Partnerschaftsgewalt und häusliche Gewalt: Hilfsangebote stärken
"Die gesellschaftliche Aufteilung in Frau und Mann ist weiterhin wirkmächtig. In der Beratung und sozialen Arbeit ist es zugleich wichtig, Menschen einzuschließen, die sich queer oder nicht in zwei Geschlechtern identifizieren.", sagt Prof. Dr. Judith Conrads von der Katholischen Hochschule Münster.Foto: Caritas | Christoph Grätz
Partnerschaftsgewalt und häusliche Gewalt betreffen alle gesellschaftlichen Schichten und erfordern ein breites Unterstützungsnetzwerk. Laut der Kriminalstatistischen Auswertung zur Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamts waren im Jahr 2022 über 240.000 Menschen von partnerschaftlicher Gewalt betroffen - davon etwa 80 Prozent Frauen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher.
Die Caritas und ihre Fachverbände bieten für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder sowie für Mädchen entsprechende Hilfen in Form von Schutz und Beratung an. Frauenhäuser, Gewaltschutzwohnungen und Frauenberatungsstellen gehören seit Jahrzehnten zum regionalen Hilfesystem der Sozialdienste katholischer Frauen (SkF) und der Caritasverbände. Allein in Nordrhein-Westfalen betreiben katholische Träger mehr als 30 Frauenhäuser und Schutzwohnungen.
Aber auch Angebote der Krisen- und Gewaltberatung für Jungen und Männer wurden in den letzten Jahren verstärkt entwickelt, da auch Männer Gewalt erfahren und Hilfe benötigen. Laut der Studie "Gewalt gegen Männer" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von 2020 erlebt jeder dritte Mann in Deutschland mindestens einmal in seinem Leben Gewalt, sei es durch Partnerinnen, Partner oder im sozialen Umfeld. Für Betroffene bieten die katholischen Träger vor Ort beispielsweise Gewaltschutzwohnungen oder ambulante Beratungsangebote an.
Über 40 Praktikerinnen und Praktiker der sozialen Arbeit in diesem Bereich haben sich jüngst auf der Fachtagung "Geschlechtsspezifische Beratung 2.0" der nordrhein-westfälischen Diözesan-Caritasverbände Aachen, Köln, Münster und Paderborn in Essen ausgetauscht. Themenschwerpunkte waren unter anderem gendersensible Beratung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Weiterentwicklung von Schutzkonzepten für alle Geschlechter.
"Soziale Probleme - besonders offensichtlich im Kontext von Gewalt - lassen sich nur mit einer machtkritischen Perspektive auf Geschlecht verstehen, die historisch und kulturell grundiert ist. Umso fataler ist es, dass derzeit genderversierte Ansätze in der Sozialen Arbeit massiv von Rechtsaußen in Frage gestellt werden", sagt Prof. Dr. Barbara Thiessen von der Universität Bielefeld.Foto: Caritas | Christoph Grätz
Zwischen den Frauen- und Männerhilfeangeboten gibt es teilweise Berührungsängste und Vorbehalte, wie bereits eine Fachtagung im Dezember 2023 zeigte. Mit diesem Fachtag sollen Schnittstellen in der Beratung beleuchtet, Missverständnisse ausgeräumt, Gemeinsamkeiten festgestellt und die Zusammenarbeit gestärkt werden. Die Teilnehmenden diskutierten auch über die Notwendigkeit einer besseren gesetzlichen Absicherung von Schutz- und Beratungsangeboten sowie über neue Präventionsansätze.
Die Caritas und ihre Fachverbände setzen sich für eine flächendeckende Finanzierung von Hilfesystemen für von Gewalt betroffene Menschen ein - unabhängig von Geschlecht und sozialer Herkunft.
Gastdozentinnen haben die Diskussionen mit kritischen Beiträgen bereichert: Prof. Dr. Judith Conrads, von der Katholische Hochschule Münster, Prof. Dr. Barbara Thiessen, von der Universität Bielefeld sowie Elsbeth Ostlender, vom SkF Aachen und Michael Kempen, vom Katholischen Beratungszentrum Aachen.