Von der Armenfürsorge zur personenzentrierten Hilfe - Professionalisierung in125 Jahren Caritas
Die Entwicklung der Facharbeit im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich der Caritas steht in engem Bezug zu den sozialpolitischen/leistungsrechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen; sie spiegelt daher die Veränderungen der gesellschaftlichen Werte und Rahmenbedingungen ebenso wider wie die Komplexität, die Widersprüche und "Ungleichzeitigkeiten" der sozialen und verbandlichen Realität.
An diesen vielschichtigen Prozessen haben Akteur(inn)e(n) aller verbandlichen Gliederungen und Mitglieder mit ihren jeweiligen strukturellen und funktionalen Zugängen zusammengewirkt; sie haben in intensiven, auch kontroversen Diskussionen um bedarfsgerechte Hilfeleistungen, die notwendige Interessenvertretung und die verbandliche "Einheit in Vielfalt" gerungen.
Wichtige Kooperationspartner der Caritas waren seit ihrer Gründung der Deutsche Verein1 und der Zusammenschluss der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege2 auf Bundes- und Landesebene sowie arbeitsfeldspezifische Zusammenschlüsse aus Verbänden und Vertretungen der freien (und teilweise öffentlichen) Wohlfahrtspflege; hohen Stellenwert hatte zudem die Zusammenarbeit mit Bildungs- und Forschungsinstitutionen.
Das Subsidiaritätsprinzip als sozialrechtliches Ordnungsprinzip
Die Caritas hat sich in ihrer Tätigkeit stets als kritische Kooperationspartnerin staatlicher Institutionen verstanden, die Aufgaben der Wohlfahrt in verbandlicher Eigenständigkeit wahrnimmt. Diese Form der Arbeitsteilung zwischen öffentlicher und freier Wohlfahrt wurde als Subsidiaritätsprinzip schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts konstitutiv für die Sozial- und Wohlfahrtspolitik.
In der Weimarer Republik konnte die Caritas durch intensive Lobbyarbeit erreichen, dass im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJG) 1922/24 die Zusammenarbeit der öffentlichen und freien Jugendhilfe festgeschrieben wurde; in der Reichsfürsorgeverordnung (RFO) 1924 wurden die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege (FW) anerkannt und in ihren Rechten gestärkt. Neben dem verbandlichen Eigeninteresse galt es auch, die Hilfesuchenden nicht allein einer öffentlichen Fürsorge zu überlassen, die bisher kaum an der individuellen Lebenssituation der Personen interessiert war. Die Caritas hatte sich in dieser Frage bereits früh und differenziert positioniert.3
Die Fürsorgegesetze der Weimarer Republik hatten durch die rechtliche Verankerung einer nationalstaatlichen öffentlichen Fürsorge, die Hilfen für zahlreiche Bevölkerungsgruppen vorsah, die Voraussetzungen für eine Modernisierung und Neustrukturierung der Fürsorge geschaffen. Aufgrund der zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Probleme konnten die Reformansätze in der Fürsorgepraxis jedoch kaum zum Tragen kommen. Die öffentliche Fürsorge stand damit im Widerspruch zu den Fachdiskursen, die auf hohem Niveau unter anderem in den Sozialen Fachschulen und in den reformpädagogischen Bewegungen geführt wurden.
Unter der nationalsozialistischen Herrschaft blieben die Fürsorge-Gesetze zwar formal in Kraft, wurden aber der Rassenideologie unterworfen. Die Wohlfahrtsverbände und Fachverbände wurden weitgehend aufgelöst; der Deutsche Caritasverband (DCV), der Centralverband der Inneren Mission und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) konnten ihre Auflösung verhindern, ihre Arbeit jedoch nur unter hohen Restriktionen im Wesentlichen aufrechterhalten.
In den Reformdebatten ab den 1950er-Jahren zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG 1962) und zum Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG 1961) hat sich die Caritas vor allem in den Fragen zur Rechtsstellung der Hilfesuchenden und zur gesetzlichen Zuständigkeit für die Durchführung der Sozial- und Jugendhilfe engagiert.4
Anliegen waren die Etablierung gesetzlich garantierter persönlicher Hilfen, die den Hilfeberechtigten eine Subjektstellung und Wahlrechte sichern sollten; zum anderen die Pflicht der öffentlichen Fürsorge zur Kooperation mit der freien Wohlfahrtspflege und damit die Verhinderung eines behördlichen Zuständigkeitsmonopols. Das BSHG 1962 umfasste anstelle schematischer Einkommenshilfen für definierte Bevölkerungsgruppen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts erstmals einen individuellen einklagbaren Rechtsanspruch auf Hilfe, die am individuellen Bedarf auszurichten waren. Aufgenommen wurden zusätzliche hilfeauslösende Tatbestände, zum Beispiel in den Hilfen in besonderen Lebenslagen. Im Jugendwohlfahrtsgesetz trat - entgegen der weitgehend polizei- und ordnungspolitischen Ausrichtung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes (RWG) neben die Fürsorgeerziehung (FE) ohne Einwilligung der Beteiligten die Freiwillige Erziehungshilfe (FEH). Mit der Gesetzgebung war auch das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis mit seiner differenzierten Struktur aus öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Bezügen zwischen staatlichen Institutionen, Anbietern der freien Wohlfahrtspflege (FW) und anspruchsberechtigten Bürger(inne)n etabliert.
Zwei Staaten, zwei Systeme
Die Sozialpolitik der Deutschen Demokratischen Republik hat diesen Rückbezug auf die Dualität von öffentlicher und freigemeinnütziger Fürsorge in der Weimarer Republik nicht wieder aufgegriffen, sondern auf die staatliche Verantwortung gesetzt; freie beziehungsweise konfessionelle Trägerschaft waren nur in begrenztem Umfang möglich. Das Sozial- und Gesundheitswesen wurde weitgehend säkularisiert. Die Arbeit der Caritas war nur unter restriktiven Rahmenbedingungen möglich, war jedoch für ihre Professionalität und die Vertraulichkeit hochgeschätzt.5
Die gesetzlich verankerte starke Position der Freien Wohlfahrtspflege im BSHG in der BRD wurde im sogenannten Subsidiaritätsstreit6 vom Bundesverfassungsgericht 1967 bestätigt; das duale Ordnungsprinzip musste jedoch bis in die Gegenwart immer wieder verteidigt und neu justiert werden.7 Besondere Bedeutung hatten in diesem Prozess der Verlust der Vorrangstellung der FW durch Öffnung der Leistungserbringung für private Anbieter, die Einführung wettbewerblicher Strukturen in den 1990er-Jahren sowie die Kontroverse um die Anwendung des Vergaberechts im Sozial- und Gesundheitssektor seit Mitte der 1990er-Jahre, die bis heute anhält.8 Zudem gewann die europäische Gesetzgebung zunehmend Einfluss auf die Gestaltung der sozialen Märkte in Deutschland.9 Daher musste die spezifische Funktion und Position der freien Wohlfahrtspflege in der deutschen Sozial- und Wohlfahrtspolitik auf europäischer Ebene transportiert und dort grundsätzlich politisch abgesichert werden.10
BSHG und JWG konnten ihre reformorientierten Ansätze in der Praxis der Sozialen Arbeit zunächst nur in geringem Umfang entfalten.11 Die Fachdiskussion in den Arbeitsfeldern der Caritas spiegelte hingegen den dringenden Bedarf an konzeptionellen und praktischen Veränderungen wider. Entwicklungen vor allem im ambulanten Bereich zeugten von einer beginnenden Reformdynamik (siehe Anhang 1 am Ende dieses Beitrags).
