Einbürgerung, Staatsangehörigkeit und Vielfalt
Deutsch oder nicht? Lange galt in Deutschland das Prinzip, dass die hier geborenen Kinder von Ausländer_innen ebenfalls Ausländer_innen sind. Seit dem Jahr 2000 erwerben sie die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren legal in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Bisher mussten sich diese Kinder als junge Erwachsene entscheiden, ob sie die deutsche oder die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten.
Wie aber fühlt es sich an, sich gegen die Staatsangehörigkeit der Eltern zu entscheiden? Das ist fast so, als sollte man sich für einen von zwei Familienzweigen entscheiden. Es stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Heimat. Ist Heimat die Familie, oder das Land, in dem jemand lebt?
Diese Regelung hieß "Optionspflicht" und wurde mit Wirkung zum 27. Juni 2024 abgelöst durch die "Hinnahme der Mehrstaatigkeit" - besser bekannt als sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft. Damit können diese Kinder auch als Erwachsene die deutsche und die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten. In jedem Falle eine mindestens emotionale Entlastung für viele Menschen in Deutschland. Gleichzeitig wurde auch der Zeitraum, den mindestens ein Elternteil vor der Geburt rechtmäßig in Deutschland gelebt haben muss, auf fünf Jahre verkürzt.
Welchen Einfluss hat die "Hinnahme der Mehrstaatigkeit" auf die Einbürgerung von Ausländer_innen?
Die "Hinnahme der Mehrstaatigkeit" betrifft alle Ausländer_innen, die eine Einbürgerung anstreben. Sie dürfen dadurch ihre bestehende Staatsangehörigkeit behalten, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen. Die Anforderungen an die Identifikation mit Deutschland und Loyalität zu seinen Werten wurden erhöht. Außerdem belegen Studien, dass die Akzeptanz der doppelten Staatsbürgerschaft den Einbürgerungswillen und damit einhergehend die Identifikation mit dem Aufenthaltsland erhöht.
Welche Voraussetzungen gelten für die Einbürgerung?
Die Voraussetzungen für die Einbürgerung von Ausländer_innen sind nach wie vor zahlreich. Werden sie erfüllt, besteht ein Anspruch auf Einbürgerung (wobei insbesondere bei Härtefällen oder politischem Interesse nach Ermessen auf einzelne oder mehrere Voraussetzungen verzichtet werden kann).
Zu den Voraussetzungen gehört ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, das auch ein Bekenntnis zur historischen Verantwortung Deutschlands umfasst. Nicht eingebürgert werden kann, wer durch antisemitisches oder generell menschenverachtendes Handeln gegen die Grundordnung verstößt oder durch Straftaten oder durch sein Verhalten (z.B. Führen einer Mehr-Ehe) zeigt, dass er oder sie sich nicht an die Regeln hält.
Die Identität und die Staatsangehörigkeit müssen geklärt und (von wenigen Ausnahmen abgesehen) ausreichende Deutschkenntnisse nachgewiesen sein. Der Lebensunterhalt muss ohne Bürgergeld oder Sozialhilfe gesichert sein, außer es handelt sich um als Gast- oder Vertragsarbeiter_innen eingereiste Personen und um aufstockende Arbeitskräfte, die in den letzten zwei Jahren überwiegend in Vollzeit erwerbstätig waren.
Es wird auch ein bestehendes Aufenthaltsrecht vorausgesetzt, wobei einige humanitäre Aufenthaltserlaubnisse ausgeschlossen sind. Auch bei Aufenthaltserlaubnissen zum Zweck der Ausbildung oder zum Studium wird unterstellt, dass der Aufenthalt nicht von Dauer ist und eine Einbürgerung ist ausgeschlossen.
In der Regel können Menschen mit einem fünfjährigen legalen Aufenthalt in Deutschland eingebürgert werden (Einbürgerungsfrist). Bei besonders guten Deutschkenntnissen und ehrenamtlichem Engagement kann die sogenannte Voraufenthaltszeit um drei Jahre verkürzt werden.
Wie viele Menschen in Deutschland haben mehrere Staatsbürgerschaften?
Derzeit leben in Deutschland rund 84,5 Millionen Menschen. Von den 72 Mio Deutschen haben 2,7 Mio entweder durch Abstammung oder Geburt in Deutschland oder wegen einer Ausnahme bei der Einbürgerung mehrere Staatsangehörigkeiten. Dazu gehören zum Beispiel EU-Bürger_innen, Schweizer_innen oder Personen, bei denen der Herkunftsstaat sie nicht entlässt oder die Eltern unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten haben.
Wie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich ab?
Lange galt in Deutschland die Maxime, die doppelte Staatsbürgerschaft möglichst zu vermeiden. Mit der Akzeptanz von Mehrstaatigkeit folgt Deutschland einem internationalen Trend: Nicht nur klassische Einwanderungsländer wie Kanada und die USA, sondern auch die meisten Mitgliedsstaaten der EU akzeptieren mittlerweile die doppelte Staatsbürgerschaft. In einzelnen Ländern, wie z.B. Österreich und Estland, wird sie noch sehr restriktiv gehandhabt.
Mit der Fristsenkung des Voraufenthalts als Voraussetzung für Einbürgerung verlagert sich Deutschland von der Gruppe von Staaten mit restriktiven Einbürgerungsregeln (darunter die Schweiz und Dänemark) mehr ins Mittelfeld. Fünf Jahre sind z. B. Voraussetzung in Frankreich, Finnland, den Niederlanden und den USA. In Irland und Kanada sind es drei Jahre.
Wie wird man Deutsche_r?
Deutsche_r wird man durch
Abstammung von
- einer deutschen Mutter
- oder einem deutschen Vater, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter
- verheiratet war oder die Vaterschaft anerkannt hat. Hat ein Elternteil eine andere Staatsangehörigkeit, wird das Kind Doppelstaatler_in.
Einbürgerung bei
- Personen, die als Ausländer_innen eingewandert und mindestens fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland leben
- oder Personen, die in Deutschland geboren sind, deren Eltern aber die Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt nicht erfüllen
Geburt,
- wenn sich mindestens ein ausländisches Elternteil mindestens fünf Jahre lang mit unbefristetem Aufenthaltsrecht in Deutschland aufgehalten hat. Damit sind unter anderem die Kinder von Asylbewerber_innen oder von Geduldeten vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen.
Einreise
- nach Deutschland bei Personen mit deutscher Volkszugehörigkeit (Spätaussiedler_innen) und deren einbezogene Familienangehörigen
Können Menschen aus Deutschland ausgebürgert werden?
Der Artikel 16 des Grundgesetztes GG verbietet den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit und damit eine sogenannte Ausbürgerung, um Willkür zu verhindern. Die freiwillige Aufgabe der Staatsangehörigkeit ist möglich.
Wenn die Einbürgerung durch Täuschung erschlichen wurde, kann sie zurückgenommen werden. Auch durch Eintritt in eine fremde Streitmacht kann die deutsche Staatsangehörigkeit verloren werden, es sei denn, dies würde zu Staatenlosigkeit führen.
Quellen:
- https://www.bundestag.de/resource/blob/957282/2321f5cd7728b2fb2e04964c34d1d83b/WD-3-180-22-pdf-data.pdf
- https://www.dw.com/de/wie-h%C3%A4lt-es-europa-mit-dem-doppelpass/a-63927440
- https://www.kas.de/de/kurzum/detail/-/content/staatsangehoerigkeitsrecht-im-internationalen-vergleich
- https://www.migrationdataportal.org/de/themes/staatsbuergerschaft-und-migration
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/_inhalt.html