Auf dem Weg zur gelebten Inklusion
Klaus-Peter Bomba kommt spät nach Hause. Er hat ja einen eigenen Schlüssel, wie alle hier im Haus. Die elf Bewohner leben seit der Eröffnung zu Ostern 2013 hier in Zweier-Appartements oder auch ganz alleine. Alle haben eine geistige Behinderung. Die meisten wohnten früher im großen Christophorus-Haus, mit insgesamt fast 50 Menschen, weit außerhalb der Stadt. "Hier ist es viel besser!", ruft Nicole Sieren über den Kaffeetisch in der Gemeinschaftsküche, und alle anderen nicken. Im Jahr 2012 kam ihre große Chance. Der Caritasverband Warendorf, auch Träger des Christophorus-Hauses, plante im Zuge der Umwandlung von Großeinrichtungen in kleinere Wohnprojekte ein neues Haus in Ennigerloh, mitten im Ort. Ein Haus mit Backsteinfassade, das sich in die Nachbarschaft einfügt, in dem auch drei Familien wohnen könnten. Der Marktplatz ist nicht weit, Supermarkt und Bäcker liegen um die Ecke, die Straße ist gediegen und ruhig. Das große Christophorus-Haus wird nach und nach verkleinert.
Mehr Selbstbestimmung statt Fürsorge
"Wir wollen dem betreuten Wohnen so nahe wie möglich kommen", sagt Manfred Lensing-Holtkamp, der die neue Einrichtung leitet. Das gesamte Haus und fünf der Zimmer sind rollstuhlgerecht. Die Appartements für je ein bis zwei Personen sind über drei Etagen verteilt und mit eigenen Küchen ausgestattet. Die Bewohner können von hier aus zu Fuß einkaufen gehen, und es ist einfacher geworden, Besuche zu empfangen. Nicole Sierens Freund kommt immer am Wochenende. Auch Kontakte zu möglichen Arbeitgebern lassen sich leichter knüpfen. Michael Niehues zum Beispiel konnte ein Praktikum im Drogeriemarkt nebenan machen, Ludger Micke wird beim örtlichen Stromversorger zum Energieberater ausgebildet. Wenn er fertig ist, will er Bewohnern in anderen Einrichtungen beim Stromsparen helfen. Mit einem benachbarten Altenheim werden außerdem Spielenachmittage geplant. "Das sind alles Dinge, die viel einfacher sind, wenn man im Ort lebt und bekannt ist", sagt der Einrichtungsleiter. Die Bewohner organisieren und gestalten so weit wie möglich ihren Alltag selbst. Ab und zu unterstützt sie ein Betreuer, der dann an Termine erinnert oder bei Streitigkeiten schlichtet. Es gibt Hilfestellung, wenig Kontrolle. Nachts schläft in der Dachkammer immer einer der sieben Mitarbeiter, die sich vier volle Stellen teilen - nur für den Fall, dass es ein Problem gibt. Aber das ist selten.
50 Jahre Aktion Mensch: Schon viel erreicht – noch viel mehr vor
Um das das selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung weiter voran zu bringen, hat Aktion Mensch im Jubiläumsjahr auch ein neues Förderprogramm Wohnen aufgesetzt. Noch stärker als bisher werden darin Anreize für kleine, individuelle Wohnformen mitten in der Gemeinde gesetzt.
Das Wohnprojekt Ennigerloh, Wohnheim mit betreutem Wohnen für elf Menschen mit Behinderung, ist eines der beschriebenen Projekte in der Förderbroschüre "Gemeinsam wohnen".