Reformstau und Beginn der Deinstitutionalisierung
Ausgelöst von einer grundlegenden Kritik an den tradierten autoritären Fürsorgekonzepten der Sozialen Arbeit setzte in den 1970er- und 1980er-Jahren ein grundlegender Prozess der Deinstitutionalisierung und Ambulantisierung ein. Im Fokus standen die großen stationären Einrichtungen der Fürsorgeerziehung (FE), aber auch die Langzeitaufenthalte in der Psychiatrie, der Behindertenhilfe und der Wohnungslosenhilfe wurden problematisiert, da sie der Hospitalisierung und Entmündigung Vorschub leisteten, wenig differenzierte Hilfen und letztlich den Klient(inn)en keine Perspektiven böten. Diese breite Debatte war auch Ausdruck des gesellschaftlichen "postmateriellen" Wertewandels mit dem Anspruch an Individualität und Emanzipation. Neue soziale Bewegungen forderten die Demokratisierung und Modernisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Auch in der Caritas wurden in allen Arbeitsfeldern fachliche Diskurse zur reformorientierten Weiterentwicklung der Einrichtungen, ihrer Strukturen und Konzepte geführt.
Initiiert wurde eine Neuorientierung und teilweise radikale Veränderung tradierter Konzepte, die Artikulation von Rechten der Heimbewohner(innen) und Klient(inn)en und die Eröffnung von Partizipationsmöglichkeiten, die Professionalisierung und Qualifizierung der Mitarbeiter(innen), personelle und institutionelle Entwicklungs- und Veränderungsprozesse. "Heime" begannen eine Öffnung der Einrichtungen und eine - auch von den Mitarbeiter(inne)n gewünschte - "Demokratisierung der Heimerziehung". Große Einrichtungen differenzierten ihre Binnenstruktur, gliederten sich teilstationäre und ambulante Hilfeformen an, setzten verstärkt auf ambulante Formen der Hilfen; anstelle der Einzelfallhilfe kamen verstärkt Methoden der Gruppenarbeit zum Einsatz. Ähnliche Prozesse setzten in der psychiatrischen Versorgung ein. In der Jugendhilfe mündete die Entwicklung 1990 in das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), in dem die Kritik an der Kontroll- und Eingriffsorientierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) aufgegriffen und Angebote und Leistungen für Kinder, Jugendliche und Eltern hinterlegt worden sind.
In den Diensten und Einrichtungen der Caritas wurden vielfach Methoden und Theorieansätze aus Pädagogik, (humanistischer) Psychologie und Soziologie adaptiert und integriert; dies führte wiederum zu einer veränderten professionellen Einstellung der Mitarbeiter(innen) und einer neuen Sichtweise auf die Klientel und deren Problemlagen. Im Sinne der Entstigmatisierung wurden neue Bezeichnungen für Bevölkerungs- und Klient(inn)engruppen eingeführt: Nichtsesshafte wurden zu wohnungslosen Menschen, Trinker(innen) zu suchtkranken Menschen, Arme zu sozial Schwachen und schließlich zu sozial benachteiligten Menschen; damit wurde dokumentiert, dass die Dienste und Einrichtungen der Caritas anstelle der bisherigen defizitorientierten personenbezogenen Zuschreibung ein Lebenslagenkonzept verfolgen, das auf die konkreten Lebensumstände abheben soll.12
Professionalisierung der sozialen Arbeit und Qualifizierung
Die zunehmende Diversifizierung in der sozialen Arbeit machte eine stärkere wissenschaftlich-fachliche Fundierung der Fachdisziplin notwendig; ab 1970 begann mit der Überführung der Höheren Fachschulen in Fachhochschulen und der Etablierung eines Universitätsstudiengangs Diplom-Pädagogik mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik die Akademisierung der Sozialen Arbeit13; Ziel war eine stärkere Verknüpfung von theorie- und praxisorientierter Ausbildung sowie eine größere Durchlässigkeit des Bildungssystems.14
Mit der Umsetzung der Beschlüsse des Bologna-Prozesses und der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen an Fachhochschulen und Universitäten wird seit 1999 eine europaweite Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen und eine erhöhte Mobilität der Studierenden angestrebt.
Durch die zunehmende Vielfalt der Arbeitsfelder und Einrichtungsarten und die höheren Anforderungen an die Fachlichkeit der Mitarbeiter(innen) gewann auch die berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung an Bedeutung: methodenorientierte Zusatzausbildungen, Supervision und Coaching wurden in vielen Arbeitsfeldern der Caritas zum selbstverständlichen Bestandteil beruflicher Qualifizierung; sie wurden zunehmend auch von Kosten- und Leistungsträgern zur Voraussetzung für die Erbringung definierter Leistungen gemacht, zunächst vorrangig im medizinisch-therapeutischen Bereich. Die Caritas hatte schon früh das Interesse, kontinuierliche Fortbildung im eigenen Verbandsbereich anzubieten und zu bündeln; so konnte - nach ersten Überlegungen im Jahr 1955 - die Fortbildungs-Akademie des DCV in Freiburg 1973 den Lehrbetrieb aufnehmen.15
Zudem wurden in allen verbandlichen Bereichen vermehrt arbeitsfeldbezogene Fachveranstaltungen, Seminare und Konferenzen entwickelt, die der Aktualisierung des Fachwissens, der koordinierten Implementierung fachlicher Neuerungen und der Vorbereitung fach- und sozialpolitischer Positionen dienten.
Da die Verläufe von Berufsbiografien sich zunehmend stärker ausdifferenzieren, bekommen das lebenslange Lernen und die Attraktivität der Caritas als Ort der Qualifizierung zunehmende Bedeutung.16 Die Umsetzung des Europäischen beziehungsweise Deutschen Qualifikationsrahmens seit 2013 bietet mit der Beschreibung von Kompetenzprofilen und der Berücksichtigung des nonformellen und informellen Lernens neue Möglichkeiten, der beruflichen Flexibilisierung Rechnung zu tragen.
Mit mehr als 600 Fachschulen, Hochschulen und Fortbildungseinrichtungen und breiten Fortbildungsangeboten in allen verbandlichen Bereichen bietet die Caritas einen attraktiven Lernort für Mitarbeiter(innen). Angesichts des Fachkräftemangels erweist sich dies als eine wichtige Ressource in der Gewinnung und Bindung von Mitarbeiter(inne)n (siehe Anhang 2 am Ende dieses Beitrags).
