Keine moderne Sklaverei!
Das Oldenburger Land weist nahezu Vollbeschäftigung auf - Ergebnis eines erstaunlichen Wirtschaftsbooms. Aber nicht alle Arbeit ist auskömmlich. Wer genau hinschaut, wird in manchen Branchen problematische - weil schlecht bezahlte - Formen von Leiharbeit finden. Der Missbrauch der Werkverträge zur Umgehung von sozialen Mindeststandards wird zu Recht seit Monaten heiß diskutiert. "Ausbeutung", "moderne Sklaverei": Wer die Wirklichkeit auf manchen Großschlachthöfen sieht, kommt unwillkürlich auf diese Begriffe.
Offenkundig werden Gesetzeslücken ausgenutzt. Das zunächst legale Instrument der "Werkverträge" wird zur Umgehung von Tarifen genutzt. Konkret: Mit osteuropäischen Subunternehmen werden "Werkverträge" geschlossen. Sie verrichten bestimmte Gewerke, die ein Produktionsbetrieb fremdvergibt. Immer wieder höre ich: "Für drei Euro die Stunde", "Für 4,50 Euro die Stunde" oder sogar "100 Euro für eine 60-Stunden-Arbeitswoche".
2010 haben in Deutschland vier Millionen Menschen für einen Stundenlohn unter sieben Euro gearbeitet. Seit 2005 sind die Ausgaben der Kommunen für sogenannte Aufstocker, die trotz Arbeit in Armut leben, um 400 Prozent gestiegen. 25 Prozent der Arbeitsverhältnisse sind im Niedriglohnbereich. Existenzsichernde Löhne sind jedoch die Grundlage für eine sozial gerechte Gesellschaft!
Einflussreiche Stimmen fordern immer wieder Tarifautonomie ein, das "freie Spiel der Kräfte" des Arbeitsmarktes. Wer soll sich da gegenübersitzen in den Betrieben, in denen Gewerkschaften und Betriebsräte nicht zugelassen sind? Rechte und Gerechtigkeit sind nicht teilbar in dem Sinn, dass sie für einige in einer Gesellschaft gelten, für andere nicht. Deshalb sind Arbeitsverhältnisse zweiter und dritter Klasse keinesfalls hinnehmbar.
Möglicherweise fragt mancher, warum ich dies als Kirchenmann, als Vorsitzender des oldenburgischen Caritasrates, kritisiere? Nun, das ist mein, unser biblischer Auftrag: "Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus. Ja, er bringt wirklich Recht", heißt es im Alten Testament bei Jesaja. Hier droht manches Rohr zu brechen!
Rechnen nicht mitunter wirtschaftlich gesunde Unternehmen ohne Not öffentliche Mittel wie die Hartz-IV-Aufstockung und Wohngeld von vornherein in ihre Lohnkalkulation mit ein, anstatt die Leute auskömmlich zu bezahlen? Das ist Sozialbetrug! Das sind Steuergelder, unrechtmäßige Subventionen!
Seriöse Berechnungen zeigen: Eine anständige Bezahlung der Arbeiter würde den Kunden pro Kilo Fleisch nur 5,7 Cent mehr kosten. Es gibt Firmen in unserer Region, die dafür bekannt sind, dass sie ihre Mitarbeiter anständig bezahlen. Und sie spielen trotzdem in der ersten Liga des Weltmarktes mit - oder gar deshalb?
Es braucht meines Erachtens einen flächendeckenden Mindestlohn. Darüber hinaus muss gelten: Equal pay - gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.