Kommunikation und offener Austausch im Team
Friederike Börner (31) ist ausgebildete Erzieherin und hat Kriminologie studiert. Seit über zehn Jahren beschäftigt sie sich mit sexualisierter Gewalt. Zu den Maltesern kam sie, weil sie die Pionierarbeit als Präventionsbeauftragte reizte.Foto: Christoph Grätz
Aus ihrer Schulungstätigkeit für das gesamte Netzwerk der Malteser Altenhilfe weiß Friederike Börner, wie schambehaftet das Thema Sexualität ist: "Besonders bei der Kriegsgeneration ist das weit verbreitet. Es fehlt einfach die Sprache. Aber auch bei Pflegekräften und im sozialen Dienst wird dieses Thema wegen seiner Intimität manchmal nur sehr stiefmütterlich behandelt", sagt sie.
Dabei haben Menschen - auch im Altenheim - ein Recht darauf, ihre Sexualität auszuleben, betont Börner. "Manchmal kommt es vor, dass gerade Demenzkranke ein gesteigertes Sexualverhalten haben." Hier sollten Altenheime den Bedürfnissen nach Zärtlichkeiten und intimen Berührungen Raum geben. Sexuelle Selbstbestimmung kennt keine Altersgrenze und hört auch mit einer Demenz nicht auf.
Eine offene Kommunikation, sagt die 31-Jährige, sei eine der wichtigsten Voraussetzungen, um mit dem Thema Sexualität überhaupt umzugehen, auch im beruflichen Kontext. "Erst wenn Pflegekräfte ihre Scham bei diesem Thema verlieren, wird es besprechbar. Dann können wir in der Pflege erkennen, was Bewohnerinnen und Bewohner wirklich brauchen." Dabei sollte das ganze System "Pflege" mitgenommen und eingebunden werden, also auch Angehörige und gesetzliche Betreuerinnen und Betreuer.
Das Bauchgefühl stimmt meistens
Mit Schulungen und Treffen bereitet sie Hausleitungen und Pflegende auf das Thema Grenzverletzungen und Übergriffe vor. Dabei bietet sie sich selbst an und sagt: "Nutzt mich als Ressource." Wenn Kolleginnen und Kollegen das Gefühl haben, hier könne ein Missbrauch oder eine Grenzverletzung vorliegen, sollten sie lieber einmal zu viel als zu wenig anrufen. Und sie rät: "Trauen Sie Ihrem Bauchgefühl, meistens liegt man damit richtig. Und nutzen Sie die Reflexion im Team. Auch Grenzverletzungen, bei denen Sie nicht sicher sind, ob sie gravierend sind, sollten Sie benennen." Denn im Falle von Übergriffen sei das Gespräch mit dem Team, mit der betroffenen Person und dem Umfeld besonders wichtig. "Seien Sie transparent im Handeln und beachten Sie den Datenschutz."
Sexuelle Übergriffe komplett zu vermeiden, sei nahezu unmöglich, sagt die Expertin, "aber die offene Kommunikation ermöglicht, diese schnell zu erkennen und zu intervenieren". Auch Pflegende sind gelegentlich Annäherungen ausgesetzt: "Wir arbeiten eng am Menschen, zum Beispiel bei der Intimpflege." Aus Schulungen weiß sie, dass Pflegekräfte sich gelegentlich nicht trauen, Übergriffe zu melden, aus Angst vor Konsequenzen. Umso wichtiger sei es, diese Scham zu überwinden und solche Themen im Team oder bei der Leitung anzusprechen, rät Börner. Außerdem sei es immer gut, über die eigene Sexualität und die eigenen Grenzen zu sprechen und diese zu wahren. "Wenn wir es nicht schaffen, über Sexualität zu sprechen und eine Sprache zu finden, entstehen leider immer wieder schwierige Situationen auf beiden Seiten." Einrichtungen und Diensten empfiehlt sie, mutig und offen zu sein, mit Bewohnerinnen und Bewohnern ins Gespräch zu gehen und genau zuzuhören.
Präventionsbeauftragte Wohnen & Pflegen
Friederike Börner
zuständig für alle Einrichtungen und Aktivitäten der Malteser Wohnen & Pflegen gGmbH bundesweit
Mobil: 0160/94632483
E-Mail: friederike.boerner@malteser.org
Im Podcast "caritalks" hören Sie in Folge 100 mit Friederike Börner.