Menschen zuhören und sie ernst nehmen
Roswitha Paas, Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), Leiterin des Stadtteilbüros im Essener Stadtteil BergmannsfeldChristoph Grätz
Montagmorgen, halb zehn: Anruf beim "Amt". Eine schwangere Frau hatte bereits vor drei Monaten Mehrbedarf beim Jobcenter angemeldet, bisher ohne Reaktion. Roswitha Paas greift zum Telefonhörer und versucht, den zuständigen Sachbearbeiter zu erreichen.
Zwischendurch kommt Oxana herein, eine russischstämmige Frau aus der Nachbarschaft, sie braucht einen Ausdruck ihrer Bewerbung als Haushaltshilfe. Rossi, wie man Roswitha Paas hier nennt, erledigt das nebenbei. Die zupackende 57-jährige Rheinländerin mit dem Schiefbahner Akzent und den strahlend grünen Augen arbeitet gern für den Sozialdienst katholischer Frauen Essen-Mitte (SkF), der in Essen einer der wichtigsten Akteure der Sozialarbeit ist.
So auch im Bergmannsfeld, einer Siedlung im Essener Osten mit vier- bis achtstöckigen Häusern im Stil der 70er-Jahre, die ursprünglich als Wohnviertel für Familien geplant worden war. Heute leben im Bergmannsfeld 4300 Menschen, gut die Hälfte ist auf ALG-II-Leistungen angewiesen. Der Anteil ausländischer Mieter liegt bei 55 Prozent, doch die größte Gruppe sind die russischstämmigen Aussiedler.
"Eigentlich sollte ich für meinen Job Russisch lernen", räumt Paas ein, "ich hab es probiert und festgestellt, dass ich das nicht mehr in meinen Kopf bekomme." Aber es klappt auch ohne Russischkenntnisse gut mit der Begegnung im Bergmannsfeld. Das zeigen der russische Seniorenclub und der Deutschkurs, der zweimal in der Woche stattfindet. "Meine russische Kollegin Marina erfreut sich jedes Mal daran, wie ihre Eltern noch mal die Schulbank drücken, Hausaufgaben machen und versuchen, Deutsch zu lernen", berichtet Paas.
In ihrem Stadtteilbüro, in dem der SkF Sozialberatung und Schuldnerberatung anbietet, ist sie ganz dicht dran an den Menschen. Seit zweieinhalb Jahren berät sie hier, hat sich den kurzen Draht in sämtliche Ämter erarbeitet, ob es nun um Anträge an das Jobcenter, Rentenfragen oder Krankenversicherungsthemen geht. "Es ist schon sehr hilfreich, wenn man die zuständigen Sachbearbeiter kennt. Das beschleunigt und hilft auch bei komplizierteren Sachverhalten." Zum Beispiel bei der Somalierin, die nach Deutschland geflohen war und hier in einem Aufnahmelager einen Landsmann kennenlernte. Sie hatte ihn dann zunächst aus den Augen verloren, aber schließlich in einem anderen Bundesland wiedergefunden. Sie haben dann nach muslimischem Ritus geheiratet und bekommen ein Baby "Wir konnten bei den Ausländerbehörden erreichen, dass der Mann nach Essen umziehen durfte. Vor zwei Wochen standen die beiden dann bei uns in der Tür - glücklich!"
Paas ist eine Teamspielerin und eine echte Netzwerkerin. Das hat sie in ihren früheren beruflichen Stationen als Jugendpflegerin, Seelsorgerin, bei ihrer Arbeit mit lernbehinderten Jugendlichen, in der Katholischen Familienbildungsstätte und beim Café Schließfach, einer Begegnungsstätte des SkF in Essen für drogenabhängige Frauen, gelernt.
Das, was Paas und ihre zwei Mitarbeiter im Bergmannsfeld tun, entspricht dem Ansatz von Sozialraumorientierung. "Das Wichtigste", sagt sie, "was du in diesem Job brauchst, ist Zugewandtheit. Die Leute müssen sich willkommen fühlen. Wenn sie - anders als bei Ämtern - das Gefühl haben, hier hört mir jemand zu und nimmt mich ernst, dann öffnen sie sich auch und erzählen, was sie wirklich bewegt. Aber es braucht auch eine gehörige Portion Geduld und Hartnäckigkeit. Ohne die geht, besonders wenn es um Bürokratie geht, gar nichts."
Während sie erzählt, kommt ein Mann herein und fragt nach der Kopie eines Antrages. Rossi Paas geht zum Kopierer und kassiert von dem Herrn zehn Cent. Auch kleine Schritte führen zum Ziel - das gilt auch für die Arbeit im Bergmannsfeld.