Kinderhospizarbeit: Reden tut not
Essen. Seit 2006 wird am 10. Februar bundesweit der Tag der Kinderhospizarbeit begangen. Ziel ist es, über die Arbeit zu informieren und neue ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zu gewinnen. Eine dieser Helferinnen ist Beatrix Zumbrink, die seit elf Jahren für das KinderPalliativNetzwerk Essen (KPN) aktiv ist.
Einmal in der Woche besucht sie eine Familie, in der ein Kind lebensverkürzend erkrankt ist - im Klartext: das in absehbarer Zeit sterben wird. Puuh - was für ein Brett! Ist das nicht eine zutiefst deprimierende Aufgabe? Beatrix Zumbrink schüttelt energisch den Kopf: "Im Gegenteil: Es ist bereichernd und aufbauend - ich habe so viele schöne Dinge in der Zeit erlebt, die ich auf keinen Fall missen möchte."
Vor elf Jahren hat sie in einem Zeitungsartikel gelesen, dass ehrenamtliche Helfer für das KPN gesucht würden. Den Artikel hat sie ausgeschnitten und an die Pinnwand in der Küche gehängt, damit ihr Mann und ihr Sohn ihn schon mal lesen konnten. Zwei Tage hat sie hin und her überlegt, dann hat sie ihrer Familie offenbart: "Das will ich machen, das ist mein Ding!" Ihr Ehemann hat sofort zugestimmt, ihr damals 17-jähriger Sohn Patrick machte zur Bedingung, dass "die Tätigkeit sie nicht zu traurig" machen dürfe. Das hat sie versprochen - und auch gehalten.
Im Alltag helfen und einfach da sein
Beatrix Zumbrink (59) arbeitet seit elf Jahren ehrenamtlich für das KinderPalliativNetzwerk (KPN) Essen. Neben der Begleitung der Familien von lebensverkürzend erkrankten Kindern engagiert sie sich in der Öffentlichkeitsarbeit: "Wir scheuen uns viel zu sehr, über das Sterben von Kindern zu sprechen."Sven Lorenz
Denn traurig wirkt Beatrix Zumbrink nicht - im Gegenteil. Neben ihrem Vollzeit-Beruf als Notariatsleiterin besucht sie derzeit eine Familie mit vier Kindern, in der das zweitälteste schwer erkrankt ist. "Mal beschäftige ich mich mit dem erkrankten Kind, mal mit den gesunden Geschwistern, damit diese aufgrund der Erkrankung der Schwester nicht zu kurz kommen."
Immer wieder unterstützt sie aber auch die Eltern: "Oft bin ich beim Ausfüllen von Anträgen behilflich, damit dringend benötigte Hilfsmittel bestellt werden können, oder suche den Kontakt zu unterschiedlichen Ämtern, die ebenfalls unterstützend eingreifen können." Bisweilen sind es scheinbar banale, aber doch so wichtige Dinge, die durch ihren Besuch ermöglicht werden: "Nachdem die Mutter Vertrauen zu mir gefasst hatte, hat sie sich in der Zeit, in der ich da war, einfach mal hingelegt, weil sie wegen der Krankheit des Kindes unter einem nahezu chronischen Schlafmangel litt. Auch so kann Hilfe aussehen!"
Kinder und Tod - ein Tabuthema
Das Thema Kinder und Sterben ist in der Öffentlichkeit noch immer ein Tabu. Während Info-Stände von Erwachsenen-Hospizen oft umlagert sind, ist es beim KPN oft sehr ruhig. "Vielleicht ist es so, dass am Thema Interessierte eher die eigenen Eltern oder ältere Verwandte im Blick haben und schon mal vorsorglich Informationen haben wollen", vermutet Beatrix Zumbrink. Doch das Schicksal der lebensverkürzt erkrankten Kinder, das ihr in besonderer Weise am Herzen liegt, gerät dabei ein wenig aus dem Blick.
Vorbereitungskurs für Ehrenamtliche
Angst vor einer Überforderung brauchen neue Ehrenamtliche nicht zu haben. "Man wird nicht einfach ins kalte Wasser geworfen, sondern in einem mehrmonatigen Vorbereitungskurs intensiv für die Aufgabe geschult", berichtet Zumbrink. Zudem gibt es monatliche Treffen der derzeit rund 50 bis 60 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. "Hier tauschen wir uns untereinander aus, geben einander Hilfestellung - fangen einander auf, wenn es tatsächlich mal schwierig wird."
Gesucht werden aber nicht nur Menschen, die bereit sind, die Begleitung der Familien zu übernehmen. "Wir machen zum Beispiel Frauenfrühstücke, Geschwistertreffen, Väterstammtische und Familienausflüge", erzählt Zumbrink, "wir bieten den Familien einen bunten Blumenstrauß an Hilfsmöglichkeiten an, aus dem sie sich bedienen können."
Namenssteine erinnern an verstorbene Kinder
Beatrix Zumbrink hilft gerne, sagt aber von sich, dass sie kein "Helfersyndrom" habe. "Bislang hat es das Leben sehr gut mit mir und meiner Familie gemeint. Da bin ich froh, dass ich etwas zurückgeben kann. Aber ich kann mich auch gut abgrenzen." Und wenn ihr ein Besuchstag doch einmal emotional sehr nahe geht, hat sie Strategien entwickelt, um damit umzugehen: "Manchmal höre ich bei der Rückfahrt laute Rockmusik im Radio oder mache im Anschluss einen langen Waldspaziergang."
Einmal im Jahr wird eine Gedenkfeier für die verstorbenen Kinder veranstaltet, bei der Steine mit deren Namen in einen stilisierten Fluss im Garten der Geschäftsstelle des KPN gelegt werden. Der Gedanke an den Tod lässt sich bei den wöchentlichen Familienbesuchen nicht verdrängen - das soll er auch nicht. Doch er ist nicht allgegenwärtig und trübt keinesfalls die Stimmung: "Wenn ich ,meine‘ Familie besuche, denke ich oft: ‚Heute wird nicht gestorben, heute werden Kastanien gesammelt oder es wird Monopoly gespielt‘."
Info: Kinderhospizdienst
Das KinderPalliativNetzwerk Essen (KPN), in Trägerschaft der Caritas-SkF-Essen gGmbH, ist ein ambulantes Angebot für Familien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einer lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Der Dienst unterstützt Familien im Alltag und bietet Foren für den Austausch der Familien untereinander. Von der Diagnosestellung bis über den Tod des Kindes hinaus bietet das Netzwerk den Familien Beratungs-, Begleitungs- und Entlastungsangebote. Dazu gehören die Versorgungsorganisation und -koordination, die psychosoziale und Pflegeberatung, die pflegerisch-ärztliche Versorgung durch das Kinder-Palliativ-Team und die Trauerbegleitung.
Text: Hubert Röser