Für eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen
Die Eigenständige Existenzsicherung von Frauen ist bis heute nicht durchgängig gewährleistet - im Gegenteil: Die Lage hat sich in den letzten Jahren für Frauen, die sich über längere Zeit vorrangig der Familie widmen, noch verschlechtert, etwa durch Änderungen im Unterhaltsrecht und bei der Witwenrente.
Während die Sicherung der eigenen Existenz von den meisten Männern in unserer Gesellschaft erreicht wird, sind für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen nach wie vor die Weiterentwicklung gesellschaftlich definierter Rollenbilder sowie die Verbesserung sozial-, familien- und arbeitsmarktpolitischer Rahmenbedingungen erforderlich.
Familie und Beruf: noch nicht wirklich vereinbar
Eigenständige Existenzsicherung wird in unserer Gesellschaft vorwiegend auf der Grundlage von Erwerbsarbeit und den damit verbundenen Rentenanwartschaften erworben. Anwartschaften aus Familienarbeit werden nur in geringem Umfang für die Existenzsicherung im Alter einbezogen.
Familienarbeit wird weitgehend von Frauen geleistet. Dazu geben sie ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes oder zur Pflege von Angehörigen in der Regel vorübergehend auf und schränken sie längerfristig ein.
Zwar ist die Erwerbsarbeitsquote von Frauen in den letzten Jahren gestiegen. Aber vor allem Mütter arbeiten in Teilzeit oder in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Damit sind sie zumeist nicht in der Lage, die eigene Existenz wirtschaftlich abzusichern.
"Für Frauen gilt heute immer noch, dass Kinder und Karriere sich eher ausschließen als vereinbaren lassen - aber nicht aufgrund eigener subjektiver Ambivalenzen, sondern aufgrund struktureller äußerer Widerstände."1 Die geschlechtsspezifische Aufgabenteilung ist für Frauen, wirtschaftlich betrachtet, bis heute mit erheblichen Nachteilen verknüpft: Im Falle von Trennung und Scheidung sind sie oftmals, vor allem wenn sie kleine oder mehrere Kinder haben, außerstande, ihre Existenz eigenständig zu sichern. Das veränderte Unterhaltsrecht verschärft dieses Problem nochmals, da die Unterhaltsansprüche wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder 2008 nachrangig eingeordnet und zeitlich schärfer befristet wurden.
Die Unterbrechung, Reduzierung oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit bewirkt, dass das Einkommen von Frauen lebenslang hinter dem der Männer zurückbleibt und oftmals mit Altersarmut von Frauen einhergeht.
Frauen bekommen nicht, was sie verdienen
Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit hatte die Zahl der Minijobs 2011 mit 7,4 Millionen ihren bisherigen Höchststand erreicht. Ende 2012 gab es laut viertem Quartalsbericht 2012 der Minijobzentrale 6,8 Millionen gewerbliche Minijobs und 249.000 in Privathaushalten.
Der Frauenanteil unter den geringfügig Beschäftigten liegt bei 61,7 Prozent!
Das verbreitete Bild der Minijobberin, die nur hinzuverdient und über Einkommen und Sozialansprüche ihres Partners indirekt abgesichert ist, trifft längst nicht immer zu. Im September 2012 waren nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit 1.323.807 der erwerbsfähigen SGB-II-Leistungsberechtigten erwerbstätig (467.142 geringfügig Beschäftigte in Teilzeit) und benötigten ergänzende Transferleistungen.
Eine weitere Hürde für die eigene Existenzsicherung von Frauen ist nach wie vor die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern. Obwohl der Grundsatz der Lohngleichheit im Gesetz verankert ist, verdienen Frauen in Deutschland brutto in der Stunde statistisch gesehen nur 78 Prozent dessen, was Männer verdienen - damit gehört Deutschland zu den europäischen Schlusslichtern in puncto Lohngleichheit.2
Dies ist unter anderem auf folgende Ursachen zurückzuführen:
- Frauen erhalten für gleichwertige Arbeit weniger Geld als Männer.
- Frauen arbeiten häufiger in schlecht bezahlten Branchen und geringer entlohnten Beschäftigungsfeldern (wie Floristik, Friseurhandwerk) - beziehungsweise die Verdienstniveaus von Berufen, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, sind niedriger.
- Das weibliche Berufswahlspektrum ist immer noch eng gesteckt (Frauen wählen selten naturwissenschaftliche oder technische Berufe).
- Typischerweise sind Berufe und Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, schlechter angesehen und bezahlt, auch wenn es dafür keine objektiven Gründe gibt.
- Frauen sind häufiger in kleinen Betrieben tätig, wo generell weniger verdient wird.
