Folgen für viele Haushalte will der Deutsche Caritasverband in den kommenden Wochen neue kostenlose Energieberatungsangebote für junge Menschen und Seniorinnen und Senioren mit niedrigen Einkommen aufbauen.
Der Verband richtet einen Aufruf an Freiwillige, sich kurzfristig zu Energiesparberater_innen schulen zu lassen. Die neue Energiesparberatung (Esbe) baut auf den Erfahrungen des Stromspar-Checks auf, den die Caritas seit 15 Jahren anbietet. Grundlage ist der peer-to-peer-Ansatz: Beratung auf Augenhöhe von Gleichaltrigen in ähnlichen Lebenssituationen. Gesucht werden für die neuen Angebote junge und ältere Freiwillige.
An alle Mitgliedsorganisationen der Caritas vor Ort richten die Delegierten des Verbandes, die in Limburg zu ihrer jährlichen Versammlung zusammengekommen waren, den Appell, Ansprechpartner_innen für die Freiwilligen zu benennen, damit das Programm schnell starten kann.
"Unser Programm gegen soziale Kälte"
"Die steigenden Energiepreise in Folge des russischen Angriffskrieges unterstreichen, was die Klimakrise uns längst vor Augen führt: Wir müssen lernen, Energie zu sparen. Und das richtig. Für eine Studierenden-WG bringt das andere Herausforderungen mit sich als für eine 80- Jahre alte Witwe, die allein im Einfamilienhaus wohnt," erklärt die Caritas-Präsidentin. "Wichtig ist, dass die Beratung und Information schnell bei den Menschen ankommen. Wir hoffen, dass sich viele Freiwillige melden. Die Energiesparberatung ist unser Programm gegen soziale Kälte."
Der Stromspar-Check richtet sich ursprünglich an Menschen, die Sozialleistungen beziehen. "Wir sehen, dass die Energienot jetzt breite Bevölkerungskreise erfasst. Wer studiert oder am Anfang des Berufslebens steht, wer von einer kleinen Rente lebt, kommt bei den aktuellen Preisen schnell an seine Grenzen oder erlebt bei der Jahresendabrechnung ein böses Erwachen."
Die Delegierten des Verbandes berichteten von großer Unsicherheit und erheblichem Beratungsbedarf auch bei Menschen, die bislang die Dienste der Caritas nicht in Anspruch nahmen.
Koproduktion von freiwilligem und beruflichem Engagement
"Krisenzeiten sind Zeiten, in denen freiwilliges ehrenamtliches Engagement dem beruflichen oft vorausgeht. Das haben wir bei der Flut an der Ahr ebenso gesehen wie auf den Bahnhöfen, als die Geflüchteten aus der Ukraine ankamen", erklärt Welskop-Deffaa.
Die Delegiertenversammlung hat eine Erklärung zur Koproduktion von freiwilligem und beruflichem Engagement verabschiedet mit Forderungen an die Politik. "Wir sehen in der Koproduktion von Ehrenamt und Hauptamt einen wesentlichen Bestandteil der Krisenresilienz, die wir als Gesellschaft heute dringlicher brauchen denn je. Die Strukturen der Wohlfahrtsverbände garantieren den Erfolg dieses Zusammenwirkens. Die Politik muss dafür die nötigen Rahmenbedingungen sichern", so die Präsidentin. "Wir erwarten, dass in der neuen Nationalen Engagementstrategie, die die Bundesregierung im nächsten Jahr vorlegen wird, diese Frage in den Mittelpunkt steht." Das freiwillige Gesellschaftsjahr im Katastrophenschutz, für das sich der Malteser-Hilfsdienst seit langem einsetzt, ist ebenso wie die verlässliche Förderung der Bahnhofsmission ein Beispiel dafür, worum es geht.
Ökologische und digitale Transformation in der Caritas
Auf der Delegiertenversammlung wurde erneut deutlich, dass die ökologische und digitale Transformation für den gesamten Verband einen hohen Stellenwert haben und die Arbeit überall herausfordern - in Altenheimen ebenso wie in der Jugendhilfe, von der Beratungsarbeit bis zur Wohnungslosenhilfe. "Die Bewältigung dieser Veränderungsprozesse ist eine verbandliche Lerngeschichte, für die in besonderer Weise das Motto unseres Jubiläumsjahrs gilt: Das Machen Wir Gemeinsam."
"Bei den digitalen Vorhaben - vom Onlinezugangsgesetz bis zur Onlineberatung - zeigt sich, wie schnell ein einzelner Träger von der Dimension der Aufgabe überfordert ist und wie wichtig es ist, neue Formen der Kooperation zu gestalten. In der Caritas und mit neuen Partnern."
Zur Umsetzung der Beschlüsse zur klimagerechten Caritas zeigt eine aktuelle Umfrage unter Verbandsmitgliedern, welche Maßnahmen in den letzten Monaten umgesetzt werden konnten, angefangen mit der Umstellung der Beleuchtung auf LED - das bisher am häufigsten durchgeführte Vorhaben - bis zur Sensibilisierung von Mitarbeitenden, von der Förderung des Radverkehrs bis zum Umstieg auf Ökostrom. Bei den Maßnahmen, die in Planung sind, kommt an erster Stelle der Aufbau von Photovoltaik-Anlagen.
"Die Energiekrise macht nochmal deutlich, wie fatal unsere Abhängigkeit von fossilen Energiequellen ist und wie schnell wir davon wegkommen müssen," so Welskop-Deffaa. "Soziale Einrichtungen und Dienste sind ein riesiger Hebel der ökologischen Transformation."
Reform der Grundordnung zügig zu Ende bringen
Die Delegiertenversammlung hat sich auch mit dem vorliegenden Entwurf für eine Reform des Regelwerks für das kirchliche Arbeitsrecht, der Grundordnung, befasst. Von den 790.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die die Grundordnung gilt, sind knapp 700.000 bei der Caritas beschäftigt.
Die Delegierten begrüßen den Paradigmenwechsel weg Geboten und Verboten, und dass die persönliche Lebensführung für eine Beschäftigung bei Kirche und Caritas keine Rolle mehr spielen soll. Die Delegiertenversammlung formulierte ihre Erwartung, dass die Grundordnung rechtssicher ausgestaltet sein und "den Geist von Liebe und Freiheit" ausstrahlen soll.
"Der Reformprozess der Grundordnung muss zügig zu Ende gebracht werden, das ist die klare Botschaft unserer Delegiertenversammlung," erklärt Welskop-Deffaa.