Triage bei Covid-19? Diskriminierungsfrei behandeln!
Als sachverständiger Dritter hat der Bundesfachverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) beim Bundesverfassungsgericht eine Stellungnahme zur Triage abgegeben, also zur Priorisierung beim Zugang zu medizinischer Behandlung, die rechtlich nicht geregelt ist. Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde von neun Menschen mit Behinderung, die zur Risikogruppe einer Covid-19-Erkrankung mit schweren Krankheitsverläufen gehören. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen sie die Untätigkeit des Gesetzgebers. Sie befürchten, bei knappen Behandlungsressourcen aufgrund ihrer Behinderung durch die medizinischen Empfehlungen von einer lebensrettenden medizinischen Behandlung ausgeschlossen zu werden. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin hat im März 2020 klinisch-ethische Empfehlungen für "Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und Intensivmedizin" im Corona-Kontext veröffentlicht. Durch diese Empfehlungen können Menschen mit Behinderung gegebenenfalls benachteiligt werden.
Trotz schwerer Covid-19-Infektion nicht im Krankenhaus aufgenommen
Der CBP weist auf die strukturelle Benachteiligung von Menschen mit Behinderung im Gesundheitssystem hin, die sich in der Pandemie weiter verstärkt. Beispielsweise wurden Menschen mit Behinderung aus Einrichtungen der Caritas trotz schwerer Covid-19-Infektion in einigen Fällen nicht ins Krankenhaus aufgenommen, obwohl sie in der Einrichtung nicht optimal versorgt werden konnten, was einer sogenannten "Triage vor der Triage" gleichkommt. Bei einer Aufnahme ins Krankenhaus entscheiden Ärztinnen und Ärzte, für wen die Kapazitäten vorrangig zur Verfügung gestellt werden. Dies kann sich bei Kapazitätsengpässen aufgrund der Vorbehalte der Mediziner(innen) diskriminierend auf den Zugang zur medizinischen Behandlung von Menschen mit Behinderung niederschlagen.
Der CBP setzt sich dafür ein, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu verpflichtet, Regelungen zu treffen, die diskriminierungsfreie intensivmedizinische Behandlung für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung sicherstellen. Dafür müssen im ersten Schritt alle Patient(inn)en bis zur notfall- und intensivmedizinischen Behandlung vordringen können. Dies ist im Moment vor allem bei wohnungslosen, alten und geflüchteten Menschen sowie Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderung oft nicht der Fall. Im zweiten Schritt darf niemand wegen Stigmata oder Zuschreibungen von einer solchen Behandlung ausgeschlossen werden.
Die medizinischen Empfehlungen zur Triage dürfen nicht zum Wettlauf um die Intensivbetten führen. Dies würde für viele Menschen mit Schwerstbehinderung einen Wettbewerb ums Überleben bedeuten. (Mehr hier im CBP-Info 1/2021, Seite 3).