Dienstleistungsorientierung und Behauptung auf sozialen Märkten
Im Kontext hoher Arbeitslosigkeit, steigender Sozialkosten und der Finanznot der Kommunen geriet in den 1990er-Jahren zunächst die öffentliche Verwaltung in die Kritik; die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung KGSt17 identifizierte eine deutliche "Modernisierungslücke".18 Auch die soziale Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege wurde als zu teuer, zu wenig effizient und zu sehr auf den Erhalt der eigenen Strukturen bezogen kritisch hinterfragt. Lösungsansätze wurden in neuen Steuerungsmodellen betriebswirtschaftlicher Rationalität ("New Public Management"), Privatisierungsstrategien für Aufgaben der öffentlichen Hand sowie in der Einführung wettbewerblicher Elemente in der sozialen und gesundheitlichen Versorgung gesehen.19 Diese Entwicklung wurde auch in der Caritas kontrovers diskutiert: zum einen wurde sie als Ökonomisierung und Verbetriebswirtschaftlichung des Sozialen abgelehnt, zum anderen als Möglichkeit zur Überwindung bürokratischer Strukturen, zur weiteren Professionalisierung und fachlichen Schärfung der eigenen Arbeit bewertet. Die Caritas beantwortete die neuen Rahmenbedingungen mit organisationalen Modernisierungsstrategien in den Verbänden, Trägern und Einrichtungen: Verwaltungsabläufe wurden optimiert, Methoden des Sozialmanagements eingeführt, Benchmarking durchgeführt und die unternehmerischen Belange gestärkt. Gleichzeitig war die Caritas herausgefordert, ihr Proprium20 und ihre Besonderheit im Vergleich zu privatgewerblichen Anbietern zu verdeutlichen: Die Caritas kann nicht auf die soziale Leistungserbringung reduziert werden, sondern nimmt die Funktionen von Dienstleistung, Anwaltschaft und Solidaritätsstiftung wahr, die sich wechselseitig durchdringen und nicht isoliert für sich stehen. Diskutiert wurden die Bedingungen für die ordnungspolitisch tragfähige Ausgestaltung sozialer Märkte ebenso wie die Spannung zwischen anwaltschaftlicher Caritas und der Notwendigkeit einer Positionierung in einer Marktgesellschaft.21
In der Facharbeit der Caritas wirkte die Auseinandersetzung letztlich als weiterer Impuls zur Stärkung der Position der "Kund(inn)en" im Sinne ihrer Mit- und Selbstbestimmung: Über die Auseinandersetzung mit dem Kundenbegriff wurden die Klient(inn)en/Ratsuchenden/Bewohner(innen)/Nutzer(innen) zunehmend als Mitproduzierende der sozialen Dienstleistung begriffen: Hilfen können ihnen nicht verordnet werden, sondern sie müssen für die Mitgestaltung gewonnen werden! Methodisch hat sich dies niedergeschlagen zum Beispiel in der Einführung motivierender Gesprächsführung, gemeinsamer Hilfeplanung, die sich an den Wünschen und Kompetenzen der "Kund(inn)en" orientiert, der Stärkung von Ressourcen anstelle der Behebung von Defiziten und der sogenannten "zieloffenen Arbeit", die sich oft abgrenzte von den engen Vorgaben der Leistungs-/Kostenträger. Weitere Bedeutung gewannen die aufsuchenden und niedrigschwelligen Hilfen in der "akzeptierenden Arbeit", zum Beispiel für Jugendliche, Suchtkranke/Drogenabhängige, psychisch Kranke, Wohnungslose, Menschen mit Aids/HIV, Frauen mit Gewalterfahrungen, Frauen in der Prostitution.
Als ihre Besonderheit und ihren strategischen Qualitätsvorteil erkannten die caritativen Dienste und Einrichtungen unter anderem die verbandliche Präsenz in fast allen Fachgebieten der Sozialen Arbeit, die hohe Qualifikation der Mitarbeiter(innen) und die Netzwerkarbeit: durch Schnittstellenmanagement und die Bündelung mehrerer Einrichtungs- und Kompetenzbereiche konnten auch komplexe Hilfebedarfe abgestimmt und integriert aufgegriffen werden ("Der Klient bekommt alle bedarfsgerechten Hilfen, unabhängig davon, wo er ankommt.").22 Auch die Einbindung ehrenamtlicher Kräfte und der Selbsthilfe mit ihren Fähigkeiten und Kompetenzen waren ein deutlicher "Mehrwert" und Impuls für die Weiterentwicklung der Facharbeit; die Selbsthilfe spielte zunehmend eine eigenständige Rolle in der gesundheitsbezogenen Arbeit.
Diese Entwicklungen vollzogen sich im Kontext der Etablierung des "aktivierenden Sozialstaats", dessen Handeln vorrangig auf die Mobilisierung und Unterstützung von Selbsthilfepotenzialen ausgerichtet war und den Druck auf die Arbeitsmarktintegration erhöhte. Soziale Leistungen wurden damit zu sozialen Investitionen mit dem Ziel der sozialen Selbstständigkeit bei gleichzeitiger Kürzung von Sozialleistungen. Es entstanden (wieder) informelle gesellschaftliche Hilfeleistungen wie Suppenküchen und Tafeln, die an das Almosenwesen erinnern. Vor diesem Hintergrund wurden wiederholt (selbst-)kritische Fragen gestellt, inwieweit sich die Caritas mit ihren Diensten und Einrichtungen den ökonomischen Prinzipien des Kontraktmanagements und der Qualitätskontrolle ausliefere, die verbandliche Eigenständigkeit in der Aufgabenwahrnehmung verloren gehe und die Ratsuchenden letztlich doch wieder Adressat(inn)en verdeckter "sozialpädagogischer, nun aktivierender Belagerung" würden (siehe Anhang 2 am Ende dieses Beitrags).
Qualitätsmanagement und Wirkungsnachweise
Dem Nachweis der Qualität der Dienstleistung kam für die Dienste und Einrichtungen eine hohe strategische Bedeutung zu, um sich auf sozialen Märkten behaupten und auf kommunaler Ebene einen reinen Preiswettbewerb verhindern zu können. Gleichzeitig war dies ein Impuls, die Facharbeit in den verschiedenen Arbeitsfeldern qualifiziert zu beschreiben, transparenter zu machen und Benchmarking zu etablieren.
Zur Unterstützung und Koordinierung der verbandlichen Aktivitäten wurde 1998 in der DCV-Zentrale in Freiburg die Arbeitsstelle Qualitätsmanagement eingerichtet. Bis 2006 hatten bereits zwölf Fachbereiche (in hohem Maße getragen von den jeweiligen Fachverbänden und Bundesarbeitsgemeinschaften) Qualitätsleitlinien entwickelt. Die Caritas verfolgte dann - auf Hinweis der Orts-Caritasverbände und im Sinne einer integrierten Qualitätspolitik - einen arbeitsfeldübergreifenden Ansatz: In mehreren bundesweiten Projekten wurden Arbeitshilfen und schließlich das Modulare Qualitätsmanagementsystem entwickelt, das 2015 erstmals veröffentlicht und 2019 aktualisiert wurde.23 Eine wesentliche Grundlage für das Modulare QM-System waren die "Eckpunkte für Qualität in der verbandlichen Caritas" (2003), die zu einem einheitlichen Profil der Caritasqualität beitragen sollten.24 Bereits 1998 wurde die Zertifizierungsgesellschaft proCum Cert gegründet25, damit die Einrichtungen der Caritas die verbandsspezifischen wertegebundenen Qualitätsdimensionen in ihre Zertifizierung integrieren können. Die Facharbeit wurde in den verschiedenen Arbeitsfeldern und ihren Einrichtungsarten durch die Qualitätsleitlinien transparenter und vergleichbarer.
Der Diskurs um Qualitätsmanagement wurde - insbesondere vonseiten der Kosten- und Leistungsträger - in den letzten Jahren erweitert um die Frage der Wirkungsnachweise; entsprechende Belege werden zunehmend direkt in den Leistungsgesetzen oder Fördervereinbarungen gefordert, wie zum Beispiel im Bundesteilhabegesetz. Wirkungsnachweise im sozialen Bereich - über Output-Dimensionen hinaus - sind sehr komplex und aufwendig. Vereinzelt haben Träger der Caritas den Ansatz des Social Return on Investment (SROI) als Methode zum Wirkungsnachweis gewählt. Insgesamt scheint die Debatte jedoch darauf abzuzielen, keine rein betriebswirtschaftlichen, an Kennzahlen orientierten Ansätze anzuwenden, sondern sie zumindest durch den sozialwissenschaftlich fundierten Strang der Evaluation zu ergänzen und damit anschlussfähig für die Weiterentwicklung der bisherigen Ansätze zur Wirkungsorientierung zu sein. Diskutiert wird auch, inwieweit evidenzbasierte Ansätze für die Dokumentation der Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit herangezogen werden können.
Orientierung an der Lebenswelt und am "Eigensinn" der Menschen
Ein zentraler Impuls für die Facharbeit der Caritas war der Ansatz der Lebensweltorientierung, vor allem in der Jugendhilfe (für die er seit Mitte der 1970er-Jahre entwickelt wurde), aber auch in der Drogenarbeit, Obdachlosenarbeit, Behindertenhilfe und Psychiatrie. Das Konzept der Lebensweltorientierung umfasst vielfältige Struktur- und Handlungsmaximen26, die in ihrer Gesamtheit oder in einzelnen Elementen aufgegriffen und weiterentwickelt worden sind; sie finden sich daher in verschiedenen aktuellen Handlungskonzepten der Caritas wieder: Soziale Arbeit muss anknüpfen an den individuellen subjektiven Mustern des Erlebens, Deutens und Handelns der Menschen, diese müssen sich im Sinne der Partizipation als gestaltende Subjekte ihres Lebens erfahren. Dies erfordert eine ganzheitliche Perspektive der Facharbeit auf die soziale Einbindung der Klientel und eine Weitung der fachlichen Aufmerksamkeit auf das Feld von miteinander verwobenen individuellen, sozialen und politischen Faktoren. Im Respekt vor dem "Eigensinn" der Menschen müssen alle Aufgaben wie Problemdeutung, Entwicklung von Lösungsansätzen, Vereinbarung von Regeln im partnerschaftlichen Gespräch ausgehandelt werden. Die sozialen Dienste und Einrichtungen sollen regional eingebunden, überregionale Großeinrichtungen und "Sonderwelten" vermieden werden. Die Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen und der Abbau von Zugangsbarrieren sind wesentliche Bereiche der anwaltschaftlichen Unterstützung. Zur Professionalität zählt neben der Vernetzung und Koordinierung von Angeboten die methodisch abgesicherte selbstkritische Reflexion der Motive, Ziele und Methoden sowie der Wirkungen und Nebenwirkungen des beruflichen Handelns. Insgesamt sollen die Klient(inn)en darin unterstützt werden, ihre Probleme und Schwierigkeiten zu bewältigen; es geht nicht darum, die Probleme zu bearbeiten, die die Gesellschaft mit ihnen hat; daher gehören die Erweiterung dessen, was als "normal" gilt, und die Entwicklung von Toleranz zu den gesellschaftspolitischen Zielen der Lebensweltorientierung.
Interkulturelle Öffnung für gesellschaftliche Vielfalt
Durch Arbeitsmigration, Flucht und den wachsenden Bevölkerungsanteil der Menschen mit Migrationshintergrund wurde seit etwa Mitte der 1990er-Jahre zunehmend die Anforderung von interkultureller Öffnung (IKÖ) im Sozial- und Gesundheitsbereich thematisiert mit dem Ziel, Zugangsbarrieren abzubauen und Exklusion zu verhindern.27 Bereits 2001 hat der Zentralrat des DCV mit der Position über "Grundsätze, Ziele und Eckpunkte für die interkulturelle Öffnung der Caritas" einen verbandlichen Diskurs eingeleitet und mehrere Arbeitsaufträge zur Unterstützung der interkulturellen Öffnung in der verbandlichen Öffentlichkeitsarbeit, in der Fort- und Weiterbildung sowie in den Diensten und Einrichtungen der Caritas formuliert. Als Ergebnis zahlreicher Maßnahmen wurde 2006 die Handreichung "Vielfalt bewegt Menschen - interkulturelle Öffnung der Dienste und Einrichtungen der verbandlichen Caritas" vorgelegt; darin wurde die interkulturelle Öffnung als mehrdimensionaler Prozess der Personalentwicklung, des Qualitätsmanagements, der Organisationsentwicklung, der Vernetzungsstrategien etc. beschrieben und mit Arbeitshilfen hinterlegt. Eine Erhebung der Prognos AG zum Stand der interkulturellen Öffnung in der Caritas 2012 hat gezeigt, dass die interkulturelle Öffnung auf breiter Basis in den Verbänden und Einrichtungen "angekommen" ist, aber noch nicht überall in einem stringenten und umfassenden Prozess verankert werden konnte.28 Die verbandliche Befassung mit den Fluchtbewegungen im Jahr 2015 haben nach wie vor Lücken in der Versorgung deutlich gemacht, zum Beispiel für behinderte oder pflegebedürftige Geflüchtete; als durchgängige Belastung für die interkulturelle Öffnung wurde die mangelnde Finanzierung von Dolmetscher(inne)n und Sprachmittler(inne)n identifiziert. Hohe Anstrengungen wurden von Diensten und Einrichtungen der Caritas für die Aufnahme und Verbesserung der Situation unbegleiteter Minderjähriger unternommen und für den Zugang von Kindern zu Leistungen des SGB VIII.
Im Zuge der Auseinandersetzung weitete sich die Sicht auf interkulturelle Öffnung in der Caritas über Menschen mit Migrationshintergrund hinaus auf "Diversity"; die Dienste und Einrichtungen stellten sich die Frage, ob sie tatsächlich in gleicher Weise für alle Bevölkerungsgruppen offen sind, ob zum Beispiel bestimmte "Milieus" mehr angesprochen werden als andere (durch "unconscious bias", aber auch konzeptionelle und strukturelle Rahmenbedingungen) und was geändert werden müsste, um die Begrenzungen zu überwinden. Das Thema wurde in verschiedenen verbandlichen Bezügen unter dem Aspekt der Gerechtigkeit, aber auch der Zukunfts- und Innovationsfähigkeit von Verbänden, Trägern und Einrichtungen behandelt.29
Personenzentrierung, Befähigung und selbstbestimmte Teilhabe
Das Ziel der selbstbestimmten Teilhabe ist in der Caritas zu einem zentralen Leitprinzip ihrer Facharbeit und ihrer politischen Positionierungen geworden. Dienste und Einrichtungen sind daher aufgefordert, ihre Arbeit an diesem Ziel auszurichten beziehungsweise daran zu überprüfen.
Selbstbestimmte Teilhabe wird - im Gegensatz zu punktuellen Möglichkeiten der Mitbestimmung - so verstanden, dass jeder Mensch das Recht hat, an den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Prozessen der Gesellschaft teilzuhaben und diese mitzugestalten und mitzubestimmen. Nachdem der Begriff der Teilhabe in den 1990er-Jahren vorwiegend in der Behindertenhilfe verwendet wurde, hat er später allgemeinere Bedeutung als eine Dimension sozialer Gerechtigkeit für alle Menschen in der Gesellschaft gewonnen.30
Durch die UN-Behindertenrechtskonvention (2008), die in Deutschland 2009 in Kraft trat, wurden das Selbstbestimmungsrecht und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in ihrer menschenrechtlichen Dimension dargelegt; zudem wurde der Behinderungsbegriff in der Weise gefasst, "dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht ..." (Präambel Punkt e).
Über das SGBIX und das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung (Bundesteilhabegesetz BTHG) 2016 wurde die selbstbestimmte Teilhabe leistungsrechtlich verankert. Die Regelungen heben auf die personenorientierte Hilfegestaltung ab; damit ist der Anspruch verbunden, Leistungen zu individualisieren sowie Autonomie und Teilhabe zu fördern. An die Stelle institutionsorientierter und standardisierter Hilfen sollen Hilfearrangements treten, die sich an den Wünschen der Person orientieren und sie zu einem selbstbestimmten Leben befähigen. Befähigung und selbstbestimmte Teilhabe sind unmittelbar aufeinander bezogen und bedingen sich gegenseitig.31
Wie "Behinderung" wurde in der Gesundheitshilfe auch "Gesundheit" zunehmend als Ergebnis der Interaktion von persönlichen und sozialen, räumlichen Bedingungen begriffen: in der biopsychosozialen Sichtweise auf Gesundheit und gesundheitliche Bedarfe, in den Ansätzen der Salutogenese und Ressourcenorientierung und nicht zuletzt im Ansatz der Gesundheitsförderung, die 2015 erstmals als Pflichtleistung im SGB V verankert wurde.32 Die Handlungsebenen der Gesundheitsförderung sind die Stärkung des individuellen Gesundheitswissens und -verhaltens ebenso wie die Einflussnahme auf Umweltfaktoren, Gesellschaft und Politik. Damit sind alle Dienste und Einrichtungen aufgefordert, Aspekte der Gesundheitsförderung in ihre Facharbeit zu integrieren und (gemeinsam mit den Nutzer(inne)n oder Bewohner(inne)n) zu prüfen, inwieweit sie selbst "als Organisation" gesundheitsförderlich sind und wie sie weiterentwickelt werden können.
Sozialraumorientierung und der Raum als handlungsleitendes Prinzip
Seit 2009 fördert die Caritas dezidiert die Implementierung von Sozialraumorientierung (SRO) als innovative strategische Zielsetzung und übergreifenden Bezugspunkt für das fachliche Handeln. Der Fachdiskurs zur Sozialraumorientierung wurde bereits seit Mitte der 1990er-Jahre angeregt durch das Programm des Bundes "Soziale Stadt" und sozialräumliche Umstrukturierungsprozesse in der kommunalen Jugendhilfe. Die Caritas war in diese fachlichen Entwicklungen jeweils intensiv eingebunden. Einer der Meilensteine der verbandlichen Maßnahmen zur Sozialraumorientierung war das Projekt "Gemeinsam im Sozialraum" (2014 bis 2017), in dem 18 Diözesan-Caritasverbände und 47 lokale Standorte sozialräumliche Strategien und integrierte Handlungsansätze entwickelt und erprobt haben. Sozialraumorientierung hat sich dabei als innovatives, zukunftsorientiertes Rahmenkonzept erwiesen, da es die personenzentrierte Arbeit mit den sozialökologischen, auf die Veränderung lebensweltlicher Rahmenbedingungen abzielenden Handlungssträngen zu verbinden sucht. Dies macht den Ansatz der Sozialraumorientierung anfällig für einseitige und vereinfachende Interpretationen, zugleich aber anschlussfähig für alle Bereiche der caritativen Arbeit: Dienste und Einrichtungen begreifen sich als Teil des Sozialraums, gestalten ihn mit, tragen zur Stärkung seiner Ressourcen bei und nutzen diese wiederum für die eigene Arbeit; dabei werden die Ebenen der fallbezogenen, der fallübergreifenden und der fallunspezifischen Arbeit integriert.
In allen Arbeitsfeldern haben Dienste und Einrichtungen inzwischen damit begonnen - ausgehend von ihrer jeweiligen Aufgabenstellung und Funktion - ihre Arbeit sozialräumlich auszugestalten, was zu einer breiten Vielfalt von verbandlichen Handlungsansätzen geführt hat.33 Dabei gelten jeweils die Grundprinzipien der Sozialraumorientierung: den Willen der Bewohner(innen) oder Klient(inn)en zum Ausgangs- und Mittelpunkt der Arbeit zu machen, ihre Ressourcen zu stärken, die "Expertokratie" durch konsequente Beteiligung der Bewohner(innen)/Klient(inn)en und die Einbindung nicht-professioneller Akteur(inn)e(n) zu überwinden, eine zielgruppen- und bereichsübergreifende Perspektive umzusetzen, Netzwerke der interdisziplinären und zivilgesellschaftlichen Kooperation zu fördern und mitzugestalten. Der Sozialraum wird dabei in der Verschränkung seiner beiden Funktionen als sozialgeografisch-infrastruktureller Raum und in seiner subjektiven Dimension als Raum der Aneignung und Interaktion und somit als Ort der Teilhabe erkennbar.
Online-Beratung und Digitale Transformation der Caritas
Eine elementare Veränderung der Facharbeit der Caritas und ihres Verständnisses von "Sozialraum" wurde durch die Digitale Transformation angestoßen. 2006 hat die Caritas mit der Gründung ihres ersten umfassenden Angebots von Online-Beratung der Erfahrung Rechnung getragen, dass sich Ratsuchende zunehmend Hilfen aus dem digitalen Netz holen; inzwischen beteiligen sich 20 Arbeitsfelder an der Online-Beratung der Caritas. Wurde die Online-Beratung zunächst vorwiegend als zusätzlicher Zugang zur Erreichung neuer Zielgruppen verstanden ("Add-on"), entwickelt sie sich im Sinne des Blended Counseling und des Cross Counseling heute zum integralen Bestandteil der Caritasarbeit und wird - im Rahmen der Digitalen Agenda der Caritas - in einem gesamtverbandlich getragenen Prozess zu einem Ansatz interdisziplinärer, fachbereichsübergreifender digitaler Vernetzung weiterentwickelt. Die Online-Beratung ist open-source, um sie aufgrund der Förderung durch das BMFSFJ (seit 2018) einer weiteren technischen Verwertbarkeit zugänglich zu machen. Unter den Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie haben die Online-Beratung und die digitale Unterstützung von Arbeitsprozessen ihr Potenzial für die Aufrechterhaltung von Kontakten, Abläufen und Dienstleistungen in der Caritas deutlich unter Beweis gestellt.34 Die Dienste und Einrichtungen der Caritas (und der freien Wohlfahrtspflege) haben sich damit als Angebote der Daseinsvorsorge und als unverzichtbare, tragende Elemente der sozialen Infrastruktur eindrucksvoll bewährt.
Die Digitale Transformation ist dabei, die Caritas in der Wahrnehmung ihrer gesamten verbandlichen Grundfunktionen, auch als Dienstleisterin und in der Facharbeit der Dienste und Einrichtungen grundlegend und nachhaltig zu verändern: Sie eröffnet Entwicklungs- und Innovationspotenziale durch technische Möglichkeiten zur Organisation von Arbeitsgruppen, Pflegeteams, aber auch ehrenamtlicher Aktivitäten im Sozialraum; den Einsatz von Robotik und künstlicher Intelligenz in der Gesundheits-, Alten- und Behindertenhilfe; der Gestaltung von Fort- und Weiterbildung etc. Plattformen bekommen als "vermittelnde Marktplätze" zwischen Hilfesuchenden und Hilfeanbietern zunehmende Bedeutung für die Sicht- und Erreichbarkeit der Caritas-Angebote; die Frage der Plattformfähigkeit der Caritas wird angesichts der Etablierung einer Plattformlösung für die Verwaltungsleistungen der öffentlichen Hand35 in der Caritas intensiv bearbeitet. Im Rahmen der Jahreskampagne 2019 "Sozial braucht digital" hat die Caritas bundesweit auf die gesellschaftlichen Anforderungen der digitalen Transformation aufmerksam gemacht, die auch die Facharbeit unmittelbar tangieren: die Sicherung der digitalen Teilhabe und die Verhinderung digitaler Exklusion, die Berücksichtigung ethischer Dimensionen zum Beispiel in der Anwendung von KI und Algorithmen, die Gewährleistung einer responsiven Digitalpolitik, die Stärkung digitaler Befähigung, die Teilhabesicherung für Bürger(innen), die offline sind. Insgesamt werden sich die Dienste und Einrichtungen - wie der allergrößte Teil der Bevölkerung - in einer Lebenswelt bewegen, die von der Vermischung und wechselseitigen Durchdringung analoger und digitaler Dimensionen geprägt ist und in der Teilhabechancen in gleichem Maße über die Zugänglichkeit und die Kompetenzen in der virtuellen Welt abhängig sind.36
Caritas gestaltet mit
Die Entwicklung der Facharbeit sowie der Dienste und Einrichtungen der Caritas zeigt über die Zeit eine bemerkenswerte Dynamik und hat einen quantitativen und qualitativen Bedeutungszuwachs erfahren. Die Caritas war in ihrer Funktion als Gerüst der sozialen Infrastruktur und in der Kooperation mit Politik und Verwaltung verlässliche Partnerin, kritische (Mit-)Streiterin, Impulsgeberin und Innovationstreiberin. Die Entwicklung der Facharbeit war und ist ein vielschichtiger Prozess, der sich aus den sozialen und gesellschaftlichen Trends ebenso speist wie aus den verbandlichen Fachdiskursen und der Lobbyarbeit und dem Engagement vieler verbandlicher Akteure, die immer wieder für neue bedarfsgerechte Hilfen eingetreten sind und/oder sie mutig initiiert haben - oft auch ohne vorherige finanzielle und leistungsrechtliche Absicherung.
Will man versuchen, den aktuellen Stand der Facharbeit der Caritas zu definieren, ist eine Entwicklungslinie darin zu erkennen, dass die Wahrnehmung der Personen in ihrer (sozial-)räumlichen Einbindung immer bedeutsamer geworden ist. Ziele der Caritas und ihrer Facharbeit wie Befähigung, Teilhabe, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, Chancengleichheit, gleichwertige Lebensverhältnisse, Nachhaltigkeit, Selbstverwirklichung, internationale Solidarität werden zunehmend in ihrer räumlichen Dimension erkennbar. Der Raum selbst wird heute differenzierter wahrgenommen als Raum, der gestaltbar ist, der selbst gestaltet und normative Kraft besitzt, der sich laufend verändert. Auch die "Entgrenzung" durch die Digitale Transformation und die Durchdringung von analoger und virtueller Welt schaffen letztlich wieder neue Räume, die neue Gestaltungsprozesse fordern und initiieren.
Anmerkungen
1. Gegründet 1880 und 1881 als Deutscher Verein für Armenpflege und Wohlthätigkeit konstituiert.
2. Gegründet 1924 als Deutsche Liga der freien Wohlfahrtspflege; zwischen 1848 und 1925 erfolgte die Gründung der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die heute noch Mitglieder der BAGFW sind. Der Spitzenverband Arbeiterwohlfahrt war 1924 noch nicht Mitglied, es bestanden jedoch regelmäßige Arbeitsbeziehungen zwischen Liga und AWO
3. Lorenz Werthmann hat in einem Artikel für die Zeitschrift Caritas 1918 "Grundsätzliches über staatliche Fürsorge und freie Caritas" seine Vorstellungen zum subsidiären Verhältnis von öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege dargelegt. Der Text wurde vom Zentralrat im Juli 1918 als Position verabschiedet.
4. Vgl. zum Beispiel Klein, F.: Staat und Gemeinden - Kirche und Caritas in den Sozialgesetzen 1961. In: Jahrbuch der Caritaswissenschaft, 1964, S. 36-65.
5. Vgl. Kösters, C. (Hrsg.): Caritas in der SBZDDR. Erinnerungen, Berichte, Forschungen. Paderborn, 2001.
6. Vier Bundesländer und vier Kommunen hatten vor dem Bundesverfassungsgericht insbesondere gegen die sogenannte "Funktionssperre" geklagt, d.h. den Vorrang von Diensten und Einrichtungen der FW.
7. Vgl. zum Beispiel Jaumann, A.: Kein Staatsmonopol im Sozial- und Wohlfahrtswesen. In: caritas ’80, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1979, S. 79-83; Kuper, B.-O.: Erosion des Subsidiaritätsprinzips - Gefahr für freie Wohlfahrtspflege. In: caritas ’90, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1989, S. 35-42; Kuhn, U.; Staiber, H.: Die Zukunft der caritativen Einrichtungen. Staatsbürokratie oder Markt? In: caritas ’93, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1992, S. 51-56; Cremer, G.: Caritas und Kommunen: Statt Partner Lieferanten? In: neue caritas Heft 11/2013, S. 9-12.
8. Zuletzt wurde die Anwendung des Vergaberechts in der Schuldnerberatung und in der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) verhandelt.
9. Cremer, G.: Selbstbestimmte Teilhabe ist leitende Norm. In: neue caritas Heft 2/2007, S. 9-14; Kries, C. von: Ist die Finanzierung sozialer Dienstleistungen im Wandel? In: neue caritas Heft 5/2020, S. 25-27.
10. Z. B. ein großer Erfolg der Lobbyarbeit - auch des Berliner und Brüsseler Büros des DCV- bestand darin, dass auf Druck der Bundesregierung ein Zusatz zur Zusammenarbeit mit der freien Wohlfahrtspflege in den Vertrag von Maastricht 1992 aufgenommen wurde. Zudem wurde im Vertrag von Lissabon 2007 die Daseinsvorsorge als zentrale wohlfahrtsstaatliche Leistung über die "Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse" verankert.
11. Die Strukturen der öffentlichen Fürsorge wurden erst 1970 durch Zusammenlegung der Sozial- und Jugend- und (soweit in kommunaler Verantwortung) der Gesundheitshilfe reformiert. Zudem wurden zum Beispiel in der stationären Jugendhilfe erst ab etwa 1970 kostendeckende Tagessätze in der Fläche realisiert.
12. Vgl. zum Beispiel DCV; KAG W: Perspektiven der Wohnungslosenhilfe - Grundzüge einer am Menschen orientierten Wohnungslosenhilfe. Standpunktepapier, 1995. In: Unser Standpunkt Nr. 28, Beihefte der Zeitschrift für Caritasarbeit ud Caritaswissenschaft , Heft Nr. 2, Dezember 1995, Lambertus Verlag.
13. Als aktuelle Beispiele für die Akademisierung bisher beruflicher Ausbildungen sind die Fachdisziplinen Frühkindliche Bildung, Pflegewissenschaft und Hebammenwissenschaft zu nennen.
14. Über die zentrale Aufgabe des "Studierens" war für Werthmann die Tätigkeit der Caritas grundlegend mit Fragen der Aus- und Fortbildung verbunden. Erste Qualifizierungsbestrebungen sind eng mit den Anliegen der Frauenbewegung verbunden. Auch im katholischen Bereich spielten die Frauenverbände eine wichtige Rolle: So erfolgten die Gründungen der Sozialen Fachschulen 1916 in Köln und 1917 in Berlin durch den Katholischen Deutschen Frauenbund (KFD), 1919 in Freiburg wurde die Gründung vom KFD Freiburg initiiert. Die genannten Sozialen Fachschulen gingen mit anderen Bildungseinrichtungen in katholischer Trägerschaft Anfang der 1970er-Jahre in den jeweiligen Fachhochschulen auf.
15. Vgl. Witolla, G.: Die Fortbildungs-Akademie: eine erfolgreiche Standortsuche. In: neue caritas Heft 13/2012, S. 9-11. Die FAK des DCV wurde nach der Caritas-Akademie in Köln (Fortbildungsinstitut für Krankenpflege), der Caritas-Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe, Freiburg, und der Katholischen Akademie für Jugendfragen, Düsseldorf/Freiburg damals als vierte Akademie gegründet.
16. Vgl. www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/caritas/lebenslanges-lernen/faq
17. Die KGSt wurde 1949 als Fachverband zur Unterstützung der öffentlichen Verwaltung gegründet; heute formiert sie unter der Bezeichnung Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement.
18. Defizite wurden gesehen in den Bereichen der Strategie, des Managements, der Legitimation und in einem überholten Selbstverständnis als Vollzugsbehörde.
19. So wurden im Leistungserbringungsrecht durch Öffnung für privatgewerbliche Anbieter die Vorrangstellung der FW aufgehoben, eine differenzierte Vertragsgestaltung zur Voraussetzung der Vergütung beziehungsweise Belegung eingeführt und finanzielle Einsparungen durch die Aufhebung des Vollkostendeckungsprinzips erreicht. Gleichzeitig wurde - trotz starker Individualisierungsrhetorik - das Wunsch- und Wahlrecht auf Einrichtungen beschränkt, mit denen entsprechende Vereinbarungen getroffen worden waren. Vgl. hierzu 1994 § 93 Abs. 1 und 2 BSHG; Ausgestaltung der 1995 neu eingeführten Pflegeversicherung. Leistungsvereinbarungen wurden nach und nach auch im ambulanten Bereich zur gängigen Praxis, selbst ohne leistungsrechtliche Grundlage, zum Beispiel für Beratungsdienste im Rahmen freiwilliger kommunaler Leistungen.
20. Vgl. Pompey, H.: Das Profil der Caritas und die Identität ihrer Mitarbeiter(innen). In caritas ’93, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1992, S. 11-26; Zerfaß, R.: Das Proprium der Caritas als Herausforderung an die Träger. In caritas ’93, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1992, S. 26-40; Puschmann, H.: Caritas zwischen Management und Barmherzigkeit. In: caritas ’01, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 2000, S. 26-30; Krockauer, R.: Spiritualität - "Kapital" der Caritas. In: caritas ’01, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 2000, S. 31-37.
21. Vgl. zum Beispiel Gabriel, K.; Ritter, K.: Solidarität und Markt. Die Rolle der kirchlichen Diakonie im modernen Sozialstaat. Freiburg: Lambertus Verlag, 2005 (Tagungsband einer Veranstaltung der Fortbildungs-Akademie des DCV); Schmidt, T.: Zwischen Kundenorientierung und Barmherzigkeit. In: caritas ’99, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1998, S. 61-70; Behler, T.: Die Freie Wohlfahrtspflege im Zeitalter der Globalisierung. In: caritas ’99, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 1998, S. 70-76; Cremer, G.: Marke Caritas im Sozialmarkt. In: Caritas-Jahrbuch ’03, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 2002, S. 37-46; Batkiewicz, R.; Roth, N.: Zukunft und Identität der Caritas im Markt. In: caritas ’03, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 2002, S. 47-54; Neher, P.: Theologie und Ethik in den Caritasorganisationen. In: caritas ’09, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg, 2008, S. 31-35.
22. Vgl. zum Beispiel Oliva, H.; Walter-Hamann, R.: Suchthilfe in Netzwerken. Praxishandbuch zu Strategie und Kooperation. Freiburg: Lambertus Verlag, 2013.
