Der Deutsche Caritasverband greift bei der heutigen Verleihung seiner beiden Wissenschaftspreise zwei hochaktuelle Fragestellungen auf: Der Gertrud-Luckner-Preis geht an Hannah Damm, die zur Arbeitsmigration von Gesundheitspersonal geforscht hat; der Lorenz-Werthmann-Preis geht an Dr. Thilo Reichenbach für seine Promotionsarbeit über die Faktoren für ein erfolgreiches Online-Fundraising.
Der Deutsche Caritasverband, der in diesem Jahr 125 Jahre alt wird, verleiht seine Wissenschaftspreise seit seinem 100. Geburtstag im Jahr 1997. "Uns ist es heute wichtiger denn je, im Dialog mit der Wissenschaft zu bleiben. Die Leitmaxime der verbandlichen Caritas ‚Not sehen und handeln‘ ist seit den Anfängen des Verbandes als ‚Not sehen, verstehen und handeln‘ gelebt worden. Tragfähige Antworten auf soziale Notlagen lassen sich nur finden, wenn sie an den Ursachen ansetzen. Soziale Innovationen brauchen den wissenschaftlichen Impuls ebenso wie die praktische Lösungskompetenz. ," so Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa bei der Preisverleihung in Freiburg.
Ihre Magisterarbeit "Der WHO-Verhaltenskodex als Versuch globaler Steuerung der Arbeitsmigration von Gesundheitskräften - eine sozialethische Analyse" hat Hannah Damm im Rahmen ihres Theologiestudiums an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster geschrieben. Sie geht der Frage nach, inwiefern der Verhaltenskodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitskräften, den die Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2010 veröffentlicht hat, dazu geeignet ist, eine für die Länder des Globalen Südens fatale Kette von Abwerbung und Abwanderung von Gesundheitspersonal zu durchbrechen. Für ihre Bewertung konzentriert sich Hannah Damm auf eine sozialethische Perspektive. Sie kommt zu dem Schluss, dass der WHO-Kodex zu gerechteren Prozessen beitragen kann und stärkt auf diese Weise das Vertrauen in internationale Abkommen zur Lösung weltweiter Gerechtigkeitsfragen.
"Mit der Arbeitsmigration von Gesundheitskräften hat Hannah Damm ein Thema aufgegriffen, das der Caritas und mir sehr am Herzen liegt. Wir erleben als Arbeitgeber in Deutschland gerade auch in den sozialen Dienstleistungsberufen akute Personalnot. Die Ansprache von Fachkräften aus dem Ausland und die Erleichterung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse sind wichtige Bausteine einer Lösungsstrategie. Gleichzeitig wissen wir dank der Erfahrungen von Caritas international, unserem international tätigen Hilfswerk, um die Risiken der Abwerbung von Fachpersonal für deren Heimatländer. Es gilt, eine gute Balance und tragfähige Lösungen zu finden - nicht zuletzt für die sogenannte live-in-care. Die Regulierung dieser Pendelmigration, die die Bundesregierung auf die Agenda dieser Legislaturperiode gesetzt hat, muss auf einen fairen Ausgleich der Interessen zielen," so Welskop-Deffaa.
Dr. Thilo Reichenbach hat mit seiner Arbeit "Erfolgsfaktoren im Online-Fundraising" an der Fakultät für Informatik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg promoviert. Er hat sich in seiner Arbeit Spendenorganisationen verschiedener Größen angeschaut. Große wie kleine Organisationen sollten Online-Fundraising-Instrumente wie zum Beispiel E-Mail-Marketing intensiver nutzen, lautet einer seiner Befunde.
"Hilfsorganisationen müssen effizient arbeiten, denn die Spenderinnen und Spender erwarten zu Recht, dass ihre Spende möglichst ungeschmälert an die Hilfebedürftigen geht. Die Wirtschaftlichkeitserwartung betrifft auch das Fundraising. Online-Kanäle bieten dabei neue Möglichkeiten. Die Forschung von Thilo Reichenbach liefert hier einen wertvollen, wissenschaftlich-fundierten Beitrag," sagt Welskop-Deffaa.
Hintergrund und Kontakt
Der Lorenz-Werthmann-Preis wurde als Wissenschaftspreis des Deutschen Caritasverbands zu dessen 100-jährigen Jubiläum 1997 gestiftet. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis würdigt Dissertations- und Habilitationsschriften. Der Name geht auf den Gründungspräsidenten Lorenz Werthmann zurück, dessen Anliegen es war, die Ausbildung der von ihm so genannten "Charitasjünger(innen)" durch Wissenschaft, Studium und Weiterbildung zu fördern. Der mit 1.000 Euro dotierte Gertrud-Luckner-Preis wird für Abschlussarbeiten in Bachelor-, Master-, Magister- und Diplomstudiengängen verliehen. Mit diesem Preis erinnert der Verband an die Lebensleistung von Dr. Gertrud Luckner (1900 - 1995). Als Abteilungsleiterin im DCV hat sie wesentliche Akzente für die Caritas und die soziale Arbeit in Deutschland gesetzt und sich maßgeblich für die Versöhnung zwischen Juden und Christen engagiert. Vom Staat Israel wurde sie 1966 als "Gerechte unter den Völkern" geehrt. Beide Preise werden von einer unabhängigen Jury vergeben.