Keine Allgemeinverbindlichkeit
Anfang März 2015 sind 15 Träger von Pflegeheimen und Pflegediensten in Bremen und Bremerhaven über die Tarifgemeinschaft Pflege Bremen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einheitlichen Tarifbedingungen in der Altenpflege gegangen: Sie haben mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag über die Ausbildungsbedingungen in der Altenpflege abgeschlossen, der eine faire Vergütung, verbindliche Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen sowie eine hohe Ausbildungsqualität garantiert. Den Beteiligten gilt das Vertragswerk als bundesweites Novum und als Meilenstein auf dem Weg zu einem landesweiten, flächendeckenden Tarifvertrag für die gesamte Pflege.
Um einheitliche Bedingungen in der gesamten Pflegebranche im Land Bremen zu schaffen, haben die Tarifgemeinschaft Pflege Bremen und ver.di bei der Bundesarbeitsministerin die Allgemeinverbindlichkeit des abgeschlossenen Tarifvertrags beantragt. Frau Ministerin Nahles hat den Antrag zur Entscheidung an den Bremer Arbeitssenator delegiert. Bevor dieser entscheiden kann, muss er das Einvernehmen mit dem Bremer Tarifausschuss herstellen, dem die Bremer Gewerkschaften und Unternehmensverbände paritätisch angehören.
Der Bremer Tarifausschuss hat heute getagt und die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages wegen der eingetretenen Pattsituation zwischen Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbandsvertretern nicht beschlossen. Der Bremer Arbeitssenator kann deshalb aus rechtlichen Gründen den abgeschlossenen Ausbildungs-Tarifvertrag nicht für allgemeinverbindlich erklären. Die Tarifgemeinschaft Pflege Bremen sowie die Gewerkschaft ver.di verurteilen das ideologisch motivierte Stimmverhalten der Arbeitgeberverbandsvertreter, die die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen verhindern wollen. Hier bestimmten sachfremde Motive von Verbandsvertretern ohne Branchenbezug über berechtigte Anliegen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen in der Pflege. Das öffentliche Interesse an qualifizierter Versorgung von Pflegebedürftigen bleibe dabei auf der Strecke. Die Arbeitgeberseite habe offensichtlich die Zeichen der Zeit und die daraus folgenden Konsequenzen nicht erkannt. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag sei ein wichtiger Beitrag, um die Ausbildung in der Bremer und Bremerhavener Pflege für junge Leute insgesamt attraktiver zu machen. "Dies ist zwingend notwendig", betonen Arnold Knigge, Vorstandsvorsitzender der Tarifgemeinschaft Pflege Bremen und Joachim Lüddecke, Landesbezirksfachbereichsleiter ver.di Niedersachsen-Bremen, "der Fachkräftemangel in der Pflege ist schon heute spürbar und wird sich in den nächsten Jahren deutlich verschärfen. Deshalb brauchen wir mehr junge Leute, die einen Pflegeberuf ergreifen wollen, und dies können wir nur mit attraktiven Ausbildungsbedingungen."
Die Tarifgemeinschaft Pflege Bremen und ver.di heben in diesem Zusammenhang die überregionale Bedeutung der Nichtzustimmung des Tarifausschusses hervor. Sie verweisen auf ein entsprechendes Verfahren in Niedersachsen und die Diskussion auf Bundesebene über verbandsübergreifende Tarifverträge in der sozialen Arbeit. Beide Tarifpartner äußern sich enttäuscht auch über die mangelnde Unterstützung aus dem Bremer Senat. Trotz eindeutiger Wahlkampfaussagen der SPD (Regierungsprogramm S. 20f.: "...wollen wir die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen fördern ... Wir werden die Tarifpartner dabei unterstützen, …einen einheitlichen Tarifvertrag zu realisieren.") und allgemeiner Unterstützungserklärungen von Senatsmitgliedern lag dem Tarifausschuss eine kritische Stellungnahme des Kommunalen Arbeitgeberverbandes KAV mit der Unterschrift des Finanzstaatsrats Henning Lühr vor. "Und dies, obwohl wir uns Anfang des Jahres mit dem KAV über das Vorgehen verständigt hatten," erklären Martin Böckmann, Caritasdirektor und Vorstandsmitglied der Tarifgemeinschaft Bremen und Uwe Schmid als Bremer Verhandlungsführer von ver.di, "diese "Steilvorlage" für die Arbeitgeberseite hat uns sehr geschadet."
Großes Unverständnis äußern beide auch über die negativen Stellungnahmen und rechtlichen Bedenken der privaten Pflegebetreiber, die dem Tarifausschuss vorgelegt wurden. Offensichtlich wollten die privaten Betreiber sich nicht die Möglichkeit nehmen lassen, Auszubildende in der Altenpflege deutlich unter dem bundesweiten Referenzwert zu bezahlen, der in den abgeschlossenen Bremer Ausbildungstarifvertrag eingegangen ist. Diese Haltung sei nicht im Interesse einer qualitativen Pflege und die absolut falsche Weichenstellung für die Zukunft der Pflege.
Für das Land Bremen kündigen Tarifgemeinschaft Pflege Bremen und ver.di an, dass es in den laufenden Verhandlungen über weitere einheitliche Tarifverträge in der Pflege ein Moratorium geben werde. Seit einigen Monaten werde zwar über einen Entgelttarif für die über 9000 Beschäftigten in der Pflege in Bremen und Bremerhaven sehr konstruktiv verhandelt. Aber die heutige Entscheidung des Tarifausschusses zeige, dass dieser einheitliche Entgelttarifvertrag gegenwärtig keine Chance auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung habe. Deshalb würden Tarifgemeinschaft Pflege Bremen und ver.di die Verhandlungen unterbrechen, um zunächst für eine breitere Unterstützung dieses nach wie vor wichtigen Projekts zu werben. "Der einheitliche Tarifvertrag für die Pflege wird kommen", unterstreichen Arnold Knigge und Joachim Lüddecke, "wir werden weiter dafür kämpfen, dass dies bald geschieht - im Interesse der Beschäftigten und der Leistungserbringer, aber auch zur Sicherung der Zukunft der Pflege in Bremen und Bremerhaven."
Kontakt (V.i.S.d.P.):
Sylvia Gerking (LAG und Tarifgemeinschaft Geschäftsleitung)
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