Armut und Ausgrenzung: auch ein europäisches Thema
Schon länger beschäftigen sich EU-Politikerinnen und -Politiker mit der Frage von Mindestsicherungsstandards innerhalb der Europäischen Union. Wenngleich die 27 europäischen Mitgliedsstaaten, ihre Wirtschaft und ihre sozialen Strukturen sehr unterschiedlich sind - Bürgerin oder Bürger der EU zu sein, muss auch bedeuten, dass man ein Mindestmaß an finanzieller und sozialer Sicherung erfährt. Schon vor der Covid 19-Pandemie verfügten die allermeisten EU-Mitgliedstaaten jedoch über keinen ausreichenden Mindestsicherungsschutz. Die Pandemie hat die Diskussionen über solche Mindeststandards befeuert, denn das Virus verstärkt Armut und soziale Ausgrenzung und stellt die Frage der Armutsbekämpfung akut in den Vordergrund.
Caritas setzt sich für eine EU-Rahmenrichtlinie ein
Im Oktober 2020 haben die EU-Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen zur Stärkung der Mindestsicherung in der EU angenommen. Mitgliedstaaten und die EU-Kommission werden darin ersucht, bestehende Lücken bei der Sicherung von Mindesteinkommen zu schließen. Dafür sollen sie unter anderem EU-Fonds wie den Europäischen Sozialfonds Plus und das Aufbauinstrument "Next Generation EU" effizient einsetzen.
Der Deutsche Caritasverband setzt sich ebenso wie sein europäisches Netzwerk Caritas Europa dafür ein, einen rechtsverbindlichen EU-Rahmen für Grundsicherungssysteme zu schaffen, zum Beispiel in Form einer EU-Richtlinie. Ein rechtsverbindlicher EU-Rahmen würde nicht heißen, dass es überall gleich aussieht - es ist keine Harmonisierung angestrebt - und auch nicht, wie von manchen befürchtet, dass eine Nivellierung nach unten stattfindet: Mitgliedstaaten hätten immer noch die Möglichkeit, Regelungen zu erlassen, die über die Mindeststandards hinausgehen.
Die jüngsten Schlussfolgerungen sind aus Caritas-Perspektive ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zwar sind Ratsschlussfolgerungen unverbindlich; da sie jedoch von den EU-Mitgliedstaaten einstimmig verabschiedet werden müssen, sind sie ein wichtiges politisches Signal. Wir hoffen, dass dieser Impuls von den nächsten EU-Ratspräsidentschaften - nach Deutschland sind im Jahr 2021 Portugal und Slowenien dran - aufgegriffen und weiterverfolgt wird.
Gerechte Mindestlöhne
Eng verknüpft mit der Frage der Mindestsicherung ist das Thema Mindestlöhne. Denn zur Absicherung der Menschen gehört in erster Linie eine gerechte Entlohnung von Arbeit. Nicht zufällig sind niedrige Einkommen einer der "Big Six", der sechs Hauptauslöser von Überschuldung.
Auch zum Thema Mindestlöhne steht aktuell ein EU-Rahmen in der Diskussion. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit einen solchen Rahmen in Aussicht gestellt, bis Anfang September 2020 liefen dazu Gespräche mit den Sozialpartnern auf EU-Ebene. Ein Vorschlag der EU-Kommission für faire Mindestlöhne wird noch in diesem Monat erwartet.