Hilfe bei Pornografieabhängigkeit
Bereits mit zwölf Jahren nutzte Finn regelmäßig Online-Erotik-Angebote. Bei YouTube ist es selbst für Minderjährige möglich, sich Striptease-Shows anzusehen. Auch im Fernsehen war der Zugriff für ihn einfach: Nach Mitternacht liefen auf den Sportkanälen Erotik- und Sexfilme. Mit 17 Jahren zog Finn von zuhause aus. "Ab diesem Zeitpunkt war für mich die Hürde weggefallen, dass meine Mutter mich erwischen könnte. Die Situation ist eskaliert", erinnert sich Finn. "Ich habe morgens vor der Ausbildung den ersten Pornofilm geguckt und mich selbst befriedigt, nach Feierabend mehrere Sexfilme und vor dem Einschlafen noch einen."
Finn ist eher ein zurückhaltender, schüchterner Mensch. Er sagt: "Der Konsum von Pornos brachte mir unglaubliche Glücksgefühle. Ich konnte rausgehen aus dem Moment, abtauchen in eine andere Welt - weg von der Unzufriedenheit im Alltag."
Als Finn seine erste Freundin kennenlernte, konsumierte er weiter Pornos. Die reale körperliche Nähe war für ihn ungewöhnlich. "Letztlich war ich von der Pornowelt verdorben für wirkliche Zärtlichkeit und Lust." Finns Erektionsprobleme blieben für seine Freundin unerklärbar. Finn dachte, er könne für seine Freundin kein richtiger Mann sein und fühlte sich unter Druck. Die Beziehung scheiterte. Für Finn war das der Anlass, sich professionelle Hilfe zu holen bei der Mediensuchtberatung der Caritas Bremen. Eigene Versuche, keine Pornos mehr anzusehen, scheiterten.
"Beim Fragebogen zum Thema Mediensucht zögerte Finn bei Punkt fünf nach der Häufigkeit des Konsums von Online-Erotik-Angeboten", so Mediensuchtberaterin Eileen Strupat. "Ich konnte sehen, dass er zunächst "sehr oft" ankreuzen wollte, sich dann aber für "oft" entschied. Wir haben dann viel gesprochen, bis Finn Vertrauen fasste und seine Geschichte erzählte."
Eileen Strupat bewundert Finns Offenheit: "Dass er mit mir als Frau so ehrlich darüber sprechen kann, finde ich mutig. Es ist wichtig, dass Pornografieabhängigkeit kein Tabuthema ist."
Nach der Beratung entschied sich Finn für eine stationäre Therapie. Dort war auch sein Cannabis-Konsum ein Thema. Diese in den Griff zu bekommen, war für ihn sogar leichter als die Pornosucht. Für Eileen Strupat ist das verständlich: "Bei Cannabis ist Abstinenz möglich. Für Sexualität und Selbstbefriedigung dagegen muss Finn eine Form kontrollierten Konsums finden. Das ist nicht so einfach. Das Tablet liegt in der Wohnung." Zumindest schafft Finn es aktuell, keine Pornofilme anzugucken. Die Therapie hat ihm geholfen, zu erkennen, weshalb er süchtig wurde. Er konnte sein Selbstwertgefühl aufbauen und lernen, seine Identität zu finden und sein Leben zu gestalten. Und er lernte, was er tun kann, um keine Pornos zu konsumieren.
In Finns Umfeld weiß niemand Bescheid. Nur seiner ehemaligen Freundin hat er gestanden. "Mir war wichtig, dass sie weiß, dass es nicht an ihr lag und sie hat sehr verständnisvoll reagiert", erzählt Finn. Aktuell ist kommt Finn zweimal wöchentlich - zum Einzelgespräch und zur Gruppensitzung. Die anderen Männer der Gruppe zeigen viel Verständnis.
"Ich habe gedacht, ich kriege das in den Griff", erinnert sich Finn. "Da habe ich mir aber was vorgemacht. Die Beratung und Behandlung haben mir geholfen, mich nicht zu schämen und mir nicht die Schuld zu geben." Die Mediensuchtberatung der Caritas Bremen wird gefördert von der GlücksSpirale.
Ihre Ansprechpartnerin bei Fragen zum Thema Mediensucht:
Eileen Strupat, Tel. 0421 / 33573-161, Mail e.strupat@caritas-bremen.de