"Die lange geplante Reform der Kinder- und Jugendhilfe steht kurz vor ihrem Abschluss. Sie bringt viele Verbesserungen, für die wir uns seit Jahren eingesetzt haben. Nun hoffen wir, dass das Gesetzgebungsverfahren zeitnah erfolgreich zu Ende geführt wird," so Caritas-Präsident Peter Neher anlässlich der heutigen Anhörung zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz im Familienausschuss des Bundestages. "Es gibt allerdings an einigen entscheidenden Stellen Nachbesserungsbedarf," so Neher weiter.
Positiv zeichnet die SGB VIII-Reform aus, dass sie Eltern und Kindern mehr Beteiligungsmöglichkeiten gewährt - Kinder erhalten zum Beispiel einen uneingeschränkten Anspruch auf Beratung durch die Kinder- und Jugendhilfe sowie Beschwerdemöglichkeiten bei Ombudsstellen. Ausdrücklich zu begrüßen ist auch, dass es Beschwerdemöglichkeiten und Gewaltschutzkonzepte künftig nicht nur für Kinder in Einrichtungen, sondern auch für Pflegekinder geben wird.
Nachbesserungsbedarf bei der Schulsozialarbeit
Der DCV vermisst im Reformpaket allerdings Regelungen zur Schulsozialarbeit. "Gerade nach Wochen des Lockdowns ist erkennbar geworden, wie wichtig Schulsozialarbeit ist, um Kinder mit ungünstigen Startchancen in ihrer Entwicklung zu begleiten," so Neher. Wie intensiv Sozialarbeit an Schulen stattfindet, ist in Deutschland sehr unterschiedlich geregelt. Die Reform sollte dazu genutzt werden, dieses wichtige sozialpädagogische Angebot bundesweit zu regeln". Schulsozialarbeit fördert Schülerinnen und Schüler in ihrer individuellen, sozialen und schulischen Entwicklung. Sie hilft, Bildungsbenachteiligung entgegenzuwirken sowie das Zusammenleben in der Schule mit zu gestalten und steht auch Eltern zur Seite.
Kinder- und Jugendhilfe inklusiv gestalten
Aktuell ist oft nicht geklärt, ob bei Maßnahmen für Kinder mit Behinderung Eingliederungshilfe oder Jugendamt zuständig sind. Nicht selten verspätet sich durch zermürbende Zuständigkeitsstreitigkeiten der Zugang zu Leistungen. Die Reform sieht vor, dass die Jugendämter ab dem Jahr 2028 für alle Kinder zuständig sein sollen. Die Familien können aber nicht so lange warten. Wir fordern, dass bereits mit Verabschiedung des Gesetzes ab 2021 die vorgesehenen "Verfahrenslotsen" eingesetzt werden, die Familien dabei unterstützen, die notwendigen und passgenauen Leistungen zu erhalten.
Geistig und körperlich beeinträchtigte Kinder und ihre Familien müssen gleichberechtigt Zugang zu allen Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sowie die passende individuelle Förderung erhalten. Das ist aktuell nicht der Fall: Viel zu viele Angebote sind für Kinder mit Behinderung nicht barrierefrei zugänglich, Informationen, Verfahren und Abläufe sind nicht inklusiv gestaltet.
Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder
Dringenden Anpassungsbedarf sieht der Deutsche Caritasverband auch bei der Weiterentwicklung der sogenannten Gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder. Diese Wohnformen unterstützen Mütter und Väter, die mit der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder überfordert sind.
"Es ist wichtig, dass nicht nur ein Elternteil Anspruch auf diese Leistung hat - wie dies bisher der Fall ist - sondern auch der zweite Elternteil in den Hilfeprozess einbezogen werden kann," unterstreicht Präsident Neher. Darüber hinaus sollte es im Fall einer Trennung vom Kind möglich sein, dass Eltern für einen angemessenen Zeitraum in der Wohnform verbleiben, um Perspektiven zu entwickeln.
Mehr Informationen
Das Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) regelt auf Bundesebene die Kinder- und Jugendhilfe, d.h. Förder-, Unterstützungs- und Hilfeangebote für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern. Der Reformentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG)) kommt voraussichtlich am 26. März in die zweite und dritte Lesung im Bundestag, in Kraft gesetzt werden könnte das Gesetz nach Zustimmung des Bundesrats im Mai. Der Bundesrat hat in einer Stellungnahme am 12. Februar auf Nachbesserungsbedarf in mehreren Punkten hingewiesen. Hier geht es zur Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW).