Geprüft und für vergleichbar gut befunden
Mehrere politische und gerichtliche Entscheidungen stabilisieren das kircheneigene Arbeitsrecht, das in den letzten Monaten vor verschiedenen Gerichten und selbst im Deutschen Bundestag deutlich hinterfragt worden war. Der Dritte Weg der Caritas – also die Tarifgestaltung durch die Beschlüsse der paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) – wird dadurch zukunftsfähiger.
Es lohnt sich, genauer hinzusehen. Acht Brennpunkte sind identifizierbar:
1. Einrichtungen sollen Farbe bekennen
Ein vatikanisches Sondergericht urteilte 2010, dass ein Ortsbischof Einrichtungen, die ihm nicht direkt unterstehen, nicht auf das kirchliche Arbeitsrecht verpflichten kann. Deshalb haben die deutschen Bischöfe die Grundordnung für den kirchlichen Dienst im Juni so geändert, dass solche Einrichtungen die Geltung der Grundordnung bis Ende 2013 in ihre Satzungen übernehmen müssen. Ansonsten steht ihnen der Freiraum des Grundgesetzes im Bereich des Arbeitsrechts nicht mehr offen. Für sie gelten dann Betriebsverfassungsgesetz, Tarifvertragsgesetz mit den Möglichkeiten des Arbeitskampfes und ausschließlich die staatliche Gerichtsbarkeit. Religionszugehörigkeit oder christliche Lebensausrichtung der Mitarbeitenden dürfen den Arbeitgeber dann nicht mehr interessieren. Setzen die Bischöfe diese novellierte Grundordnung nun in den Diözesen um, klärt sich, für welche Einrichtungen kirchliches Arbeitsrecht gilt und für welche nicht. Graubereiche entfallen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Sonderwegs deutlich (s.a. neue caritas Heft 15/2010, S. 5 und 13/2011, S. 5).
2. Dritter Weg nicht unterlegen
Ebenfalls 2010 urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass Regelungen des Dritten Weges Tarifverträgen qualitätsmäßig gleichstehen, wenn Parität und Weisungsunabhängigkeit in den AK gegeben sind. Juristen folgerten daraus, dass das in vielen Ordnungen grundgelegte Eingriffsrecht des Ortsbischofs diese paritätische Qualität gefährdet und tatsächliche bischöfliche Eingriffe, wie mehrfach vorgekommen, die Tarifvertragsqualität zunichtemachen.
3. Kein einseitiges Dekret
Kürzlich Rechtskraft erlangt hat nun ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, das Beschlüssen paritätisch besetzter Kommissionen Tarifvertragsqualität zubilligt, das einseitig gesetzte Dekret eines Erzbischofs zur Minderbezahlung geringfügig beschäftigter Kollegen jedoch für nichtig erklärt. Das Letztentscheidungsrecht des Bischofs ist möglicherweise kirchenrechtlich stimmig, arbeitsrechtlich somit nicht mehr. Das dient der Klarheit und stabilisiert ebenfalls den Dritten Weg. Ausgeführt wird in diesem Urteil auch, dass geringfügig Beschäftigte auch dann, wenn die Refinanzierung zu gering ist, und auch dann, wenn der Ehegatte auskömmlich verdient, nicht schlechter behandelt werden dürfen als andere Voll- oder Teilzeitbeschäftigte. Es gilt, im Gegensatz zu professoraler Expertise, der Bruttovergleich. Das klärt viele Unstimmigkeiten in der Anwendung der AVR in den Einrichtungen der Caritas und stabilisiert somit auch das Arbeitsrecht der Caritas.
4. Streikverbot gilt nicht absolut
Das Landesarbeitsgericht Hamm wies Anfang des Jahres eine Klage der Diakonie gegen einen Streikaufruf von Verdi zurück. Ein absolutes Streikverbot bei der Kirche könne es nicht geben. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen müsse gegen das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit abgewogen werden. Inzwischen hat die Diakonie Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Mit einem Urteil wird in etwa einem Jahr gerechnet. Experten glauben, dass die Revision im Wesentlichen ohne Erfolg bleiben wird. Ob und wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, bleibt abzuwarten. Bei der Diakonie sind inzwischen Bestrebungen im Gange, die Glaubwürdigkeit des Dritten Weges zu erhöhen. Verstanden wurde, dass man als Diakonie nicht gleichzeitig Mitglied im Deutschen Arbeitgeberverband sein und seinen Beschäftigten das Streikrecht absprechen kann.
