Gibt’s nur im Paket: Arbeitsrecht der Kirche und Grundordnung
Arbeitsgericht in der Sache zuständig ist. Dies ist der Fall, wenn beide Prozessparteien der Kirche zugeordnet sind. Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof bejahte in dem Fall eine Zuordnung der Einrichtung zur Kirche und verwies bei Zweifeln auf den zuständigen Diözesanbischof. Deshalb legte die Einrichtungsleitung Berufung bei der Apostolischen Signatur in Rom ein.
Der durch Dekret geschaffene Delegationsgerichtshof stellte am 31. März 2010 fest, dass kirchliche Rechtsträger kirchenrechtlich frei sind, die von den Diözesanbischöfen erlassene Grundordnung anzunehmen oder nicht, soweit sie nicht dem jeweiligen Bischof direkt unterstellt sind. Rechtsgrundlage für die Geltung der Grundordnung bei sonstigen kirchlichen Rechtsträgern ist eine ausdrückliche Übernahmeerklärung, also nicht die einfache Tatsache, dass es sich um einen kirchlichen Rechtsträger handelt (siehe zu diesem Thema auch neue caritas Heft 19/2013, S. 32). Der Rechtsträger kann entscheiden, ob er die Grundordnung übernimmt oder nicht beziehungsweise kann eine erfolgte Übernahme widerrufen.
Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands hat daraufhin am 20. Juni 2011 den Artikel 2 mit den Absätzen 1 und 2 der Grundordnung wie folgt geändert:
„(1) Diese Grundordnung gilt für
a) die (Erz-)Diözesen,
b) die Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,
c) die Verbände von Kirchengemeinden,
d) die Diözesan-Caritasverbände und deren Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind,
e) die sonstigen dem Diözesanbischof unterstellten öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts,
f) die sonstigen kirchlichen Rechtsträger, unbeschadet ihrer Rechtsform, die der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen, und deren Einrichtungen.
(2) Kirchliche Rechtsträger, die nicht der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen, sind verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2013 diese Grundordnung durch Übernahme in ihr Statut verbindlich zu übernehmen. Wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, haben sie im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht am Selbstbestimmungsrecht der Kirche gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV teil.“
Diese Änderung ist gleichlautend in allen (Erz-)Bistümern umgesetzt worden.
Art. 2 der Grundordnung unterscheidet also zwischen kirchlichen Rechtsträgern, die unmittelbar der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegen (Abs. 1) und sonstigen kirchlichen Rechtsträgern (Abs. 2). Diese nicht der bischöflichen Gesetzgebungsgewalt unterliegenden kirchlichen Rechtsträger des Abs. 2 sind verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2013 die Grundordnung verbindlich in ihr Statut zu übernehmen. Entgegen manchen Erwartungen ist davon auszugehen, dass diese Frist bestehen bleibt und nicht verlängert wird.
Die Übernahmeerklärung ist also bei sonstigen kirchlichen Rechtsträgern die Bedingung dafür, dass die Grundordnung gilt. Sie stellt auf den einzelnen Rechtsträger ab; ihre Anwendung kann also nur für alle Einrichtungen eines Rechtsträgers erklärt werden.
Statut meint die Organisationsverfassung des Rechtsträgers, also bei Vereinen des bürgerlichen Rechts oder bei Stiftungen die jeweilige Satzung, bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung den jeweiligen Gesellschaftsvertrag. Die Entscheidung treffen die Organe der jeweiligen Rechtsträger, die befugt sind, die Statuten zu erlassen beziehungsweise zu ändern, also bei Vereinen des bürgerlichen Rechts die Mitgliederversammlung, bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Gesellschafterversammlung.
Die Übernahme sichert hohe Tariftreue
Durch die Formulierung „sind verpflichtet“ wird durch die Diözesanbischöfe klargestellt, dass alle der katholischen Kirche zugeordneten Rechtsträger eine Übernahme der Grundordnung erklären und dies in den Statuten sichtbar machen sollen. Diese Anwendung durch alle der katholischen Kirche zugeordneten Rechtsträger dient der Glaubwürdigkeit der Kirche und ihres kircheneigenen Arbeitsrechts in der Gesellschaft.
Caritasbezogen wird durch eine Übernahme der Grundordnung bei allen caritativen Rechtsträgern sichergestellt, dass – bei einheitlicher Vergütung der Mitarbeitenden in einer Region oder Sparte – eine Konkurrenz der Träger untereinander nicht auf der Ebene der Personalkosten und damit zulasten der Mitarbeitenden stattfindet. Schon die Tarifpolitischen Leitlinien des Deutschen Caritasverbandes aus dem Jahr 2007 (siehe neue caritas Heft 8/2007, S. 36ff.) haben in ihrer Ziffer 5 gefordert, dass der innerverbandliche Wettbewerb über Qualität und eben nicht durch unterschiedliche Vergütungsregelungen stattfindet.
Darüber hinaus sichert die flächendeckende Anwendung der Grundordnung die hohe Tariftreue im Bereich der Caritas und ist damit eine Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeitenden das Arbeitsrecht der Caritas akzeptieren.