23. Für alle Einrichtungen der Caritas verbindlich sind aktuell - neben der grundlegenden Nutzer(innen)-Orientierung - die Umsetzung der Sozialraumorientierung, der interkulturellen Öffnung, der Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt.
24. Neben den fachlichen, ökonomischen und ökologischen Aspekten wurden darin - unter Bezug auf das Leitbild des DCV - die biblisch-theologischen und ethischen Dimensionen der Caritasqualität beschrieben.
25. Gesellschafter von proCumCert waren die Spitzenverbände DCV und DW der EKD, die beiden konfessionellen Krankenhausfachverbände kkvd und DEVK sowie der Ecclesia-Versicherungsdienst.
26. Vgl. Thiersch, H.: https://bit.ly/383TcL2.
27. Rechtliche Grundlagen für die Anforderung an Multikulturalität und das Diskriminierungsverbot waren u.a. die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland (2006).
28.Vgl. Bolay, Raphael: Die Öffnung geht alle an. In: neue caritas Heft 16/2013, Beilage des Referats Migration und Integration, S. 30-33.
29.Vgl. zum Beispiel Unternehmenstagung 2018: Diversity als Innovationstreiber in der Caritas, https://bit.ly/3y83DYB.
30. In der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung konnten mit Hilfe des Teilhabebezugs (anstelle der Fokussierung auf materielle Ressourcen) die Dimensionen von sozialer Benachteiligung und Exklusion qualitativ erfasst werden.
31. Vgl. Riedl, Anna Maria; Kostka, Ulrike: Nur wer sich einbringen kann, gehört dazu. In: neue caritas Heft 12/2009, S. 21-25. Die Caritas hat beide Dimensionen von Gerechtigkeit in den Initiativen zur Befähigung 2005 bis 2008 und zur selbstbestimmten Teilhabe 2009 bis 2011 aufgegriffen.
32. Vgl. Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention, Juli 2015, geändert im Jahr 2020.
33. Vgl. Abschlussbericht des Projekts "Gemeinsam aktiv im Sozialraum". https:/caritas.de/>cms>.sozialraumorientierung.
34. Vgl. zum Beispiel die Befragungen der Bank für Sozialwirtschaft in Kooperation mit der BAGFW zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie auf das Sozial- und Gesundheitswesen 2020 und 2021. Sie zeigen auf, welche Bedeutung der Digitalisierung für die aktuelle und zukünftige Arbeit der Dienste und Einrichtungen aus Trägersicht zukommen wird. ttps://sozialbank.de/covid-19/umfrage. Siehe hierzu: Walter-Hamann, R.: Wirtschaftliche und digitale Strategien in der Covid-19-Pandemie. In: neue caritas Heft 17/2020, S. 17-20; Fix, Birgit: Wie geht es den Caritas-Einrichtungen in der Pandemie? In: neue caritas Heft 6/2021, S. 9-12.
35. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017 verpflichtet Bund, Länder und Kommunen dazu, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 digital über Verwaltungsportale zugänglich zu machen; vorgesehen ist zudem ein Portalverbund durch die Verknüpfung der Portale von Bund, Ländern und Kommunen.
36. Vgl. zum Beispiel Welskop-Deffaa, Eva Maria: Hybride Sozialräume gestalten - Virtuelle und analoge Angebote vernetzen. Oder: Wie die Digitale Transformation unsere wohlfahrtsverbandlichen Aufgaben verändert. Vortrag bei der ConSozial am 7.11.2018 in Nürnberg.
Anhang 1
Was zeigt die Einrichtungsstatistik der Caritas bis 1970?1
In der Jugend-/Familienhilfe sind als neue Einrichtungsarten die Jugenddörfer, die Familienerholungsstätten und die Erziehungsberatungsstellen hinzugekommen. Die Zahl der Kindergärten/Kinderhorte ist um mehr als 50 Prozent gestiegen. Die Ehe- und Familienberatungsstellen verzeichnen eine Verdoppelung. In der Altenhilfe werden mit den Altentagesstätten und Mahlzeitendiensten auf Rädern neue Einrichtungen in zunehmender Zahl erfasst. In der Behindertenhilfe gilt dies für die Beschützenden Werkstätten, verschiedene Formen von Tageseinrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche sowie für die Hilfsstellen für Suchtkranke. Die Zahl der Gemeindekrankenstationen ist kontinuierlich - auch aufgrund des Mangels an Ordensschwestern - zurückgegangen. Auf den zunehmenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften verweist die starke Zunahme an Ausbildungsstätten: Krankenpflegeschulen, Fachschulen für Sozialpädagogik - Heimerziehung (neu!) und Kindergärtnerinnenseminare, die Familien- und Hauspflegeschulen. Die Haushaltsschulen sind zahlenmäßig noch relevant, aber bereits rückläufig.
Anmerkung
1. Vgl. Bühler, H. H.: Die Einrichtungen der deutschen Caritas 1913 bis 1970. In: Festschrift 75 Jahre Deutscher Caritasverband 1897 bis 1971. Freiburg, 1972.
Anhang 2
Einrichtungsstatistik der Caritas 1970 bis 19801
Es zeigt sich eine überproportionale Zunahme der Mitarbeiter(innen), vor allem in der Alten- und Behindertenhilfe, dort steigt auch die Zahl der stationären und (noch stärker) der ambulanten Einrichtungen. Rückgang der Krankenhäuser, aber mehr größere Einrichtungen. Rückgang der stationären Jugendhilfeeinrichtungen und Zunahme der ambulanten Angebote, erstmals werden Wohngruppen aufgenommen. Rückgang der Platzzahlen bei steigenden Mitarbeiter(inne)nzahlen verweist auf verbesserte Betreuungsquoten. Zunahme der Beratungsdienste in der Gefährdetenhilfe (heute: besondere soziale Schwierigkeiten). Erneut ist ein massiver Rückgang der Ordensangehörigen zu verzeichnen. Auch die Zahl der Kindergärten wächst deutlich. Neue Einrichtungsarten werden in den offenen Hilfen aufgenommen, insbesondere die neuen sogenannten niedrigschwelligen Angebote. Der Trend setzt sich fort, dass die Gemeindekrankenstationen durch Sozialstationen ersetzt werden. Zu verzeichnen ist zudem eine Zunahme an Selbsthilfegruppen. Auch die Zahl der Studierenden an den Katholischen Hochschulen verzeichnet einen deutlichen Anstieg.
Anmerkung
1. Bühler, H. H.: Die katholischen sozialen Einrichtungen der Caritas in der BRD. In: Caritas 83: Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes. Freiburg, 1982.
Anhang 3
Seit der Wiedervereinigung ist die Zahl der Mitarbeiter(innen) in allen Bundesländern kontinuierlich gewachsen; aktuell (Stand 31. Dezember 2018) gibt es 25.064 Einrichtungen in katholische Trägerschaft mit 1.083.806 Plätzen und 693.082 hauptamtlichen Mitarbeiter(inne)n (466.317 VZÄ). Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist seit 50 Jahren kontinuierlich gewachsen; der Frauenanteil mit 81,9 Prozent relativ konstant hoch.