Zeige mir Dein Portemonnaie und ich sage Dir, wer Du bist
AMERICAN EXPRESS wollte keiner haben. Ich bin irgendwann umgestiegen auf MASTER CARD. Meine EC-Karte trägt den Namen einer soliden kleinen Bank. Einmal gab der Geldautomat trotzdem meine Karte nicht wieder her. Das Konto war überzogen. Das ist über 20 Jahre her, aber ich erinnere mich lebhaft an das beklemmende Gefühl: Ein Wochenende ohne einen Cent Geld. "Bitte nehmen Sie Kontakt mit Ihrem Geldinstitut auf. Ihre Karte wurde von uns eingezogen." Klappe zu - meine EC-Karte kam nicht mehr raus. In einer fremden Stadt. Außerdem stecken noch Visitenkarten, die BahnCard, Briefmarken und ein Speicherchip für Fotos in meiner Börse. Der runde Aufkleber mit dem Logo von SINGAPUR-Airlines steht für Südostasien. Dort habe ich die Aufbau-Arbeit von Caritas international nach dem Tsunami erlebt. Schwer zu erkennen: ein Glückscent, auf der Straße gefunden. Das Foto zeigt unsere Jüngste: Auf Passfotos ist Lachen nicht mehr erlaubt. Es geht ihr gut. Mein Montblanc-Füller war teuer, hält aber schon lange und ist so gesehen preiswert. Wir haben drei Kinder mit gesunden Zähnen. Meine letzte Zahnarzt-Rechnung betrug dagegen 2.425,70 Euro. Die Krankenkasse gab knapp 600 Euro dazu, verblieben 1.830,22 Euro. Das war der Moment, an dem ich das Jahresthema "Armut und Gesundheit" entdeckte. "Bonität und Gesundheit" wäre auch zutreffend. Ein Leben ohne Zahnzusatz-Versicherung möchte ich mir nicht vorstellen. Ich weiß aber, dass 99,99% aller Armen kein Geld für eine solche Absicherung haben.
PS: Letzte Woche berichtete eine Kollegin, auch ihre Karte sei vom Geld-Automaten eingezogen worden. Sie hatte drei mal die falsche PIN-Nummer eingegeben. "Ich stand wie verdattert da", der Aufwand, dieses Geräusch. Die Begleitumstände von Konto- und Stromsperrungen für Familien mit geringem Einkommen sind fürchterlich.
Heribert Schlensok