Mit der Regelung in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundordnung neuer Fassung macht der kirchliche Ordnungsgeber deutlich, dass kirchliche Rechtsträger, für die die Grundordnung nicht nach Abs. 1 gilt und die sie nicht nach Abs. 2 Satz 1 in ihr Statut übernehmen, das Kirchenarbeitsrecht nicht mehr anwenden können. Sie müssen sich arbeitsrechtlich wie weltliche Betriebe behandeln lassen. Es gilt dann weltliches Individualarbeitsrecht und kollektives Betriebsverfassungsrecht. Gewerkschaften können den Rechtsträger zum Abschluss von Tarifverträgen auffordern und dies durch Arbeitskampfmaßnahmen bis hin zum Streikrecht erzwingen. Dies gilt auch dann, wenn sie sich weiterhin als katholische Einrichtungen verstehen. Diese Folge der Nichtübernahme der Grundordnung ist angesichts des klaren Wortlauts der Grundordnung sowie der Haltung der staatlichen Arbeitsgerichte unvermeidbar.
Ohne Grundordnung gilt das weltliche Streikrecht
Die Grundordnung ist ein kirchliches, von den Diözesanbischöfen erlassenes Gesetz. Deshalb ist es Sache der Ordinariate oder Generalvikariate, die Übernahme der Grundordnung in die Statuten zu beaufsichtigen. Dazu finden auch derzeit in allen Bistümern Konsultationen mit den kirchlichen Rechtsträgern statt.
Von einer regionalen Kommission der Bistümer zum Arbeitsrecht ist bekannt, dass sie derzeit intensive Gespräche mit mehreren kirchlichen Trägern außerhalb der Caritas führt und über deren künftige Einbindung in die Strukturen und Regelungen des Dritten Weges berät.
Noch gibt es bundesweit keinen zahlenmäßigen Überblick, wie viele caritative Rechtsträger die Grundordnung übernehmen beziehungsweise übernommen haben. Verlässliche Daten werden erst im Laufe des Jahres 2014 vorliegen. Alle Gespräche mit und alle Äußerungen von Verantwortlichen innerhalb der Caritas lassen jedoch nur den einen Schluss zu: Die überwiegende Zahl der caritativen Rechtsträger hat die Grundordnung übernommen. Lediglich von einem größeren Träger ist bekannt, dass er die Grundordnung ausdrücklich nicht übernehmen will. Es gibt jedoch auch im Bereich der Caritas Rechtsträger, die sich zwar der Kirche und ihrer Caritas durch eine Übernahme der Grundordnung zuordnen wollen, aber es derzeit nicht können. Dabei sind drei Konstellationen deutlich geworden:
- Einzelne Rechtsträger der Caritas wenden auf ihre Dienstverhältnisse die Tarife des öffentlichen Dienstes, im Regelfall den TVöD, an.
- Einzelne Rechtsträger der Caritas sehen sich aus unterschiedlichsten Gründen wirtschaftlich nicht in der Lage, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas auf die Dienstverhältnisse in vollem Umfang anzuwenden. Sogenannte Servicegesellschaften als rechtlich selbstständige „Töchter“ von Rechtsträgern wenden gewerbliche Tarife an.
- Bei ökumenischen Rechtsträgern werden unterschiedlichste kirchliche Arbeitsrechtsnormen angewandt.
Zur Lösung dieser Themen bedarf es verschiedener Überlegungen und Schritte, je nach den individuellen Verhältnissen und Gegebenheiten des betreffenden Rechtsträgers. Vorrangige Ansprechpartner dafür sind die zuständigen Stellen in den Ordinariaten und Generalvikariaten der (Erz-)Bistümer. Aber auch die Diözesan-Caritasverbände sollten dazu kontaktiert werden. Schließlich könnte sich die Arbeitsrechtliche Kommission mit solchen Rechtsträgern befassen und Wege eröffnen, mit denen eine kirchenarbeitsrechtliche Zuordnung zur Kirche durch die Übernahme der Grundordnung ermöglicht wird; dazu sollten die Mitglieder der Kommission in den jeweiligen Regionen angesprochen werden.
Bei einer fehlenden Übernahme der Grundordnung stellt sich die Frage, ob solche caritativen Rechtsträger weiter Mitglied im Deutschen Caritasverband sein können. Nach § 2 Abs. 1 DCV-Satzung ist der Deutsche Caritasverband die von den deutschen Bischöfen anerkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in Deutschland. Alle caritativen Träger gehören nach dem verbandlichen Selbstverständnis zum DCV. Für den Deutschen Caritasverband als eingetragenen Verein gilt die Grundordnung (§ 2 Abs. 5 DCV-Satzung). Für korporative Mitglieder nach § 7 Abs. 2 Ziff. 6 DCV-Satzung ist in der Verbandsordnung festgelegt, dass die Anwendung der Grundordnung Voraussetzung für die Aufnahme als neues Mitglied ist (§ 20 Ziff. 5 Verbandsordnung). In den Satzungen der Diözesan-Caritasverbände wird die Anwendung der Grundordnung für kooperative Mitglieder unterschiedlich geregelt. Hier bedarf es immer einer Einzelfallprüfung.