- Frauen arbeiten häufiger in mittleren bis unteren beruflichen Positionen als Männer.3
Hinzu kommt, dass Frauen wegen familiär bedingter Berufsunterbrechungen (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen) sehr häufig unterbrochene Berufsbiografien aufweisen, was zu geringeren Aufstiegschancen führt. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist in den letzten Jahren zwar angestiegen, liegt aber dennoch deutlich unter dem der Männer: "Dank der öffentlichen Diskussion und dem politischen Druck in den letzten Jahren ist auch in großen Unternehmen die Sensibilität gewachsen. Die Zahlen steigen langsam: Dennoch waren Ende 2012 in den 200 größten Unternehmen nur 13 Prozent (10,6 Prozent in 2010) der Aufsichtsratspositionen und nur 4 Prozent (3 Prozent in 2010) der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt. Auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung ist das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Führungspositionen noch nicht erreicht."4
In den obersten Bundesbehörden sind heute 15 Prozent der Abteilungsleitungen von Frauen besetzt; auch in der Caritas sind trotz eines hohen Anteils weiblicher Beschäftigter mehr Führungspositionen von Männern als von Frauen besetzt. Die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes hat deshalb 2011 eine Quote von 50 Prozent von Frauen in Führungspositionen beschlossen.5
Somit stecken Frauen immer noch in einem Teufelskreis zwischen Einkommen und familiärer Arbeitsteilung:
Weil die Frauen weniger verdienen, übernehmen sie die Betreuung und Erziehung der Kinder - und weil sie wegen der Kinder die Erwerbstätigkeit unterbrechen (und oft längerfristig reduzieren) verdienen sie weniger und erlangen entsprechend geringe Rentenansprüche.
Familienpflegezeitgesetz: nur ein erster Anlauf
Auch die häusliche Pflege von Angehörigen wird größtenteils von Frauen geleistet. Mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden derzeit zu Hause durch Angehörige und/oder ambulante Dienste versorgt. Viele Angehörige, vorrangig Frauen, stehen vor der schwierigen Aufgabe, Beruf und Pflege miteinander zu vereinbaren. Seit dem 1. Januar 2012 ermöglicht das neue Familienpflegezeitgesetz die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit von Beschäftigten bis zu einem Mindestumfang von 15 Stunden für die Dauer von längstens 24 Monaten zur häuslichen Pflege eines nahen Angehörigen bei gleichzeitiger Aufstockung des Arbeitsentgelts auf bis zu 75 Prozent des vorherigen Gehalts durch den Arbeitgeber. Nach dieser Zeit muss die Arbeit im ursprünglichen Beschäftigungsumfang wiederaufgenommen und der "Lohnvorschuss" zurückgezahlt werden. Da auf die Familienpflegezeit kein Rechtsanspruch besteht, ist für die Inanspruchnahme die Bereitschaft und Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich. Die Arbeitgeber können die ihnen entstehenden Kosten für die Gehaltsvorauszahlung und die Versicherung über ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ausgleichen. Bis zum 28. Januar 2013 wurden lediglich 123 von 147 Anträgen vom BAFzA bewilligt, davon zwei Drittel für Frauen.6
Familienpolitisches Leitbild
Als Leitbild, auf das die Politik schrittweise hinarbeiten sollte, beschreibt die Berichtskommission des ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung: "Wir streben eine Gesellschaft mit Wahlmöglichkeiten an. Die Beschäftigungsfähigkeit von Männern und Frauen wird durch eine gute Ausbildung gesichert. Sie werden befähigt, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und auch eine eigene soziale Sicherung aufzubauen. Die beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen von Frauen und Männern werden gleichermaßen geschätzt und entgolten. Durch eine angemessene Infrastruktur für Kinderbetreuung, schulische Erziehung und Pflege sowie flexible Arbeitszeiten in den Unternehmen wird die Vereinbarkeit für Beruf und Familie gewährleistet. Die Erwerbsverläufe werden durch Optionen auf eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit oder eine vorübergehende und reversible Verkürzung der Arbeitszeit flexibilisiert. Die Gesellschaft unterstützt die Wahrnehmung dieser Optionen zur Kindererziehung und -betreuung, Pflege und Weiterbildung. Es werden insbesondere Anreize gesetzt, damit die Optionen in den gesellschaftlich gewünschten Feldern sowohl von Frauen als auch von Männern genutzt werden. Die Nutzung dieser Optionen darf nicht zu Nachteilen in der Alterssicherung führen."7
Dieses Leitbild ist in wesentlichen Aspekten deckungsgleich mit den im SkF 2009 verabschiedeten familienpolitischen Leitlinien. Der SkF spricht sich darin für eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen und Männern unabhängig von Familienstand und Lebensform aus. Gelebte Gleichberechtigung in Partnerschaft/Familie, Beruf und Gesellschaft sowie die gleichberechtigte Übernahme familiärer Aufgaben sieht der Verband als erstrebenswerte Perspektive. Für Phasen der Reduzierung von Erwerbstätigkeit wegen Erziehung oder Pflege fordert der SkF eine existenzsichernde Ausgestaltung und die Verhinderung nachteiliger beruflicher Konsequenzen.