5. Wettbewerbsfragen sind noch offen
Ein Abgeordneter der Linken und ein Abgeordneter der SPD des Europaparlaments fragten bei der Europäischen Kommission nach, ob das deutsche kirchliche Arbeitsrecht nicht zu Wettbewerbsvorteilen für die kirchlichen Wohlfahrtsverbände führe. Diese hätten höhere Planungssicherheit, da sie nicht befürchten müssten, je bestreikt zu werden. Lapidar verneinte dies die Kommission und klärte damit zunächst die Situation.
Doch die Frage, wie Sozialpolitik, Wettbewerb und Dritter Weg sich weiter zueinander verhalten, ist noch offen. Es bleibt zu hoffen, dass die sich zurzeit findende Kommission des Vorstandes des DCV hier klarere Konturen definiert, indem sozialpolitische Koalitionen einerseits und tarifpolitische Interessengegensätze andererseits zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern klarer definiert und organisiert werden.
6. Kleine Anfrage, kurze Antwort
Im Bundestag hinterfragten die Grünen das kirchliche Arbeitsrecht mit dem klassischen Oppositionsinstrument der „Kleinen Anfrage“, die die Bundesregierung sehr ausweichend beantwortete. Daraufhin erzwang die Fraktion der Linken mit einem eigenen Antrag zur Abschaffung der Arbeitsrechts-Privilegien von Diakonie und Caritas eine erste Bundestagsdebatte zu diesem Thema. Jetzt berät der Ausschuss „Arbeit und Soziales“. Klar wurde, dass die schwarz-gelbe Regierungskoalition und die Grünen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht fundamental angreifen werden, dass jedoch die Mitglieder im Ausschuss die Praxis des kirchlichen Arbeitsrechts kritisch in den Fokus nehmen werden. Das Katholische Büro in Berlin und sein evangelisches Pendant riefen inzwischen einen ökumenischen Arbeitskreis zusammen, der helfen soll, den Parlamentariern den Dritten Weg verständlich und plausibel zu machen, andererseits aber den Kirchen und ihren Wohlfahrtsorganisationen klarzumachen, welche „Ausfransungen“ des Dritten Wegs die Politik auf keinen Fall dulden wird. Dienstgeber- und Dienstnehmervertreter(innen) aus der Zentral-KODA sowohl aus dem Bereich der verfassten Kirche als auch der Caritas wirken dort mit.
7. Neue Ordnung bewährt sich
Der Novellierung der Ordnung der AK kommt in der 11. Delegiertenversammlung im Oktober in Würzburg voraussichtlich zu einem guten Ende. Die nur teilweise vorgenommene Regionalisierung der Tarifgestaltung hat sich im Wesentlichen bewährt. Die Delegierten haben verstanden, dass sie sich auf die Ordnungspolitik beschränken müssen und dürfen und dass die eigentliche Tarifarbeit in der paritätisch besetzten AK zu erfolgen hat. Der Aufforderung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes, deren Mitglieder mit angemessenen Zeit- und Fachressourcen auszustatten, werden die Delegierten nachkommen. Das schafft Verlässlichkeit und damit Stabilität.
8. Mitarbeitende erwarten Fairness
Nicht zuletzt haben die Vertreter der Mitarbeiter der katholischen Kirche und ihrer Caritas ihre Position zum Dritten Weg geklärt. „Die Mitarbeiterseite ist der Auffassung, dass eine Stabilisierung des kircheneigenen Weges nur in gemeinsamer Anstrengung von Mitarbeiter- und Dienstgeberseite zusammen mit den deutschen Bischöfen erfolgen kann.“1 Die Mitarbeiterseite ist dazu bereit, erwartet aber, dass die Bischöfe sowie der Deutsche Caritasverband mit seinen Gliederungen die Einhaltung der Regelungen des kirchlichen Arbeitsrechts konsequent durchsetzen. Ein eigenständiges kirchliches Arbeitsrecht mit seinem eigenen Proprium und den Vorteilen eines konsensorientierten Ansatzes ist nur zu begründen, wenn seine Ergebnisse vergleichbar gut sind wie die Ergebnisse des weltlichen Arbeitsrechts und der Wettbewerb und die Verwerfungen in der Sozialbranche nicht zulasten der kirchlich Beschäftigten gehen. Den Korrekturbedarf markieren die Mitarbeitervertreter in der begonnenen rechtlichen und politischen Diskussion deutlich.
Der Slogan der Ak.mas, der Mitarbeiterseite der AK, lautet: „Wir gestalten Caritas-Zukunft durch attraktive Tarife.“ Auch das schafft Klarheit – und Anspruch.
Anmerkung
1. Aus: „,Zur Novellierung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes‘ aus ,IGMICK-Sicht‘“: Zentral-KODA-MAS, AK-DCV-MAS, BAG-MAV, Fulda, 23. März 2011; www.zentralkoda.de, „Aktuelles“.