Als Gesellschaft zusammenhalten und Probleme wirklich lösen
Solche und andere Missstände werden oft polarisierend mit Zuwanderung erklärt - ohne echte Lösungen zu nennen. Sachlichkeit und Menschlichkeit sind gefragt.
Mehrfache Belastung der Kommunen
Die hohe Zahl von geflüchteten Menschen aus der Ukraine und steigende Zahlen Asylsuchender führen vor allem in den Kommunen zu Belastungen. Immer wieder müssen vor Ort Notlösungen gefunden werden, die nicht zufrieden stellen und Konflikte schüren. Dabei sind die Probleme je nach Lage unterschiedlich ausgeprägt. In einigen Regionen und Städten herrscht Wohnungsnot, in anderen Wohnungsleerstand, insbesondere in den östlichen Bundesländern. Jedoch: Die grundlegenden sozialpolitischen Probleme wären immer noch da, wenn es von heute auf morgen keine Migration mehr gäbe. Es fehlen bundesweit wegen Personalmangels und mangelhafter Ausstattung ca. 400.000 Kita-Plätze, und auch der Mangel an Lehrer_innen wird sich wohl weiter verschärfen, weil seit Jahren mit zu geringen Prognosen der Schüler_innenzahl gearbeitet wird.
Einfache Lösungen - oder Ablenkung?
Viele der öffentlich diskutierten Vorschläge der Politik, um Zuwanderung einzuschränken, stellen keine wirkliche Lösung dar. Dafür lenken sie aber ab von den echten Herausforderungen in der Sozialpolitik und in der Bewältigung des Klimawandels.
In der Vergangenheit wurden immer wieder Verschärfungen im Asyl-/Ausländerrecht beschlossen, ohne die Zahlen dauerhaft zu senken. Nun hört man reden von flächendeckender Bewachung der Grenzen, Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, Austritt aus der EU. Eine Bewachung der Grenze würde aber nicht automatisch zu weniger Asylbewerber_innen führen, da sie nicht einfach an der Grenze zurückgewiesen werden dürfen. Wenn das Grundrecht auf Asyl abgeschafft würde, müsste der Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention und nach EU-Recht trotzdem geprüft werden. Nach einem Austritt aus der EU bliebe immer noch die Genfer Flüchtlingskonvention. Und ob der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz) an der Grenze endet, ist noch gar nicht diskutiert.
Brutale Abschottung: Wider alle Menschlichkeit
Zuwanderung begrenzen zu wollen, wie vom ehemaligen Bundespräsidenten Gauck gefordert, ist aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes moralisch nicht verwerflich. Die geforderte Abschottung hingegen klingt nicht nur brutal, sondern ist brutal: das zeigt das Elend an der Grenze von Polen zu Belarus, Gestrandete u.a. in Bosnien, Tote im Mittelmeer. Wenn Flüchtlinge in Umsetzung von Migrationsabkommen in Tunesien in der Wüste ausgesetzt werden, ist das Elend und das Sterben weniger sichtbar - und dennoch in der Welt. Wer von Humanität nicht nur spricht, sondern sie auch leben will, muss akzeptieren, dass Verantwortung nicht ausgelagert werden kann.
Scheindebatten und Ermüdung
Die wiederkehrenden politischen Scheindebatten über scheinbar einfache Lösungen werden zu Lasten von vielen Schutzbedürftigen und zunehmend auch von anderen Eingewanderten und ihren Nachkommen ausgetragen. Sie führen zu Unverständnis, Politikverdrossenheit und Abnutzung der Engagementbereitschaft einer Bevölkerung, die sowieso schon erschöpft ist. Ein Krieg in der Nachbarschaft, dadurch gestiegene Energiekosten und Lebensmittelpreise, Inflation - und das nach Jahren der Krise, von Banken über Euro bis Corona.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gefährdet
Die seit Jahren zunehmend aggressive und menschenfeindliche Tonalität und die Polarisierung gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb sind wir dazu aufgerufen, die Debatte sachlich und weitsichtig zu führen, Probleme zu benennen und soweit möglich zu lösen, unsere (Mit)Menschlichkeit zu wahren sowie unsere Werte zu schützen. Nur wer das Problem richtig beschreibt, kann Lösungen suchen. Gegen Populismus und gegen Rechtsextreme brauchen wir klare Worte mit einer klaren Positionierung. Gerade jetzt brauchen wir zugleich Mäßigung, Versachlichung, Erklärungen, Weitsichtigkeit und Solidarität.
Zeit für Rückbesinnung auf gemeinsame Werte
Unser Grundgesetz, Humanität und Menschenrechte sind Maßstäbe, an denen sich die Politik messen lassen muss, sonst gerät der gesamte Wertekanon unserer Rechtsordnung und Demokratie ins Wanken. Hetze darf nicht salonfähig werden, sonst ist der Zusammenhalt in Deutschland in seinen Grundfesten gefährdet. Nichts weniger steht auf dem Spiel. Das sollten wir auch bei den nun anstehenden Europa-, Landtags- und Kommunalwahlen bedenken. Gehen Sie wählen!
Für Vielfalt und Akzeptanz
Eingewanderte und ihre Nachkommen sind keine Bittsteller, sondern Teil unserer Gesellschaft. Unsere Nachbarn unterscheiden sich von uns, weil wir alle individuell sind - unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Kultur. Jeder Mensch ist anders und verdient Respekt. Die Caritas tritt ein für Offenheit, Vielfalt und Akzeptanz. Machen Sie mit!
Quellen und weiterführende Hinweise:
- https://www.deutschlandfunk.de/zuwanderung-begrenzen-ist-moralisch-nicht-verwerflich-und-politisch-geboten-100.html
- Zum (schwindenden) gesellschaftlichen Zusammenhalt:
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/gesellschaftlicher-zusammenhalt - Es fehlen bundesweit insbesondere wegen Personalmangel, aber auch wegen mangelhafter Ausstattung ca. 400.000 Kita-Plätze:
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2022/oktober/2023-fehlen-in-deutschland-rund-384000-kita-plaetze - Zum zunehmenden Lehrermangel, der sich wohl weiter verschärfen wird, weil seit Jahren mit zu geringen Prognosen zur Schülerzahl gearbeitet wird:
https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/lehrermangel-bleibt-bundesweit-ein-problem/ - Wie wir wohnen:
https://www.deutschlandatlas.bund.de/DE/Service/Kartensuche/kartensuche_node.html?cms_filter=WieWirWohnen - https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/tunesien-fluechtlinge-wueste-migrationsabkommen-100.html