Willkommenskultur hat ein Gesicht
Was war Ihr Motiv, in der Flüchtlingsarbeit aktiv zu werden?
Ich habe zwei Motive: Schon früher hatte ich mir vorgenommen, nach dem Eintritt ins Rentenalter etwas Nützliches im sozialen Bereich zu machen. Zweitens: der grauenvolle Bürgerkrieg in Syrien und das Elend der Flüchtlinge, dem die Staatengemeinschaft hilflos zuschaut. Da die internationale Politik offenbar machtlos ist, wollte ich wenigstens in ganz kleinem Maßstab helfen: syrische Flüchtlinge sollen sehen, dass es Hilfsbereitschaft gibt und dass sie in Deutschland willkommen sind.
Wie fanden Sie den ersten Kontakt zu den Flüchtlingen?
Ich hatte vor Weihnachten gehört, dass auch im Saarland syrische Flüchtlinge angekommen waren. Also rief ich beim Caritasverband Saarbrücken an und fragte, ob man helfen kann. ..
Mit welchem Ziel haben Sie die Arbeit begonnen?
Ich verstehe unter Integration, dass die Zuwanderer nach einer gewissen Zeit möglichst eigenständig sind, das heißt: dass sie beruflich und gesellschaftlich am normalen Leben hier in Deutschland teilhaben können. Der Integrationsprozess wird ja vom Staat durch Sprachkurse und anderes gefördert. Ich sehe meine Aufgabe als Lotse darin, diesen Prozess positiv zu begleiten und Hindernisse abzubauen.
Was tun Sie als "Integrationslotse"?
Der Migrationsdienst des Caritasverbands Saarbrücken hilft den Flüchtlingen bei Behördengängen, bei der Beantragung der Grundsicherung und der Anmeldung zum Sprachkurs. Als "Integrationslotse" ergänze ich diese Hilfen, das heißt, ich gebe den Flüchtlingen Orientierungshilfe und versuche, sie aus der isolierten Lage im Übergangswohnheim herauszuholen. Man muss sich mal in ihre Lage versetzen: getrennt von der Heimat und den Angehörigen, in völlig fremder Umgebung, eine fremde Sprache - da wird jede Hilfe gerne angenommen.
Was haben Sie denn bisher konkret mit den Zuwanderern gemacht?
Nach dem ersten Kennenlernen habe ich versucht, den fünf jungen Syrern, die ich betreue, an Hand von Stadtplan und Karten einige Grundinformationen über Saarbrücken, das Saarland und Deutschland zu vermitteln. Wir haben Kontakte zur Stadtbibliothek Saarbrücken, zu Sportvereinen und auch zur Studienberatung der Universität geknüpft, weil einige an einem Studium interessiert sind. Ich bringe ihnen regelmäßig Ausgaben der Saarbrücker Zeitung mit sie sich z. B. über den Wohnungsmarkt informieren können. Denn die Flüchtlinge sollen nach der ersten Übergangsphase selbst eine Wohnung finden, was für Ausländer nicht so einfach ist.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen?
Wir haben hier im Saarland eine sehr gute Infrastruktur an Bildungseinrichtungen, Vereinen und sozialen Institutionen. Man braucht diese nur anzusprechen, und die Hilfsbereitschaft ist überaus groß. Die freuen sich, wenn ihre Angebote und ihre Fachkompetenz gefragt sind und wenn sie damit bei der Integration helfen können. Darin sehe ich die eigentliche Aufgabe der Integrationslotsen: dass sie nachhaltige Kontakte zwischen den Zuwanderern und "nützlichen" Institutionen herstellen. Dadurch wird Isolation abgebaut, das ist praktische Integration. Ich habe den Eindruck, dass das von den jungen Syrern gut angenommen wird.
Wie geht es weiter?
In einigen Monaten werden die jungen Zuwanderer relativ gut Deutsch sprechen und verstehen können. Dann wird es darum gehen, dass sie einen Arbeitsplatz finden, eine Zusatzausbildung oder ein Studium beginnen. Das alles ist nicht einfach, da sind noch genug Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Hier kann sich der Lotse weiter nützlich machen: zum Beispiel bei der Jobsuche praktische Tipps geben oder vielleicht bei Betrieben oder Geschäften, die man kennt, dafür werben, einem jungen Zuwanderer eine Chance zu geben, und sei es nur zur Probe. Dabei kann jeder Lotse seine Kontakte und Ideen einbringen. Hauptsache - das Ziel wird erreicht: eine eigenständige Person, die von fremder Hilfe weitgehend unabhängig ist.
Interview: Stephan Franz