Die Zukunft von Pflege und Gesundheitsversorgung
Möglichst selbstbestimmt und gut versorgt zu Hause alt werden, so wünschen sich fast alle Menschen ihren Lebensabend, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. "Ambulant vor stationär" lautet die dazu ausgerufene gesund-heitspolitische Devise in Deutschland. Doch ohne die in und von den Familien selbst geleistete, nichtberufliche Pflege wäre das schon heute niemals leistbar.
Aktuelle Pflegestatistik (Stat. Bundesamt 2013):
- Von insgesamt 2,6 Millionen Pflegebedürftigen wurden 1,86 Millionen (71%) zu Hause versorgt, die anderen 29% lebten vollstationär im Heim.
- Zwei Drittel der zu Hause lebenden Pflegebedürftigen wurden allein durch Angehörige gepflegt, ein Drittel mit Hilfe oder durch ambulante Pflegedienste.
Die Pflege durch Angehörige ist die tragende Säule in der Pflegestatistik. Deshalb stellt der demografische Wandel für die Pflege so eine riesige Herausforderung dar.
Die Auswirkungen des demografischen Wandels
- Die längere Lebenserwartung schenkt uns mehr gesunde Jahre, aber auch mehr alterstypische Erkrankungen und mehr Pflegebedürftige in hohem Alter.
- Der Bevölkerungsrückgang (bis 2060 soll Deutschland um etwa 12 Millionen Einwohner schrumpfen1) führt dazu, dass insgesamt immer weniger Menschen immer mehr ältere pflegen und versorgen müssen.
- Die Familie als festes, verlässliches Netzwerk wird fragiler und die Zahl allein lebender älterer Menschen steigt an. Familiäre Pflegepotenziale nehmen ab.
Entwicklung der Alterstruktur (Stat. Bundesamt 2013):
- 2009: 20% jünger als 20 Jahre – 60% zwischen 20 und 64 Jahren – 20% 65 Jahre und älter.
- 2060: 16% jünger als 20 Jahre – 50% zwischen 20 und 64 Jahren – 34% 65 Jahre und älter.
Stellt sich die Frage: Wie lässt sich das wachsende Ungleichgewicht von Bedarf und Angebot an Pflegenden auffangen? In Prognosen ist die Rede von bis zu 500.000 zusätzlichen Pflege-kräften2, die nötig sind, um die demografisch bedingte Zunahme des Pflegeaufkommens aufzufangen. Vor allem die ambulante Pflege erweist sich als Wachs-tumsbranche und leidet unter Fachkräftemangel.
Wachsender Bedarf an ambulanter Pflege:3
Anzahl der ambulanten Pflegedienste/Sozialstationen:
- 1999: 10.820 ..... 2011: 12.350 ..... 2013: 12.700
Anzahl der Pflegebedürftigen, die von den ambulanten Diensten versorgt wurden:
- 1999: 415.300 ..... 2011: 576.300 ..... 2013: 616.000
Folgen für den ländlichen Raum
In ländlichen Regionen zeigt der demografische Wandel besonders massive Auswirkungen und zwar schon heute. Wie überall werden auch dort die Menschen älter. Nicht wie überall, sondern überdurchschnittlich nehmen die Einwohnerzahlen ab – verursacht durch die Landflucht der Jungen und Berufstätigen. Was dazu führt, dass die sich allgemein verändernde Relation zwischen Alt und Jung noch ungünstiger entwickelt.
Betroffen sind natürlich nicht alle ländlichen Räume, sondern die strukturschwachen Regionen, die wenig berufliche Perspektiven zu bieten haben. Abwanderung ist ein Problem vor allem für die ostdeutschen Bundesländer, sowie für den Norden Hessens, den Süden Niedersachsens, das Saarland und die nordostbayerischen Grenzregionen.4
Wer in einer dieser Regionen lebt, hat unter Umständen bereits mit dem Fachkräftemangel und dem Ausfall familiärer Pflegepotentiale zu kämpfen. Ob abgewanderte Familienangehörige zurückkehren, wenn ihr Hilfe benötigt wird? Findet die Sozialstation vor Ort auf Dauer genug Pflegekräfte? Das kommt auch in der regional sehr unterschiedlichen Nutzung ambulanter Pflege zum Ausdruck: Am häufigsten wurden ambulante Pflegedienste im Jahr 2011 in Brandenburg (11,3 Personen je 100 Personen im Alter ab 75 Jahren) und in Mecklenburg-Vorpommern (10,5 je 100 Personen im Alter ab 75 Jahren) genutzt. Vergleichsweise selten wird ambulante Pflege hingegen in den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (beide 5,8) in Anspruch genommen.5
Ebenfalls bekannt ist, dass sich Ärzte in den Städten konzentrieren, während es auf dem Land an Medizinern mangelt. Vor allem was Fachärzte betrifft, ist keine Besserung in Sicht. Bei Psychotherapeuten etwa gibt es auf dem Land eine neunmal geringere Versorgungsdichte als in so genannten Kernstädten. Für Neurologen sind die Zahlen noch schlechter.6 Das sind besonders für Demenzpatienten, die auf dem Land leben, äußerst schlechte Voraussetzungen.
1 Prognose des Statistischen Bundesamts, Zuwanderung mit 200.000 Menschen pro Jahr einberechnet.
2 Themenreport "Pflege 2030" der Bertelsmann Stiftung (2012), die Zahl gilt als Worstcase-Szenario.
3 Gutachten des Sachverständigenrats: Bedarfsgerechte Versorgung. Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche (2014).
4 Vgl. auch die interaktive Grafik im Demografieportal des Bundes und der Länder.
5 Vgl. Fußnote 3.
6 Versorgung psychisch kranker Menschen im ländlichen Raum, Antwort der Bundesregierung auf eine KA der SPD (4.2.2011, Drucksache 17/4643) und http://aerztedichte.faktencheck-gesundheit.de.