiede der beiden Konzepte, des originalen New Work und des entstandenen Mainstreams, gibt es eine Gemeinsamkeit: Soweit es innerbetrieblich darum geht, die Arbeitsbedingungen zu individualisieren, ziehen sie an einem Strang. Das heißt, wenn Arbeitgeber berücksichtigen, was, wie, wo, wann sowie mit welchem Arbeitszeitmodell ein:e Mitarbeiter:in arbeiten will, unterstützen beide Konzepte diese Vorgehensweise.
Jeder Mensch ist anders und hat seine je eigenen Arbeitsbedürfnisse. Nur wenn diese erfüllt werden, kann der Mensch sein volles Potenzial entfalten. Diese Investition rechnet sich: Organisationen, die diesen Weg einschlagen, können mit mehr individueller Leistung, höherer Identifikation und Zufriedenheit der Belegschaft rechnen. In Zeiten von Fachkräftemangel ist dies zugleich eine kluge Vorgehensweise, Mitarbeitende zu binden.
1. Bergmann, F.: Neue Arbeit - Neue Kultur. Freiamt: Arbor Verlag GmbH, 2004, S. 372.