Um die genannten Ziele zu erreichen, sind vielfältige, aufeinander abgestimmte und zum Teil grundsätzliche Maßnahmen in verschiedenen Rechts- und Politikbereichen erforderlich.
Forderungen des SkF
Kinderbetreuung
Die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen als Ergänzung zum Aufwachsen in Familien ist gesellschaftlich anerkanntes Ziel.
Qualifizierte, bezahlbare, wohnortnahe Betreuungsangebote sollten insbesondere für Kinder unter drei Jahren und für Ganztagsbetreuung im Schulalter ausreichend zur Verfügung stehen. Der nun verstärkte Ausbau der Kindertagesbetreuung muss weitergeführt werden und dabei hohen Qualitätsstandards folgen.
Das Betreuungsgeld sollte überdacht und durch einen qualifizierten Ausbau der Infrastruktur für Familien ersetzt werden.
Erst wenn während der Phasen, in denen auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet oder diese reduziert wird, die eigenständige Existenzsicherung der Betreuungsperson gewährleistet ist und ihr auch rentenrechtlich angemessene Ansprüche für diese Zeit gutgeschrieben werden, kann von wirklicher Wahlfreiheit die Rede sein.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer
Bessere Bedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen infrastrukturelle Maßnahmen wie zum Beispiel den Ausbau qualifizierter Kinderbetreuungsangebote und familienfreundliche Arbeitsbedingungen voraus sowie eine stärkere Beteiligung der Väter an der Haushaltsführung sowie Betreuung und Erziehung der Kinder.
Zudem ist es heute in vielen Familien finanziell notwendig, dass beide Eltern erwerbstätig sind, da die Einkommen in den letzten Jahren tendenziell gesunken sind, nicht existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse zunehmen und Erwerbsbiografien etwa wegen befristeter Arbeitsverträge oder betriebsbedingter Kündigungen zunehmend brüchiger werden.
Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt
Lohngleichheit, die bereits im Gesetz verankert ist, muss bei gleichwertiger Arbeit auch umgesetzt werden.
Die Einführung von Mindestlöhnen, insbesondere in gering entlohnten Beschäftigungsfeldern, die häufig mit einem hohen Frauenanteil einhergehen, ist ein wichtiger Beitrag zur eigenständigen Existenzsicherung von Frauen.
Für die Pflege von Angehörigen ist ein Rechtsanspruch auf eine Familienpflegezeit zu fordern, damit Beschäftigte nicht auf das Entgegenkommen von Arbeitgebern und auf einzelvertragliche oder tarifliche Regelungen angewiesen sind. Eine Ausgestaltung der Pflegezeit vergleichbar mit den Regelungen im Elternzeit-/Elterngeldgesetz ist wünschenswert vor allem im Hinblick etwa auf variable Arbeitszeiten, Lohnersatzleistungen, Mindest- und Höchsteinkommensgrenzen.
Steuerrecht
Die derzeitigen Regelungen des Sozial- und Einkommensteuerrechts (Ehegattensplitting/Steuerklassenkombination III/V) begünstigen aus gleichstellungspolitischer Sicht asymmetrische Rollen- und Partnerschaftsmodelle bezüglich der Sorgearbeit mit nachteiligen Folgen für Frauen. Demzufolge lautet die Handlungsempfehlung aus dem ersten Gleichstellungsbericht die Ehegattenbesteuerung neu zu konzipieren. Vorgeschlagen wird ein Steuerrecht, das vom Prinzip der Individualbesteuerung geleitet wird, wie es überwiegend in Europa üblich ist.
Mit dem hier beschriebenen Maßnahmenpaket könnten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Möglichkeiten für eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen real verbessern.
Anmerkungen
1. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Beruflicher Wiedereinstieg nach der Familiengründung - Bedürfnisse, Erfahrungen, Barrieren. Berlin, 2010, S. 9.
2. Vgl. Destatis: Gender Pay Gap 2012, https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VerdiensteArbeitskosten/VerdienstunterschiedeMaennerFrauen/Aktuell_Verdienstunterschied.html
3. Vgl. BMFSJ (Hrsg.): Neue Wege - Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf - Erster Gleichstellungsbericht. Berlin, 2011, S.137/138.
4. S.a. Rogg, Gertrud: Mehr Frauen an die Spitze. In: neue caritas Heft 19/2011, S. 5, sowie Achmann, Ulrike: Wie mehr Frauen bei der Caritas in Führung gehen. In: neue caritas Heft 19/2011, S. 26-29.
5. BMFSFJ-Homepage, Freitag, 19. April 2013, Frauen in Führungspositionen, www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=88098.html
6. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/12330, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Stand der Umsetzung des Familienpflegezeitgesetzes, 4.2.2013, im Internet abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/123/1712330.pdf
7. BMFSFJ (Hrsg.): Neue Wege - Gleiche Chancen. A.a.O., S. 233 f.